Mit Hilfe der gaußschen Trapezformel (nach Carl Friedrich Gauß) ist es möglich, die Fläche eines einfachen Polygons zu berechnen.[1] Dabei wird jeder Polygonkante ein Trapez (siehe Bild) zugeordnet, dessen Flächeninhalt sowohl positiv als auch negativ sein kann. Negative Flächenteile kompensieren außerhalb des Polygons liegende Teile positiver Trapeze.

Jeder Polygonkante wird der vorzeichenbehaftete Flächeninhalt eines Trapezes zugeordnet. Der Flächeninhalt des Polygons ergibt sich dann durch Aufsummieren dieser Trapezflächen

Eine Variation der Trapezformel ist die Dreiecksform, deren Analogon für stückweise glatte Kurven die Sektorformel von Leibniz ist.

Das Prinzip und die Formel

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Prinzip

Es wird vorausgesetzt, dass die Punkte   des Polygons im ersten Quadranten eines kartesischen Koordinatensystems liegen und die Punkte mit wachsendem   im mathematisch positiven Sinn (Gegenuhrzeigersinn) durchlaufen werden. Aus praktischen Gründen wird angenommen, dass   ist. Der Kante   wird dann der Flächeninhalt

 

des Trapezes   zugeordnet. Ist   so ist   negativ, im anderen Fall positiv oder   falls   ist. In der Zeichnung ist die Orientierung der Kanten durch Pfeile gekennzeichnet. An der Farbe der Pfeile ist das Vorzeichen der jeweiligen Trapezfläche zu erkennen: rot steht für  , grün für  . Im ersten Fall heißt das Trapez negatives Trapez, im zweiten Fall positives Trapez. Die negativen Trapeze löschen die außerhalb des Polygons liegenden Flächenteile positiver Trapeze. Am einfachsten ist dies an dem Beispiel eines konvexen Polygons (im Bild oben) zu erkennen: Der Flächeninhalt des Polygons ist gleich der Summe der Flächeninhalte aller positiven Trapeze (mit grünen Kanten) minus den Flächeninhalten aller negativen Trapeze (mit roten Kanten).

Für den Flächeninhalt, des von dem Polygon   eingeschlossenen Gebiets ergibt sich also

 
 
 
Dreiecksform: Die Farben der Polygonkanten deuten an, welche Dreiecksfläche positiv (grün) bzw. negativ (rot) ist

Multipliziert man die Klammern aus und beachtet  , erhält man die Determinantenform der Flächenformel:

 

 

Da die Hälfte der Determinante die vorzeichenbehaftete Fläche des Dreiecks   ist, wird diese Formel auch als Dreiecksform bezeichnet.

Setzt man   (zusätzlich zu   (siehe oben)), so gilt   und

 

Führt man beide Summen wieder zusammen und klammert   aus, so erhält man eine weitere Darstellung der Flächenformel:[2]

 
 

Verwendet man   erhält man

 

Geht man von einem Polygon mit negativer Orientierung aus, ist auch der Flächeninhalt   negativ.

Hinweis: In der Geodäsie ist die x-Achse vertikal und y-Achse horizontal und die Orientierung des Polygons entgegengesetzt. Vertauschen der Koordinaten und der Orientierung des Polygons bewirken bei der Anwendung der Formeln keine Änderung. Falls man eine dieser Änderungen nicht beachtet, erhält man mit den obigen Formeln in jedem Fall mit   den gesuchten Flächeninhalt.
Die beiden letzten Formeln werden in Büchern über Vermessungskunde auch als Gaußsche Dreiecksformeln bezeichnet.[3][4]

Speziell für polygonale Flächen mit Gitterpunkten als Ecken lässt sich der Satz von Pick anwenden. Andere Flächen lassen sich in der Regel problemlos durch Polygone approximieren, so dass man leicht an einen Näherungswert kommen kann.

Beispiel und Schnürsenkel-Schema

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Beispiel

Für das 5-Eck mit den Punkten

 
 

ergibt sich

 
 
 
 
Schnürsenkel-Schema für das Beispiel

In der englischen Literatur gibt es ein Schema, das das Berechnen der 2x2-Determinanten optimiert: Das Schnürsenkel-Schema (engl. shoelace formula) (siehe Bild). Diese plastische Beschreibung zeigt die praktische Bedeutung der Gaußschen Trapezformel. Statt 10 Spalten genügen bei dieser Methode 6 Spalten.

Einzelnachweise

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  1. Max Koecher, Aloys Krieg: Ebene Geometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-06809-0, S. 116.
  2. Josef Schlesinger: Der Tachygraph. Centralblatt für das gesamte Forstwesen: Organ der K.K. Forstlichen Versuchsanstalt in Mariabrunn, Band 2, Wien, 1876, S. 243.
  3. Martin Näbauer: Vermessungskunde. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-41866-6, S. 341.
  4. Heribert Kahmen: Vermessungskunde. Walter de Gruyter, 2020, ISBN 978-3-11-087406-8, S. 259.

Literatur

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  • Beat Brüderlin, Andreas Meier: Computergrafik und Geometrisches Modellieren. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-80111-1, S. 36.
  • P. Grobstich, G. Strey: Mathematik für Bauingenieure. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-80051-0, S. 113 (Dreiecksregel)
  • Pietro Labranca: Probleme der Festigkeitslehre: Berechnung der Querschnittswerte und der Spannungen. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-663-13976-8, S. 69.
  • Kleine Enzyklopädie Mathematik. Harri Deutsch Verlag, Frankfurt, 1977, S. 318.