Forsthoff-Abendroth-Kontroverse

Debatte zwischen Wolfgang Abendroth und Ernst Forsthoff Mitte der 1950er-Jahre über das Wesen des Sozialstaatsprinzips im Grundgesetz

Die Forsthoff-Abendroth-Kontroverse oder auch Forsthoff-Abendroth-Debatte war eine insbesondere Mitte der 1950er Jahre zwischen dem Staatsrechtler Ernst Forsthoff und dem Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth geführte Auseinandersetzung um die Bedeutung des Sozialstaates im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Forsthoff einer der Kommentatoren des deutschen Grundgesetzes von 1949. Forsthoff war vor dem Hintergrund der Begriffe Sozialstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit der Auffassung, dass der Sozialstaat kein Instrument der Gerechtigkeit, sondern ein illegitimes Mittel zur Wohlstandsverteilung sei. Forsthoff, der 1934 in der zweiten Auflage seiner Schrift „Der totale Staat“ den NS-Staat und die Ausmerzung von „Artfremden und Feinden“ nachdrücklich begrüßt hatte, war ein Vertreter der traditionell-konservativen Rechts- und Staatslehre. Er versuchte in seiner Argumentation herzuleiten, dass „Sozialstaat“ kein Rechtsbegriff sei und somit keinen Rechtsgrundsatz im Verfassungskontext des Grundgesetzes darstelle.

Der sozialistisch geprägte Abendroth hingegen meinte, einen solchen Rechtsgrundsatz zu erkennen, der als notwendig für die Erhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie angesehen werden müsse. Er leitete dies aus Art. 20 I, 28 I 1 GG her, auf die das Sozialstaatsprinzip bis heute gestützt wird.

  • Ernst Forsthoff: Erster Beratungsgegenstand: Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates. In: Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik. Berichte und Aussprache zu den Berichten in den Verhandlungen der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer zu Bonn am 15. und 16. Oktober 1953 (= Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer [Hrsg.]: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Nr. 12). Nachdr. d. Ausg. 1954 (1966). Reprint 2013 Auflage. De Gruyter, Berlin, Boston 1973, ISBN 3-11-090449-7, S. 8–128, doi:10.1515/9783110904499.8.
  • Ernst Forsthoff: Verfassungsprobleme des Sozialstaats. Vortrag. Aschendorff, Münster/Westfalen, 1954, DNB 451325176.
  • Wolfgang Abendroth: Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In: ders.: Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie, Luchterhand, Berlin/Neuwied, 1972, DNB 720075602. Wieder abgedruckt in: Wolfgang Abendroth: Gesammelte Schriften. Band 2: 1949–1955. Herausgegeben und eingeleitet von Michael Buckmiller, Joachim Perels und Uli Schöler. Offizin Verlag Hannover 2008, S. 338–357. Online abrufbar bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Mai 2019.
Dokumentation
  • Ernst Forsthoff (Hrsg.): Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit. Aufsätze und Essays (= Wege der Forschung. Nr. 118). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968.

Literatur

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  • John Philipp Thurn: Welcher Sozialstaat? Ideologie und Wissenschaftsverständnis in den Debatten der bundesdeutschen Staatsrechtslehre. 1949–1990 (= Grundlagen der Rechtswissenschaft. Nr. 20). Mohr Siebeck, Tübingen 2013, ISBN 978-3-16-152529-2 (Zugl.: Freiburg, Univ., Diss., 2012).