Flächenträgheitsmoment

Größe zur Verformungs- und Spannungsberechnung eines Balkens bei Biege- und Torsionsbeanspruchung

Das Flächenträgheitsmoment, auch als Flächenmoment 2. Grades bezeichnet, ist eine in der Festigkeitslehre verwendete, aus dem Querschnitt eines Trägers abgeleitete geometrische Größe, die zu dessen Verformungs- und Spannungsberechnung bei Biege- und Torsionsbeanspruchung eingeführt wurde. Neben dem Flächenträgheitsmoment entscheiden Belastung und Werkstoffeigenschaften wie das Elastizitätsmodul über die resultierende Dehnung und Verwindung des Trägers.[1][2]

Physikalische Größe
Name Flächenträgheitsmoment
Formelzeichen , veraltet
Größen- und
Einheitensystem
Einheit Dimension
SI cm4, mm4, m4 L4

Mit Hilfe des Flächenträgheitsmomentes werden auch diejenigen Belastungen berechnet, deren Überschreiten zum Knicken von Stäben oder Beulen von Schalen führt.

Das Flächenträgheitsmoment darf nicht mit dem (Massen-)Trägheitsmoment verwechselt werden, das die Trägheit eines rotierenden Körpers gegenüber einer Winkelbeschleunigung charakterisiert.

 
Symmetrische und asymmetrische Querschnitte von Trägern, die beispielsweise als einseitig eingespannte Kragträger auf Biegung (Balken, Abb. 1 und 2), auf Biegung und Torsion (Winkelprofil, Abb. 3) oder nur auf Torsion (Rohr, Abb. 4) beansprucht werden.

Axiales Flächenträgheitsmoment

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Mit dem axialen Flächenträgheitsmoment Ia wird die Querschnitts-Abhängigkeit der Verbiegung eines Balkens unter Belastung zusammenfassend beschrieben. Die Verbiegung und die im Querschnitt entstehenden inneren Spannungen sind umso kleiner, je größer das axiale Flächenträgheitsmoment ist. Das wesentlichste Maß im Querschnitt ist dabei die Ausdehnung in Richtung der angreifenden Kraft. Im nebenstehenden Bild ist dargestellt, dass eine vertikale Last einen Balken weniger verbiegt, wenn er hochkant anstatt flach angeordnet ist (Vergleich zwischen den Teilbildern 1 und 2).

Polares Flächenträgheitsmoment

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Mit dem polaren Flächenträgheitsmoment Ip wird das Flächenträgheitsmoment einer Fläche um einen zu definierenden Punkt (meist ihr Schwerpunkt) beschrieben. Das wesentlichste Maß im Querschnitt ist dabei die radiale Ausdehnung (R im Teilbild 4 der nebenstehenden Abbildung). Nur bei kreisförmigen Flächen stimmt das polare Flächenträgheitsmoment mit dem Torsionsträgheitsmoment  [3] überein. Für andere Geometrien der Fläche lässt sich das Torsionsträgheitsmoment meist nur numerisch berechnen.

Biaxiales Flächenträgheitsmoment

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Das biaxiale Flächenträgheitsmoment, auch als Flächendeviationsmoment oder Flächenzentrifugalmoment bezeichnet, wird benutzt zur Berechnung der Verformung und der Spannungen

  • bei belasteten asymmetrischen Profilen (Teilbild 3 in nebenstehender Abbildung)
  • bei asymmetrischer Belastung symmetrischer (oder beliebiger) Profile.

Das Flächendeviationsmoment bzw. Flächenzentrifugalmoment (Einheit m4) darf nicht mit dem (Massen-)Deviationsmoment bzw. (Massen-)Zentrifugalmoment verwechselt werden (Einheit kg·m²).

Berechnung

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Einheiten

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Flächenträgheitsmomente haben die Dimension der vierten Potenz einer Länge (L4). Ihre Werte werden daher in der SI-Einheit m4 angegeben. SI-Präfixe werden in Form von mm4 oder cm4 genutzt, um handliche Zahlenangaben zu erhalten. Im angloamerikanischen Maßsystem erfolgt die Angabe in der Einheit in4.

Axiales Flächenträgheitsmoment

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Die axialen Flächenträgheitsmomente lassen sich durch diese Integrale berechnen:

 
  •   ist der vertikale Abstand der y-Achse zum Flächenelement  
 
  •   ist der horizontale Abstand der z-Achse zum Flächenelement  

Beide Größen können nur positive Werte annehmen.

