Euphorbia resinifera

Art der Gattung Wolfsmilch (Euphorbia)

Euphorbia resinifera ist eine Art aus der Familie der Wolfsmilchgewächse. Die Pflanze wächst in Marokko an den Hängen des Atlas.

Euphorbia resinifera

Euphorbia resinifera bei Demnate in Marokko

Systematik
Unterfamilie: Euphorbioideae
Tribus: Euphorbieae
Untertribus: Euphorbiinae
Gattung: Wolfsmilch (Euphorbia)
Untergattung: Euphorbia
Art: Euphorbia resinifera
Wissenschaftlicher Name
Euphorbia resinifera
O.Berg
Habitus
In Blüte
Tafel aus der Erstbeschreibung mit Euphorbia resinifera (Abbildungen M–X) und Euphorbia canariensis (Abbildungen A–L)
Darstellung auf Tafel 149 im Dioscurides Neapolitanus
Resiniferatoxin

Merkmale

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Euphorbia resinifera ist ein sukkulenter Strauch, der im Habitus an Kakteen erinnert. Er bildet halbkugelige, dicht gedrängte polsterartige Kolonien, die eine Wuchshöhe von 40 bis 50 Zentimeter bei einem Durchmesser von 2 bis 3 Metern erreichen. Die Sprossachsen sind von der Basis an verzweigt, grün bis graugrün gefärbt, sie besitzen 2 bis 4 Zentimeter Durchmesser. Sie sind vierkantig, mit vier schwach abgesetzten, gezähnten Rippen. Die stacheltragenden Zähne (Vorsprünge) auf den Rippen sind dreieckig bis eiförmig, jeweils 5 bis 10 Millimeter voneinander entfernt, sie tragen paarige, kastanienbraun gefärbte Stacheln (gedeutet als umgebildete Nebenblätter) von 5 bis 10 Millimeter Länge. Die rudimentären Blätter, die an der Stachelbasis entspringen, sind bald abfallend.

Die Blütenstände erscheinen an der Triebspitze, sie bestehen aus drei Cyathien (den charakteristischen Scheinblüten der Wolfsmilchgewächse), von denen die beiden seitlichen, kurz gestielten zwittrig sind, die zentrale, sitzende ist rein männlich. Die becherartige Blütenhülle aus Hochblättern (Involucrum) hat etwa 2,5 Millimeter Durchmesser. Die fünf bis sechs gelb gefärbten Nektardrüsen sind elliptisch bis herzförmig. Die Kapselfrucht ist reif gelblich gefärbt.

Systematik, Verbreitung und Standort

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Euphorbia resinifera gehört zur Sektion Euphorbia der Untergattung Euphorbia.[1] Die Erstbeschreibung durch Otto Karl Berg wurde 1863 veröffentlicht.[2] Ein nomenklatorisches Synonym ist Tithymalus resiniferus (O.Berg) H.Karst. (1882).[3] Taxonomische Synonyme sind Euphorbia resinifera var. chlorosoma Croizat (1942) und Euphorbia resinifera var. typica Croizat (1942, nom. inval., ICN Art. 24.3).

Euphorbia resinifera ist ein Endemit Marokkos, sie wächst an steinigen Hängen des Atlas-Gebirges, seltener auch im Antiatlas,[4] in der Region um Tafraoute, Pflanzen von dort sind als Euphorbia resinifera var. chlorosoma Croizat beschrieben worden.[5] Im Atlas bildet die Art stellenweise, so in der Gegend von Demnate teilweise riesige Polster, die kaum noch Platz für andere Pflanzenarten lassen. Sie wächst hier in Höhen von 600 bis 1100 Metern, vereinzelte Angaben gibt es bis 1800 Meter. Sie wächst in niederen Höhen bis etwa 850 Meter in Buschsteppen, gemeinsam mit der Zwergpalme (Chamaerops humilis) und der Akazienart Vachellia gummifera, in höheren Lagen teilweise als Unterwuchs in lockeren Steineichen-Hainen.[6]

In Marokko gibt es neben Euphorbia resinifera weitere kakteen-ähnliche Euphorbia-Arten: Euphorbia echinus Hook.f. & Coss. und Euphorbia officinarum subsp. beaumiereana Hook f. & Coss.[7] Ähnlich ist die auf den Kanarischen Inseln endemische Kanaren-Wolfsmilch (Euphorbia canariensis).

