Finowkanal

Kanal in Deutschland, Vorläufer des Oder-Havel-Kanals

Der Finowkanal (FiK) ist eine 32 Kilometer lange sogenannte „Sonstige Binnenwasserstraße“ des Bundes im Bundesland Brandenburg. Sie zweigt im Westen bei Zerpenschleuse vom Oder-Havel-Kanal, einer Teilstrecke der Bundeswasserstraße Havel-Oder-Wasserstraße (HOW), ab und mündet im Osten unterhalb des Schiffshebewerks Niederfinow bei Liepe in die Oderberger Gewässer der HOW.[4][5] Zuständig für die Verwaltung ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Eberswalde.

Finowkanal
Finowkanal in Niederfinow

Finowkanal in Niederfinow

Daten
Lage Brandenburg, Deutschland
Flusssystem Oder
Abfluss über Alte Oder → Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße → Oder → Stettiner Haff
Beginn als Abzweig des Oder-Havel-Kanal bei Zerpenschleuse
52° 50′ 46″ N, 13° 32′ 30″ O
Quellhöhe 40 m[1]
Mündung bei Liepe in die Alte OderKoordinaten: 52° 51′ 5″ N, 13° 57′ 30″ O
52° 51′ 5″ N, 13° 57′ 30″ O
Mündungshöhe m[1]
Höhenunterschied 39 m
Sohlgefälle etwa 1,2 ‰
Länge etwa 32 km[1]
Einzugsgebiet 742 km²[2]
Abfluss am Pegel Schleuse Liepe[3]
AEo: 742 km²
Lage: etwa 400 mdep1 oberhalb der Mündung
MQ
Mq
HHQ
3,45 m³/s
4,6 l/(s km²)
24,7dep1
Linke Nebenflüsse Besterfließ, Mäckerseekanal, Ragöse
Rechte Nebenflüsse Pregnitzfließ, Finow, Schwärze
Mittelstädte Eberswalde
Gemeinden Schorfheide, Finowkanal in Niederfinow

Seit 2016 ist der 10 Kilometer lange Abschnitt „Langer Trödel“ zwischen Liebenwalde und Zerpenschleuse wieder für den Bootsverkehr geöffnet, so dass der Finowkanal nun wieder in seiner gesamten ursprünglichen Länge von etwa 43 Kilometern durchgängig befahrbar ist. Der „Lange Trödel“ ist eine Landeswasserstraße des Landes Brandenburg.

Der Finowkanal ist die älteste künstliche Wasserstraße in Deutschland, die noch in Betrieb ist, und steht unter Denkmalschutz.[6]

Erster Finowkanal

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Der erste Finowkanal wurde 1605 bis 1620 erbaut und war die erste künstliche Verbindung zwischen den zwei deutschen Stromgebieten der Havel und der Oder. Der Kurfürst Joachim Friedrich erteilte 1603 die Order, die Havel bei Liebenwalde über das Flüsschen Finow mit der Oder zu verbinden. Bereits 1609 war die Verbindung von Liebenwalde bis zur Finow einschließlich des Baues von fünf Schleusen bis Finowfurt fertiggestellt. Wegen akuten Geldmangels ging der Ausbau des Kanals, nunmehr in der Trasse der Finow, nur schleppend unter den Kurfürsten Johann Sigismund (1608–1619) und Georg Wilhelm (1619–1640) voran. 1620 konnte erstmals ein Frachtkahn den Finowkanal zwischen Havel und Oder befahren.

Infolge des Dreißigjährigen Krieges war der Kanal fast vollständig verwahrlost und die einzelnen Kanalabschnitte verfielen. Der Finowkanal geriet in Vergessenheit.

Zweiter Finowkanal

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Walzwerk Neustadt-Eberswalde, Blick vom Stichkanal, den spaeteren Sinterauslaeufen, auf das Altwerk, Carl Blechen, um 1830
 
Treideln mit Zugtieren am Finowkanal um 1885

Ab 1743 wurde der Kanal durch Erlass Friedrichs II. wiederhergestellt. Er brachte wirtschaftlichen Aufschwung in die Region und ermöglichte die Ansiedlung metallverarbeitender Industrie im 18. Jahrhundert. Der Kanal hat die Entwicklung des Finowtals bestimmt, welches auch das „Märkische Wuppertal“ genannt wird.

