Gertrud Callam
Gertrud[1][2] Clara Johanna Callam, geb. Heinig (* 25. Oktober 1891 in Berlin; † 19. Mai 1980 in Berlin), war eine deutsche Opernsängerin (Koloratursopran).
Leben
BearbeitenGertrud Callam erhielt ihre Gesangsausbildung am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin, wo sie im Januar 1912 bei einem Konzert der Opernschule mit Arien des Cherubino (Figaros Hochzeit) und der Nuri (Tiefland) auftrat.[3] Zudem nahm sie Stunden bei Gesangspädagogin Josefine Strakosch (1870–1940).[4] Im Juni 1913 sang sie im Rahmen eines Opernabends des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums im Theater des Westens in Berlin die Rolle der Mimì im 1. Akt der Oper La Bohème, wo sie „sowohl durch die Anmut ihrer Erscheinung wie durch die poetische Auffassung ihrer Partie gefiel.“[5][6] Im Juni 1914 wirkte sie im Theater des Westens in einer Studierendenaufführung des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums als Frasquita im 2. Akt der Oper Carmen mit,[7] und sang 1915 am Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater in Berlin, „stimmlich zart und in der Darstellung noch etwas befangen“, den Cherubino in Figaros Hochzeit.[8][9] Am 20. März 1915 heiratete sie auf dem Standesamt XII A in Berlin-Tiergarten den Rechtsanwalt Dr. Friedrich Wilhelm Gustav Callam (* 1885; †?).[10]
Ab 1924 war sie unter Michael Balling am Landestheater Darmstadt verpflichtet, wo sie bereits erste Erfolge als Koloratursopranistin hatte. Im März 1924 gastierte sie am Berliner Theater als Cherubino in Figaros Hochzeit.[11] In der Spielzeit 1925/26 war sie am Landestheater Darmstadt als Christina in Bernhard Paumgartners Einakter Die Höhle von Salamanca zu hören.[12] Im November 1925 sang sie als Konstanze in Die Entführung aus dem Serail an der Staatsoper Dresden vor, wurde jedoch nicht engagiert.[13]
1925 gastierte sie als Gilda in Rigoletto und als Konstanze erfolgreich am Stadttheater Hamburg. Mit Beginn der Spielzeit 1926/27[14] wurde sie als „erste Koloratursängerin“ an das Stadttheater Hamburg engagiert.[15] Sie debütierte dabei unter der Regie von Peter Kreuder[16] als Rosine in Der Barbier von Sevilla und „löst[e] gleich nach der großen Bravourarie mit darauffolgenden Variationen von Adams einen Beifallssturm aus, wie man ihn dort seit Carusos Gastspielen auf offener Szene nicht erlebt hatte“.[17] Im September 1926 gastierte sie als Königin der Nacht in Die Zauberflöte am Opernhaus Köln.[18] Die Zeitschrift Das Theater widmete ihr im Februar 1927 das Titelbild und stellte sie als den „jüngste[n] Koloraturstern am Opernfirmament“ vor.[17]
Im November 1927 wirkte sie am Stadttheater Hamburg, an der Seite von Gunnar Graarud und Julius Gutmann, als „feinsinnig und könnerhaft gesungene[s]“ Rautendelein in der Uraufführung der Oper Die versunkene Glocke von Ottorino Respighi mit, wo sie „mit waldblütenduftiger Naturhaftigkeit die Frohnatur des goldhaarigen Kobolds erfüllte“.[19][20] In der Spielzeit 1928/29 sang sie am Stadttheater Hamburg die Titelrolle in Lucia di Lammermoor und die Norina in einer Neueinstudierung von Don Pasquale, wo sie „ihre ganzen koloraturistischen Reize in ihrem so enorm schwierigen Gesangspart spielen lassen konnte.“[21][22] Im Mai 1929 war sie am Stadttheater Hamburg in der deutschsprachigen Uraufführung der Oper La Cenerentola (dt. Titel Angelina) in der Titelrolle zu hören.[23]
Im Jahr 1931 sang sie bei den Salzburger Festspielen die Konstanze in Mozarts Die Entführung aus dem Serail.[24] Zur Spielzeit 1931/32[25] wurde sie mit einem Dreijahresvertrag an die Städtische Oper Berlin verpflichtet, trat das Engagement jedoch nicht an.