Inhaltsstoffe

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In der Blütezeit kann man aus dem Stamm und den Sprossen einen Milchsaft entnehmen, der als „Euphorbium Officinarum“,[8] „Euphorbium“ oder „Euphorbiumgummi“[9] bezeichnet wird. Dieser Milchsaft beinhaltet eine hohe Konzentration von Resiniferatoxin, das als Ausgangsstoff bei der Entwicklung einer neuen Klasse von Analgetika verwendet wird.[10] Untersuchungen haben gezeigt, dass Resiniferatoxin mit dem TRPV1-Kanal wechselwirkt. TRPV1 ist ein Kationen-Kanal des Nervensystems und dient als Schmerzrezeptor. Er reagiert auch auf das Vanilloid Capsaicin, das in einigen Paprika-Arten vorkommt. Des Weiteren enthält der Milchsaft alpha- und beta-Euphorbol sowie den Triterpenalkohol Euphol.[11]

Kulturgeschichte

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Euphorbia resinifera wird bereits in der Antike erwähnt. Angeblich wurde sie von König Juba II. von Mauretanien am Berg Atlas entdeckt und zuerst beschrieben. Dieser benannte die Pflanze nach seinem Leibarzt Euphorbus (Bruder des Antonius Musa, Leibarzt des Augustus) „Euphorbia“. Jubas Werk über die Pflanze ist verschollen, wir wissen von ihm durch ausführliche Zitate in der Naturalis historia des römischen Gelehrten Plinius.[12][13]

Der Saft der Pflanze ist nach Plinius so gefährlich, dass man die Pflanze aus gehörigem Abstand mit einer Stange anstach und den austretenden milchähnlichen Saft dann im Magen eines Ziegenkitzes auffing.[14] Noch im 20. Jahrhundert verband man sich beim Sammeln des getrockneten Milchsafts Mund und Nase mit Tüchern, da der Staub des Harzes starkes Niesen und Brennen in den Atmungsorganen hervorrufen kann.[9] Das Harz bzw. der erhärtete bzw. getrocknete Milchsaft von Euphorbia resinifera (und verwandter Harz liefernder Euphorbia-Arten) wurde bereits im Mittelalter häufig als „Euphorbium“[15][16] bezeichnet und arzneilich verwendet. Es sieht dem Weihrauchharz sehr ähnlich.[14] Um 1960 war die Anwendung von Euphorbium stark zurückgegangen und beschränkte sich auf die gelegentliche tiermedizinische Verwendung in Zugpflastern.[9]

Die Art wurde wegen ihrer medizinischen Verwendung auch von anderen antiken Autoren wie Galen und Dioskurides erwähnt.

Eine Abbildung im Codex Neapolitanus wurde als die älteste Abbildung der Art identifiziert.[17]

Literatur

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  • Abderrahim Ettaqy, Abdelhakim Taha, Aziz ElGhiouane, Anas ElKhou, Abdelaali Boulli, Younes Abbas: New data on the ecological distribution of Euphorbia resinifera O.Berg in the Beni Mellal Khenifra region. In: E3S Web of Conferences. Band 183, 2020, 01001 (doi:10.1051/e3sconf/202018301001).
  • Oumaima Hmidouche, Khadija Bouftini, Abdelbasset Chafik, Sara Khouri, Halima Rchid, Abdessadek Rahimi, Mostafa Mimouni, Elbekay Maarouf, Fatna Zaakour, Rachid Nmila, Aya Khouchlaa: Ethnomedicinal Use, Phytochemistry, Pharmacology, and Toxicology of Euphorbia resinifera O. Berg. (B): A Review. In: Journal of Zoological and Botanical Gardens. Band 4, Nr. 2, 2023, S. 364–395 (doi:10.3390/jzbg4020029).
  • Pjotr Lawant, Diny Winthagen: Euphorbia resinifera portrayed in a manuscript herbal nearly fifteen hundred years ago. In: Bradleya. Band 19, 2001, S. 3–14 (doi:10.25223/brad.n19.2001.a3).
  • Pjotr Lawant, Diny Winthagen: Euphorbia resinifera portrayed in a manuscript herbal nearly fifteen hundred years ago – revisited. In: Bradleya. Band 20, 2002, S. 13–16 (doi:10.25223/brad.n20.2002.a4).

