Formale Grammatik

mathematische Modelle von Grammatiken in der theoretischen Informatik

Formale Grammatiken sind mathematische Modelle von Grammatiken, die zur eindeutigen Erzeugung und Beschreibung formaler Sprachen dienen. Sie werden in der theoretischen Informatik, insbesondere in der Berechenbarkeitstheorie, und im Compilerbau zum einen angewendet, um eindeutig festzulegen, ob ein Wort Element einer Sprache ist und zum anderen, um Eigenschaften dieser formalen Sprachen zu untersuchen bzw. zu beweisen. Formale Grammatiken werden mithilfe von Semi-Thue-Systemen angegeben in der Chomsky-Hierarchie klassifiziert.

Beschreibung

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Mit einer formalen Grammatik lassen sich ausgehend von einem Startsymbol   (auch Startvariable genannt) Produktionsregeln aus einer Regelmenge   anwenden, die aus dem Startsymbol neue Zeichenfolgen (Wörter) erzeugen, welche wiederum weiter ersetzt werden können. Diesen Vorgang nennt man auch Ableitung.

Das Vokabular   einer Grammatik, bestehend aus der disjunkten Vereinigung eines Alphabets   von Terminalsymbolen mit einer Menge von Nichtterminalsymbolen  , gibt dabei vor, welche Symbole dafür verwendet werden können. Die Menge der Terminalsymbole definiert, aus welchen Zeichen Wörter bestehen, die nicht weiter abgeleitet werden können. Diese Wörter ergeben zusammengenommen die von der Grammatik beschriebene formale Sprache. Das Startsymbol muss dagegen ein Nichtterminalsymbol sein. Zusätzliche Nichtterminalsymbole erlauben differenziertere Regeln.

Produktionsregeln sind definitionsgemäß geordnete Paare  , die auch   geschrieben werden. Man wendet sie auf eine Zeichenfolge   an, indem ein Vorkommen der Zeichenfolge   in   durch   ersetzt wird. Auf der linken Seite der Regel muss immer mindestens ein Nichtterminalsymbol stehen. Eine Menge von Regeln mit gleicher linker Seite, also  , wird abkürzend auch als   geschrieben.

Zum Beispiel kann man mit der Regelmenge   die Zeichenfolge   entweder zu   oder zu   ableiten.

Ebenso wie auf eine gegebene Zeichenfolge mehrere Regeln gleichzeitig anwendbar sein können, muss es nicht immer nur eine Stelle in der Zeichenfolge geben, auf die eine Regel passt. Formale Grammatiken schreiben keine Reihenfolge vor. Alle nur aus Terminalsymbolen bestehenden Wörter, die sich aus dem Startsymbol ableiten lassen, zählen zur von der Grammatik beschriebenen Sprache.

Definition

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Eine formale Grammatik wird dargestellt durch das 4-Tupel  , worin:[1]

  •  , einer endlichen Menge von Symbolen, welche als Symbolmenge oder Vokabular bezeichnet wird,
  •  , einer Teilmenge von  , auch Alphabet genannt und deren Elemente Terminalsymbole heißen,
  •  , einer endlichen Menge von Produktionsregeln, sowie
  •  , dem Startsymbol.

Das 4-Tupel wird je nach Konvention auch so definiert, dass   der Menge der Nichtterminalsymbolen entspricht, sodass   ist.[2]

Hierbei bezeichnet   die Kleenesche Hülle einer Menge   von Zeichen (oder auch Wörtern).

Die Menge   ist die Menge von Nichtterminalsymbolen (auch Nonterminale oder Metasymbole genannt), insbesondere gehört das Startzeichen zu ihr. Das Wort auf der linken Seite der Regelpaare darf nicht ausschließlich aus Terminalzeichen bestehen, was man auch durch eine Konkatenation ausdrücken kann:

 .