Die Gesamtlänge des Kanals betrug zu seiner Bauzeit ca. 43 Kilometer, es war ein Höhenunterschied von 38 Meter zu überwinden. Die Standorte der zehn Schleusen orientierten sich an den Lagen der Schleusen des ersten Finowkanals. Sie wurden als Kesselschleusen gebaut und den Abmessungen der Schiffe angepasst (26,67 m lang, 3,11 m breit). Am 16. Juni 1746 wurde der zweite Finowkanal für den Verkehr freigegeben.

Von 1747 bis 1753 wurde der Kanal in östlicher Richtung erweitert, es wurden weitere sieben Kanalstufen errichtet. Im 19. Jahrhundert war der Bau größerer Schleusen notwendig geworden, da das Verkehrsaufkommen stark angestiegen war. In den Jahren 1841 bis 1850 wurden durchschnittlich 14.000 Kähne und etwa 53.000 Floßhölzer geschleust, ab 1845 erfolgten auch Nachtschleusungen. Ab 1874 wurde dann der Bau einer zweiten parallelen Schleuse je Kanalstufe begonnen.

 
Die 1831 erbaute Schleuse Eberswalde
 
Mündung des Finowkanals in den Oder-Havel-Kanal in der Nähe des Schiffshebewerks Niederfinow

Auf einer Länge von 29,7 Kilometer wird ein Höhenunterschied von 36 Meter durch zwölf Schleusen ausgeglichen: Schleuse Ruhlsdorf (bei km 59,2), Leesenbrück (km 61,1), Grafenbrück (km 63,3), Schöpfurth (km 67,5), Heegermühle (km 71,0), Wolfswinkel (km 72,9), Drahthammer (km 73,9), Kupferhammer (km 75,9), Eberswalde (km 77,9), Ragöse (km 81,0), Stecher (km 84,4), Liepe (km 88,9). Die Schleuse Eberswalde ist die älteste noch betriebsfähige Schleuse im Bereich der märkischen Wasserstraßen, sie wurde 1831 fertiggestellt und 2001 erneuert.

Bis zum Ausbau der Wasserstraße 1874 gab es zwischen den Schleusen Schöpfurt und Heegermühle noch die Steinfurter Schleuse und zwischen den Schleusen Stecher und Liepe die Niederfinsche Schleuse. Sie waren als hölzerne Kesselschleusen errichtet.

1898 und 1899 wurden am Finowkanal zwischen der Stadtschleuse und der Ragöser Schleuse durch die damalige Firma Siemens & Halske Versuche mit elektrischen Schiffszügen unternommen. Getestet wurden zwei Systeme: das System Köttgen[7] und das System Lamb.[8] Köttgen sah vor, einen elektrischen Motor auf einer Schiene fahren zu lassen, während Lamb einen an einem fest installierten Drahtseil fahrenden Motor vorschlug. Die Erfahrungen aus diesen Versuchen flossen später beim Bau der Treidelbahn am Teltowkanal und auch bei der Schleusentreppe Niederfinow ein.

Finowmaß

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Das Finowmaß wurde mit einer Länge von 40,20 m, einer Breite von 4,60 m und einem Tiefgang von 1,40 m zu einer Norm im Schiffbau. Es war das erste deutsche Binnenschiffmaß. Die Schleusen des Kanals wurden so angelegt, dass sie genau zwei Schiffe dieses Maßes aufnehmen konnten. Gut erkennbar sind die versetzten Schleusentore.

