Felix Abraham
Felix Abraham (* 30. August 1901 in Frankfurt am Main; † 8. September 1937 in Florenz[1]) war ein deutscher Arzt, Sexualforensiker (Gerichtsgutachter) und „Leiter der sexualforensischen Abteilung“ am ersten Institut für Sexualwissenschaft in Berlin.
Leben
BearbeitenEnde 1928 promovierte Abraham bei Philipp Schwartz in Frankfurt am Main mit der Dissertation Untersuchungen über die Veränderungen der Sterblichkeitsstatistik des ersten Lebensjahres, die im selben Jahr in Buchform erschien. Ein Jahr nach seiner Promotion nahm er seine Arbeit als Assistenzarzt auf. Von 1929 bis zur Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 und darauffolgender Schließung des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin war er dessen „Leiter der sexualforensischen Abteilung“ (Gerichtsmedizin) und beteiligte sich an sexualwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen. Sein Spezialinteresse richtete sich auf damalige „Sexualdelikte“ wie Infantilismus, Exhibitionismus und Flagellantismus. Neben dem Vorstand war er einer der drei ständigen Ärzte am Institut und Nachfolger des Psychiatrie-Dozenten Arthur Kronfeld.[2]
Im Institut war er Ansprechpartner für „Transvestiten“, ein Begriff, der damals die Begriffe Transvestitismus, Travestie, Transgeschlechtlichkeit und Transsexualität umfasste. Rudolph Richter (1892–1966) lebte und arbeitete unter dem Vornamen Dora, auch Dorchen genannt, mehr als zehn Jahre lang als Hausmädchen im Institut. Schon 1922 wurde eine Kastration vorgenommen. Anfang 1931 erfolgte eine Penektomie, gefolgt von der Konstruktion einer Neovagina im Juni 1931. Diese erste komplette operative „Genitalumwandlung“ wurde wie der vermutlich zweite Fall von Hugo Otto Arnold Ebel (Toni Ebel) durch Ludwig Levy-Lenz am Institut vorgenommen. Beide Fälle wurden von Abraham 1931 in der Zeitschrift für Sexualwissenschaft publiziert.
Um 1933 war Abraham mit der Pianistin Ellen Epstein befreundet. Im Jahre 1935 praktizierte Abraham als Arzt in Berlin. 1936 versuchte er, nach Schweden überzusiedeln und dort eine Stelle als Arzt zu finden, doch seine Unternehmungen misslangen. Im Frühjahr 1937 emigrierte er nach Italien, wo er Ende 1937 im Exil in Florenz Suizid beging. Sein Freitod ist durch einen Brief von Anfang 1939 belegt.
Am 12. November 2016 wurde vor seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Steglitz, Gritznerstraße 78, ein Stolperstein verlegt.[3]
Schriften
Bearbeiten- Untersuchungen über die Veränderungen der Sterblichkeitsstatistik des ersten Lebensjahres, Münch, Frankfurt am Main-Niederrad 1928 (Dissertation)
- Vorwort zu Karl Plättner: Eros im Zuchthaus. Sehnsuchtsschreie gequälter Menschen nach Liebe. Eine Beleuchtung der Geschlechtsnot der Gefangenen, bearbeitet auf der Grundlage von Eigenerlebnissen, Beobachtungen und Mitteilungen in achtjähriger Haft. Vorwort von Magnus Hirschfeld und Felix Abraham,
1. Auflage: Mopr-Verlag, Berlin 1929;
2. Auflage: Witte, Hannover 1930 - Herausgeber von Perversions sexuelles. D'après l'enseignement du docteur Magnus Hirschfeld, par son premier assistant le docteur Félix Abraham ; traduit et adapté par le docteur Pierre Vachet, Éditions internationales François Aldor, Paris 1931.
- Chirurgische Eingriffe bei Anomalien des Sexuallebens, in: Therapie der Gegenwart n°67, 1926, S. 451–455
- Genitalumwandlungen an zwei männlichen Transvestiten, Zeitschrift für Sexualwissenschaft und Sexualpolitik, Nr. 18, 1931 S. 223–226.
Literatur
Bearbeiten- Volkmar Sigusch: Geschichte der Sexualwissenschaft. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag 2008, ISBN 978-3-593-38575-4, S. 100, 347, 354 f., 361.
- Rainer Herrn: Felix Abraham. In: Volkmar Sigusch und Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung, Frankfurt/M., New York: Campus Verlag 2009, ISBN 978-3-593-39049-9, S. 19–21.
- Ralf Dose: „Es gab doch für ihn ein sogenanntes bürgerliches Leben schon sehr lange nicht mehr.“ Dr. med. Felix Abraham – Fragmente eines Lebens. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Heft 54, Juni 2016, S. 9–23.
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Felix Abraham im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Raimund Wolfert und Ralf Dose: Felix Abraham. Auf: Stolpersteine in Berlin (2016).
- Raimund Wolfert: Felix Abraham. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/11630 [Stand 2. Juli 2020]
- Dr. med. Felix Abraham, Onlineausstellung Institut für Sexualwissenschaft (1919–1933) – mit Foto
- Herbert Henck: Ellen Epstein (1898–1942) – Eine jüdische Künstlerin aus Schlesien – Mit Informationen über deren Freund Abraham, Stand: 17. Januar 2008, Fußnote 62
- Waßmer Jörg, in: Blog »Alles um Liebe« Sexuelle Vielfalt in der Sammlung des Jüdischen Museums am 28. Juli 2018, https://www.jmberlin.de/blog/author/joerg-wassmer/ mit seltenem Foto von Felix Abraham im Sexualwissenschaftlichen Institut Berlin.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gedenktafel Dr. Felix Abraham, Website der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, abgerufen am 26. Mai 2017.
- ↑ Josef Hynie: Zur Geschichte der Sexualforschung in der Tschechoslowakei, erstmals erschienen in:
Rolf Gindorf und Erwin J. Haeberle (Hrsg.): Sexualwissenschaft und Sexualpolitik, Berlin 1992, S. 91–117 - ↑ Der unbekannte Held der frühen Transgender-Bewegung. In: www.queer.de. Abgerufen am 13. November 2016.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Abraham, Felix |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Sexualwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 30. August 1901 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 8. September 1937 |
STERBEORT | Florenz |