Es ergibt wenig Sinn, wenn das Wort auf der rechten Seite das Startsymbol enthält. Manche Autoren berücksichtigen das, indem sie die zugehörige Menge entsprechend beschränken, d. h.   durch   ersetzen.

Manche Autoren bezeichnen alternativ das Quadrupel   als Grammatik  . Es finden sich darüber hinaus folgende abweichenden Bezeichnungen:[3]

  •   für die Terminalzeichen, hier  ,
  •   für das gesamte Vokabular (Symbolmenge) aller Symbole, hier  ,
  •   für die Nichtterminalzeichen (Variablen), hier  ,[4]
  •   für das leere Wort, hier  .[4]

Die von einer Grammatik beschriebene Sprache

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Eine Regel   einer gegebenen Grammatik   besagt, dass in einem Wort   mit R als Infix, R durch Q ersetzt werden kann, so dass ein neues Wort   mit   als Infix entsteht. Man spricht hierbei auch davon, dass   in   mit der Grammatik   bzw. durch die Regel   übergeht, oder auch, dass   aus   abgeleitet wurde. Dies kann durch   notiert werden (häufig auch   anstatt  ). Soll nur ausgedrückt werden, dass in der Grammatik   das Wort   aus   entstehen kann, ohne eine Regel zu benennen, schreibt man stattdessen   (ist die Grammatik aus dem Kontext offensichtlich, auch einfach  ). Demnach ist ein solcher Übergang von   in   eine Transitionsrelation, die eine natürliche Erweiterung von   auf alle möglichen  -Kontexte darstellt, nämlich:

 ,

wobei hier   die Konkatenation von Wörtern bezeichnet.

Gibt es nun eine Folge von Wörtern  , bei der gilt, dass für jede natürliche Zahl   mit   das Wort   in   übergeht ( ), so ist   in   Schritten aus   ableitbar, was durch   dargestellt wird. Eine solche Wortfolge   wird Ableitung oder Rechnung von   in   der Länge   genannt. Weiterhin heißt   in   ableitbar, wenn es mindestens ein   gibt, so dass   in   Schritten aus   ableitbar ist. Wenn   in   ableitbar ist, so wird dies durch die Schreibweise   dargestellt. Dabei wird zusätzlich definiert, dass für jedes Wort   gilt, dass   ist, so dass die Relation   die reflexiv-transitive Hülle der Relation   ist.

Nun ist die von der Grammatik   erzeugte formale Sprache   diejenige Sprache, die aus allen Wörtern besteht, die zum einen nur aus Terminalsymbolen bestehen und die zum anderen vom Startsymbol mit einer endlichen Anzahl von Schritten abgeleitet werden können:

 

Dabei ist es egal, in welcher Reihenfolge die Produktionsregeln auf die abgeleiteten Wörter angewandt werden, oder ob es mehrere Möglichkeiten gibt, um ein Wort   aus   abzuleiten. Zwei Grammatiken   und   sind genau dann äquivalent, wenn die durch   und   erzeugten Sprachen gleich sind:

 

Wenn alle Terminalzeichen in den Wörtern der formalen Sprachen vorkommen, dann müssen die Terminalzeichen übereinstimmen. Die Nichtterminalzeichen sind dagegen völlig frei.

Beispiele

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  sei eine Grammatik mit den Terminalsymbolen  , den Nichtterminalsymbolen  , dem Startsymbol   und mit den Regeln

 

Dabei ist   das leere Wort, welches ein Wort der Länge 0 ist. Diese Grammatik   definiert die Sprache aller Wörter der Form   mit  . So sind auf Grund der folgenden Ableitungen die Wörter  ,   und   Elemente der durch   beschriebenen Sprache:

  •  , mittels Regel (2),
  •  , mittels der Regeln (1), (4) und (6),
  •  , mittels der Regeln (1),(1),(4),(3), (5), (6) und (7).

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, um das Wort   aus   abzuleiten.