20. Jahrhundert und Gegenwart

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Rückgang der Bedeutung

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Anfang des 20. Jahrhunderts war es noch üblich, dass Waren innerhalb von Städten auf dem Kanal transportiert wurden. So wurde am Bollwerk in Eberswalde gesponnenes Garn per Lastkahn zur Papierfabrik Finow geschafft.[9] Es gab aber auch Fernverkehr auf dem Finowkanal. So bezog die Eisengießerei Budde & Goehde Eisenerz und Koks aus England und Luxemburg sowie Formsand aus Sachsen über den Kanal.[10]

Mit dem 1914 in Betrieb genommenen Oder-Havel-Kanal verlor der Finowkanal zusehends an Bedeutung und so kam der kommerzielle Schiffsverkehr 1972 völlig zum Erliegen. Der modernere Oder-Havel-Kanal bietet Platz für größere Schiffe, hat wesentlich weniger Schleusen und ist somit wirtschaftlicher. Lediglich einige Betriebe, die direkt am Finowkanal lagen, wurden noch angesteuert. Der sich westlich anschließende Lange Trödel wurde bereits 1925 abgetrennt. Die erst 40 Jahre vorher errichteten zweiten Schleusen wurden ab 1914 entweder zugeschüttet oder zu Wehren umgebaut. 2016 wurde der Lange Trödel wiedereröffnet und somit der nordwestliche Anschluss zum Voßkanal wieder freigegeben.

Verschmutzung

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Abfluss von Chemieabfällen direkt in den Kanal: 1981
 
Die ehemaligen Chemische Fabrik Finowtal und Papierfabrik Wolfswinkel 2017

Im 20. Jahrhundert begann eine zunehmende Verschmutzung des Kanals, insbesondere durch die chemische Fabrik Finowtal und die Papierfabrik. Ungereinigte Abwässer wurden direkt in den Kanal gelassen, was dazu führte, dass er bis zu seiner Mündung bei Oderberg schäumte und stank. Bis heute gilt der Kanal als stark verschmutzt.[11][12] Schon vor mehr als 100 Jahren war es selbstverständlich, dass Abwasser der Industriebetriebe direkt abgeleitet wurden.[13]

„Die bei der Verbrennung entstehenden giftigen Gase, die durch den starken Luftzug emporgeschleuderten Aschenteile und zündenden Funken werden von den Funkenkammern aufgefangen und unschädlich gemacht. Eine Luftverschlechterung der Umgebung, die Belästigung der Umwohner und jegliche Feuersgefahr ist also gänzlich ausgeschlossen.“

Aurich: Die Industrie am Finowkanal, Eberswalde 1906

Diese Funkenkammern waren bei allen Metallbetrieben üblich. Es sind unterirdische Auffangbehälter, die mit Grund- oder Flusswasser gefüllt werden und in denen sich die festen Bestandteile langsam absetzen. In regelmäßigen Abständen wurden diese ausgeschippt oder -gebaggert. Im Walzwerk-Altwerk, heute Familiengarten Eberswalde ist ein Teil dieser unterirdischen Anlagen heute zu besichtigen.

In der chemischen Fabrik Finowtal wurde Kampfer für den Export[14] und Tapetenkleister für die gesamte DDR hergestellt.[15] Der als Weichmacher notwendige Kampfer bzw. kampferhaltige Abwässer wurde ungereinigt in den nahen Finowkanal geleitet, was dazu führte, dass es kilometerweit, durch die gesamte Stadt Eberswalde, nach Kampfer roch.

Die Wasserqualität hat sich nach 1990 merklich verbessert.

Tourismus

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Der Treidelweg ist heute ein Rad- und Wanderweg.

Der Finowkanal ist ein wichtiger Aspekt der Tourismusbranche der Region und Anziehungspunkt für Wassertouristen und Tagesausflügler aus Berlin. Durch den Ausbau des Treidelweges von Finowfurt bis zum Schiffshebewerk Niederfinow zu einem Rad- und Wanderweg erblühte der Finowkanal seit etwa 2000 erneut. Befahrbar ist der Kanal zwischen Liebenwalde und Liepe. Durch die Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN AG), einer Gründung der Landkreise Barnim, Oberhavel und Ostprignitz-Ruppin sowie der Städte Eberswalde, Oranienburg, Neuruppin und Templin, ist der Lange Trödel mit dem Bau einer Hub- und einer Klappbrücke in Zerpenschleuse sowie dem Neubau der vormals zugeschütteten Schleuse an der Einmündung in den Oder-Havel-Kanal seit dem Jahr 2016 wieder schiffbar.[16][17]