Einzelnachweise

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  1. Susan Carter: Euphorbia. In: Urs Eggli, Reto Nyffeler (Hrsg.): Illustrated Handbook of Succulent Plants. Dicotyledons: Rosids. Springer, Cham 2023, ISBN 978-3-03093491-0, S. 539.
  2. Otto Karl Berg, Carl Friedrich Schmidt: Darstellung und Beschreibung sämmtlicher in der Pharmacopoea borussica aufgeführten offizinellen Gewächse. Band 4, Heft 34, 1863, Tafel 34 d (online).
  3. Hermann Karsten: Deutsche Flora. Pharmaceutisch-medicinische Botanik. Ein Grundriss der systematischen Botanik zum Selbststudium für Aerzte, Apotheker und Botaniker. Lieferung 6, S. 587, J. M. Spaeth, Berlin 1882 (online).
  4. Hubert Müller: Marokkanische Euphorbien. In: Kakteen und andere Sukkulenten. Band 3, Nr. 2, 1952, S. 9–11 (online).
  5. Susan Carter: Euphorbias of Southern Morocco. In: Cactus and Succulent Journal. Band 77, Nr. 1, 2005, S. 34–37 (doi:10.2985/0007-9367(2005)77[34:EOSM]2.0.CO;2).
  6. Werner Rauh: Vegetationsstudien im Hohen Atlas und dessen Vorland. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. Band 1, 1952, S. 54–56.
  7. P. Quezel, M. Gast: Euphorbes. In: Encyclopédie berbère. Band 18: Escargotière – Figuig. Peeters Publishers, 1997, ISBN 2-85744-948-8.
  8. Bruno Vonarburg: Homöotanik: Extravagante Exoten. Haug, Stuttgart 2001, ISBN 3-8304-7029-0, S. 270.
  9. a b c George Karsten, Ulrich Weber, Egon Stahl: Lehrbuch der Pharmakognosie für Hochschulen. Neu bearbeitet von Egon Stahl. 9. Auflage. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1962, DNB 452322774, S. 553–554.
  10. Giovanni Appendino, Arpad Szallasi: Euphorbium: Modern research on its active principle, resiniferatoxin, revives an ancient medicine. In: Life Sciences. Band 60, Nr. 10, 1997, S. 681–696, doi:10.1016/S0024-3205(96)00567-X.
  11. R. Giebelmann: Kulturgeschichtliches zu Wolfsmilchgewächsen. Institut für Rechtsmedizin im Klinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 2007. (gtfch.org)
  12. Laurence Totelin: Botanizing rulers and their herbal subjects: plants and political power in Greek and Roman literature. In: Phoenix. Band 66, Nr. 1/2, 2012, S. 122–144 (doi:10.7834/phoenix.66.1-2.0122).
  13. J. M. MacGregor: Plant names: some classical allusions from South African flower names. In: Journal of the Botanical Society of South Africa. Band 60, 1974, S. 42–48.
  14. a b Plinius, HN 25.79
  15. Vgl. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 142.
  16. Ulrich Stoll: Das „Lorscher Arzneibuch“. Ein medizinisches Kompendium des 8. Jahrhunderts (Codex Bambergensis medicinalis 1). Text, Übersetzung und Fachglossar. Steiner, Stuttgart 1992 (= Sudhoffs Archiv. Beiheft 28), ISBN 3-515-05676-9 (zugleich Philosophische Dissertation Würzburg 1989), S. 430.
  17. Pjotr Lawant, Diny Winthagen: Euphorbia resinifera portrayed in a manuscript herbal nearly fifteen hundred years ago. In: Bradleya. Band 19, 2001, S. 3–14 (doi:10.25223/brad.n19.2001.a3).
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