Eine weitere Grammatik, die dieselbe Sprache beschreibt, ist die kontextfreie Grammatik   mit den Regeln:  

Jede rekursiv aufzählbare Sprache wird von mehreren (und zwar abzählbar unendlich vielen) Grammatiken erzeugt. Allerdings gibt es auch Sprachen, die sich von keiner Grammatik erzeugen lassen.

Klassen von Grammatiken

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Grammatiken werden Klassen zugeordnet, die sich durch Gemeinsamkeiten auszeichnen. Die bekannteste Klassifikation beschrieben Noam Chomsky und Marcel Schützenberger mit der Chomsky-Hierarchie.

Chomsky-Hierarchie

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Die Chomsky-Hierarchie teilt die Grammatiken nach der Art der Produktionsregeln in Klassen vom Typ 0 bis Typ 3 ein:

  • Typ-0-Grammatiken: Phrasenstrukturgrammatiken sind uneingeschränkte formale Grammatiken.
  • Typ-1-Grammatiken: Kontextsensitive Grammatiken dürfen nur aus Regeln bestehen, in denen genau ein Nichtterminalsymbol durch eine Zeichenfolge ersetzt wird. Dieses Symbol darf auf der linken Seite der Regel auch von weiteren Symbolen umgeben sein, die einen Kontext angeben, innerhalb dessen die Ersetzung stattfinden muss.
  • Typ-2-Grammatiken: In kontextfreien Grammatiken darf dagegen auf den linken Seiten der Regeln jeweils nur genau ein Nichtterminalsymbol stehen. Das Symbol kann dann unabhängig vom Kontext ersetzt werden.
  • Typ-3-Grammatiken: Bei regulären Grammatiken enthalten die linken Seiten der Regeln ebenfalls nur genau ein Nichtterminalsymbol. Bei linksregulären Grammatiken darf die rechte Seite der Regel aus höchstens einem Nichtterminalsymbol bestehen, dem höchstens ein Terminalsymbol folgt (Bsp.:  ). Bei rechtsregulären Grammatiken darf hingegen die rechte Seite aus höchstens einem Terminalsymbol bestehen, dem höchstens ein Nichtterminal folgt (Bsp.:  ).

Die zugehörigen Sprachklassen sind abnehmend umfangreich. Es besteht folgende echte Inklusionsbeziehung:

Für die Sprachklassen   von Typ   mit   gilt:  .

Weitere Sprachklassen

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Von der Chomsky-Hierarchie abgesehen haben sich weitere Klassen an Grammatiken etabliert:

Siehe auch

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Literatur

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  • Katrin Erk, Lutz Priese: Theoretische Informatik. Eine umfassende Einführung. 2. erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2002, ISBN 3-540-42624-8, S. 53–61.
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Einzelnachweise

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  1. Peter Bachmann: Grundlagen der Theoretischen Informatik. Cottbus 2001, S. 47 (tu-cottbus.de [PDF; abgerufen am 12. Februar 2011] Vorlesungsskript).
  2. Christian Wagenknecht, Michael Hielscher: Formale Sprachen, Abstrakte Automaten und Compiler. Springer Vieweg, Wiesbaden 2014, S. 28, doi:10.1007/978-3-658-02692-9.
  3. Während die Bedeutung von   und   bzw.   im gegebenen Fall jeweils klar ist, muss man sich bei   (ebenso wie dem häufig benutzten  ) durch Überprüfung des Kontexts klarmachen, was gemeint ist; wobei man sich auf das Grammatik-Quadrupels nicht verlassen kann.
  4. a b Klaus Reinhardt: Prioritatszahlerautomaten und die Synchronisation von Halbspursprachen (Memento des Originals vom 17. Januar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/users.informatik.uni-halle.de, Fakultät Informatik der Universität Stuttgart; Doktorarbeit 1994. Das Grammatik-Quadrupel ist hier wörtlich mit   angegeben, damit ist in der hier gewählten Bezeichnungsweise   gemeint.