Siehe auch

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Literatur

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  • Rudolf Schmidt: Der Finowkanal. Zur Geschichte seiner Entwicklung (= Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde zu Eberswalde e.V., 11. Jg. 1938).
  • Rudolf Schmidt: Geschichte der Stadt Eberswalde. Verlagsgesellschaft Müller, Eberswalde
    • Band 1: Bis 1740, 1939
    • Band 2: 1740–1940, 1941
    • Nachdruck: Eberswalde 1992 (Band 1) und 1994 (Band 2).
  • Hartmut Ginnow-Merkert: Unser Finowkanal e.V. stellt sich vor. In: Verein für Heimatkunde zu Eberswalde e.V. (Hrsg.): Eberswalder Jahrbuch, ISSN 1616-1882, Jg. 2004/2005, S. 167–177.
  • Ilona Rohowski: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Denkmale in Brandenburg – Landkreis Barnim – Stadt Eberswalde. Werner, Worms am Rhein 1997, ISBN 3-88462-136-X.
  • Hans-Joachim Uhlemann: Berlin und die märkischen Wasserstraßen. DSV / Busse-Seewald, Herford / Hamburg 1994, ISBN 3-88412-204-5.
  • Fabian Lehmann: Der Finowkanal – Entlang einer historischen Industrielandschaft. In: Die Mark Brandenburg, Ausgabe 133, Juni 2024, S. 20–23.
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Commons: Finowkanal – Sammlung mit Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c mit Google Earth ausgemessen
  2. 400 Jahre Finowkanal@1@2Vorlage:Toter Link/www.schifferverein-beuel.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)H.J. Wodarz; 2009; Auf: schifferverein-beuel.de; abgerufen am 25. Januar 2013 (PDF, deutsch; 3,1 MB)
  3. Landeskonzept zur ökologischen Durchgängigkeit der Fließgewässer Brandenburgs (Teil II) Institut für Binnenfischereie.V. (IFB), Auftraggeber: Landesamt f. Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV), 2012; Auf: lfu.brandenburg.de (deutsch, 28,7 MB, PDF); S. 93
  4. Längen (in km) der Hauptschifffahrtswege (Hauptstrecken und bestimmte Nebenstrecken) der Binnenwasserstraßen des Bundes (Memento vom 21. Januar 2016 im Internet Archive), Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  5. Verzeichnis F der Chronik (Memento vom 22. Juli 2016 im Internet Archive), Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  6. Denkmalliste des Landes Brandenburg: Landkreis Barnim (PDF). Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
  7. Traction mécanique sur les voies navigables – annexe (2-2) (französisch) bei papidema.fr, abgerufen am 25. Februar 2019
  8. Traction mécanique sur les voies navigables – annexe (3) (französisch) bei papidema.fr, abgerufen am 25. Februar 2019
  9. Aurich: Die Industrie am Finowkanal, Eberswalde 1906; Seite 38/39
  10. Aurich: Die Industrie am Finowkanal, Eberswalde 1906; Seite 55
  11. Barnim-Blog: Europäischer Flussbadetag 2010: Der symbolische Sprung in den Finowkanal – Eine kritische Betrachtung (Memento vom 20. Oktober 2014 im Internet Archive)
  12. Brandenburgisches Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Beschreibung des Finowkanals als Güteklasse III (stark verschmutzt)
  13. Aurich: Die Industrie am Finowkanal, Eberswalde 1906; Seite 61
  14. Neues Deutschland 16. Juni 1955: Kampfer in alle Welt
  15. IHK Ostbrandenburg: VEB Chemische Fabrik Finowtal
  16. Wochenzeitung „Märkischer Sonntag“, 4. Mai 2008, S. 6: Lokales Bernau
  17. win-brandenburg.de