Polares Flächenträgheitsmoment

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Das polare Flächenträgheitsmoment setzt sich aus den beiden Flächenträgheitsmomenten   und   zusammen:

 

Biaxiales Flächenträgheitsmoment

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Das biaxiale Flächenträgheitsmoment wird durch diese Gleichung beschrieben:

 

Diese auch Deviations- oder Zentrifugalmoment genannte Größe ist gleich Null, wenn die y-Achse oder die z-Achse eine Symmetrieachse des Querschnitts ist. Die zugehörigen Flächenträgheitsmomente heißen dann Hauptträgheitsmomente, sie nehmen in diesem Falle extremale Werte an. Im Gegensatz zu den axialen und zum polaren Flächenträgheitsmoment kann diese Größe sowohl positive als auch negative Werte annehmen. Neben dieser Definition mit negativem Vorzeichen wird je nach Literatur auch eine Definition mit positivem Vorzeichen verwendet, dies ist in allen Formeln, die das Deviationsmoment verwenden, zu berücksichtigen.

Satz von Steiner

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Alle hier genannten Flächenträgheitsmomente werden auf einen speziellen Punkt, nämlich den Flächenschwerpunkt (Flächenmittelpunkt), bezogen. Für alle anderen Punkte können die Flächenträgheitsmomente mit dem Steinerschen Satz berechnet werden.

Der 1840 von Jakob Steiner aufgestellte Satz[4] besagt, dass sich das Flächenträgheitsmoment einer beliebigen Querschnittsfläche zusammensetzt aus den Flächenträgheitsmomenten in den Flächenmittelpunkten der einzelnen Teilflächen und dem Produkt aus dem Quadrat des Abstandes z von Schwerachse-Gesamtfläche zu Schwerachse-Teilfläche und Teilfläche A. Ein Anwendungsbeispiel ist die I-Form. Die Flächenträgheitsmomente der drei rechteckigen Teilflächen, nämlich der beiden horizontalen Flansche und des vertikalen Stegs, lassen sich über die unten angegebenen Formeln bestimmen und für die vertikale z-Achse zu   einfach summieren, denn alle Schwerpunkte der Teilflächen liegen auf der gemeinsamen Schwerachse z der Gesamtfläche. Das Flächenträgheitsmoment   bezüglich der y-Achse setzt sich ebenfalls aus den drei Summanden plus dem Steiner’schen Anteil der beiden Flansche zusammen.

 
 
 

Die Formeln sind nur gültig, wenn auf der rechten Seite der Gleichung die Flächenträgheitsmomente stehen, die sich auf ein Koordinatensystem im Flächenmittelpunkt beziehen, während die Flächenträgheitsmomente auf der linken Seite für ein beliebiges (dazu parallel liegendes) Koordinatensystem gelten.

Flächenträgheitsmoment für beliebige Polygone

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Trägheitsmomente beliebiger geschlossener Polygone können mit folgenden Formeln berechnet werden, wenn die Punkte gegen den Uhrzeigersinn eingegeben werden. Die Trägheitsmomente beziehen sich auf den Koordinatenursprung. Das Vorzeichen des Deviationsmoments   ist konform zu den Formeln zur Koordinatentransformation. Das Polygon hat n-1 Punkte und beginnt mit Punkt 1 und endet mit Punkt n, welcher identisch Punkt 1 ist. Der Punkt i hat also die Koordinaten  .

 
 
 
 

Die Formeln wurden durch Anwendung der Gaußschen Trapezformel hergeleitet.[5]

Hauptträgheitsmomente und verdrehte Trägheitsmomente

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 ,
 ,
 ,

Winkel zur Hauptträgheitsachse:

 [6]

Mit Hilfe dieser Formeln kann man die zugehörigen Trägheitsmomente einer Fläche berechnen, wenn die Koordinatenachsen der Fläche um einen beliebigen Winkel   verdreht werden. Bei Drehung um den Winkel   werden   und   extremal und  . Bezugsachsen, die durch den Winkel   beschrieben werden, nennt man Hauptträgheitsachsen.[7] Da in früheren Jahren noch keine zuverlässigen Rechenmaschinen zur Verfügung standen, wurde ein grafisches Verfahren von Christian Otto Mohr angegeben. Der Mohrsche Trägheitskreis ist noch in vielen Lehrbüchern über die Technische Mechanik zu finden. Eine praktische Anwendung finden die verdrehten Flächenträgheitsmomente bei der Berechnung von Spannungen, wenn bei der Biegung das belastende Biegemoment nicht in die Richtung eines der beiden Hauptträgheitsmomente fällt.

Abgeleitete Größen

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Widerstandsmoment

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Das Widerstandsmoment   kann man in der linearen Elastizitätstheorie verwenden, um die am Querschnitts-Rand auftretende größte Beanspruchung (Spannung) zu bestimmen. Es ist der Quotient aus dem Flächenträgheitsmoment und dem Abstand   des Randes von der neutralen Faser:

 

Flächenträgheitsradius

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Für geometrisch ähnliche Bauteile (z. B. Rechtecke mit gleichem Breiten/Höhen-Verhältnis) lässt sich auch der Flächenträgheitsradius mit der Dimension Länge definieren, mit dem man Körper vergleichen kann, die im Sinne des Flächenmomentes 2. Grades ähnlich sind:

 
 

Der Flächenträgheitsradius wird oft „Trägheitsradius“ genannt, was aber Verwechslungsgefahr zum Streumassenradius birgt. Außerdem ist der Flächenträgheitsradius im Schlankheitsgrad   enthalten.

Flächensteife / Flächensteifigkeit

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Die selten verwendete Flächensteife (kein Formelzeichen), auch Flächensteifigkeit genannt, ist das Quadrat des Trägheitsradius bzw. der Quotient aus Flächenträgheitsmoment und Querschnittsfläche:

 

Sowohl Flächensteife als auch Flächenträgheitsradius sollten für eine gute Materialausnutzung möglichst groß sein. Dies führt jedoch zu immer größeren, dünnwandigeren Objekten, die dann zunehmend beulgefährdet sind.

Beispiele

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Bezugsachsen und Bezeichnungen bei ausgewählten Querschnitten

Das Polare Trägheitsmoment 2. Grades ist  , sofern der Bezugspunkt des polaren Flächenmomentes im Schnittpunkt der y- und z-Achse liegt.

Nr. Fläche Axiales Flächenmoment
2. Grades
Bemerkungen
um y-Achse um z-Achse
1: Rechteck       Das Quadrat kann als Spezialfall des Rechtecks mit   berechnet werden
2: Dreieck       Das oben gezeichnete gleichschenklige Dreieck ist im Allgemeinen nur um die z-Achse symmetrisch
3: Kreisring     Der Kreis kann als Spezialfall des Kreisrings mit   berechnet werden.
4: Ellipsenring       Das Verhältnis   ist das Verhältnis der halben Achsen des Ellipsen­ringes und muss bei der Berechnung des polaren Flächen­momentes für die Ellipse am Innen­rand gleich dem Verhältnis der Ellipse am Außenrand sein.

Die Ellipse kann als Spezialfall des Ellipsen­ringes mit   betrachtet werden.

5: Symmetrisches Trapez      
6: Regelmäßiges n-Eck       ist um alle Achsen gleich
7: Kastenprofil      
8: I-Träger

(Doppel-T-Träger)

 
9: U-Profil   Für den Spezialfall mit gleicher Wandstärke   ergibt sich  .

Weitere Beispiele aus dem Lexikon der gesamten Technik:

Beispiel gerechnet: Flächenträgheitsmoment eines Kreises mit Radius  

 
Skizze
 
 
 

Für den Kreis gilt:  

Allgemein gilt:  

Daher ergibt sich das axiale Flächenträgheitsmoment eines Kreises zu:

 

Beispiel gerechnet: Flächenträgheitsmoment eines Rechtecks

 
Rechteck mit Höhe h und Breite b
Für  :
 .
Für  : Mit   ergibt sich
 .
Das Ausführen der inneren Integration   und danach der äußeren Integration führt schließlich auf  .
Innere Integration:
 .
Äußere Integration:
 .

Moment (Integration)

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Momente sind in Naturwissenschaften und Technik Kenngrößen einer Verteilung, welche die Lage und Form dieser Verteilung beschreiben. Sie werden durch Integration über die mit einem potenzierten Abstand gewichteten Verteilung berechnet. In diesem Sinne ist das Flächenträgheitsmoment mit dem Massenträgheitsmoment verwandt.

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Commons: Flächenträgheitsmomente – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Technische Mechanik für Dummies. Wiley-VCH Verlag, ISBN 3-527-70756-5
  2. Eintrag in Maschinenbau-Wissen.de
  3. Torsion (Mechanik) #Torsion ohne Verwölbung
  4. Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Ernst & Sohn, Berlin, ISBN 978-3-433-03229-9, S. 87 f.
  5. Carsten Steger: On the Calculation of Arbitrary Moments of Polygons. (Memento vom 3. Oktober 2018 im Internet Archive) (PDF) semanticscholar.org, 1996.
  6. Schneider Bautabellen. 20. Auflage. Werner Verlag.
  7. Hans Albert Richard, Manuela Sanders: Technische Mechanik. Festigkeitslehre (= Studium). Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0454-9, doi:10.1007/978-3-8348-9514-1.