Ab 1932 trat sie hauptsächlich als Konzertsängerin auf, wirkte aber gelegentlich weiterhin in Opernaufführungen und nach bestandenener Rundfunks-Eignungsprüfung auch bei Sendungen des Deutschen Reichsrundfunks mit. Im April 1933 gastierte sie an der Hamburger Schilleroper als Rosina (Der Barbier von Sevilla) und als Gilda.[26] Im Rundfunk war Callum, die zu den „frühen“ Rundfunksängerinnen in Deutschland zählt, mit Opern-Arien, in Operetten und musikalischen Singspielen, in Konzertprogrammen, bei Silvesterkonzerten sowie bei Wohltätigkeitsveranstaltungen von NS-Organisationen zu hören. Beim Reichssender Stuttgart wirkte sie in Opernaufnahmen u. a. als Lucia di Lammermoor (1936) und als Musette in La Bohème (1937) mit Helge Rosvaenge (Rudolf) und Erna Berger (Mimi) als Partnern mit.[27][28] Beim Reichssender Berlin war sie 1937 in einer Rundfunkaufnahme der Oper Der Wildschütz als Baronin Freimann zu hören.[29] 1938 war sie beim Reichssender Berlin in einer Rundfunkaufnahme der Operette Die lustige Witwe als Hanna Glawari neben Karl Schmitt-Walter zu hören.[30] Beim Reichssender Wien war sie im November 1938 in der Musiksendung Rückfahrkarte Wien – Berlin neben Lizzi Holzschuh und Karl Friedrich mit Wiener und Berliner Operettenmelodien zu hören.[31] Für den Rundfunk nahm sie auch einen musikalischen Querschnitt durch die kurz zuvor uraufgeführte Operette Der tolle Markgraf von Johannes Müller auf.[32]
Im Januar 1939 gastierte sie, „als Koloratursopran von großer Treffsicherheit und weichem Glanz“, an der Städtischen Oper Berlin unter der musikalischen Leitung von Artur Rother als Königin der Nacht in Die Zauberflöte.[25][33]
Gertrud Callam galt als „eine der besten Koloratursängerinnen“ ihrer Generation.[34] Der Musikkritiker Wilhelm Altmann schätzte ihre Gesangskunst als ebenbürtig mit Maria Ivogün ein.[34] Ihr Mäzen und Förderer war der deutsche Komponist Mark Lothar.
Repertoire (Auswahl)
Bearbeiten- Donizetti: Norina in Don Pasquale
- Donizetti: Lucia in Lucia di Lammermoor
- Flotow: Leonore in Alessandro Stradella
- Haydn: Gabriel in Die Schöpfung
- Lehár: Hanna Glawari in Die lustige Witwe
- Lortzing: Baronin Freimann in Der Wildschütz
- Mozart: Konstanze in Die Entführung aus dem Serail
- Mozart: Cherubino in Figaros Hochzeit
- Mozart: Zerlina in Don Giovanni / Don Juan
- Mozart: Königin der Nacht in Die Zauberflöte
- Nicolai: Frau Fluth in Die lustigen Weiber von Windsor
- Offenbach: Olympia in Hoffmanns Erzählungen
- Pfitzner: Das Elflein in Das Christ-Elflein
- Puccini: Musette in La Bohème
- Puccini: Liù in Turandot
- Respighi: Rautendelein in Die versunkene Glocke
- Rossini: Rosina in Der Barbier von Sevilla
- Rossini: Angelina in Angelina / La Cenerentola
- J. Strauß: Adele in Die Fledermaus
- R. Strauss: Zerbinetta in Ariadne auf Naxos
- Gilbert & Sullivan: Yum-Yum in Der Mikado
- Thomas: Philine in Mignon
- Verdi: Gilda in Rigoletto
- Verdi: Violetta in La traviata
- Verdi: Oscar in Ein Maskenball
- Zeller: Christl in Der Vogelhändler
Diskografie (Auswahl)
Bearbeiten- Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor (als Lucia), Chor und Orchester des Reichssenders Stuttgart (1936). Dirigent: Gustav Görlich. Veröffentlicht als CD.[35]
- Gaetano Donizetti: Don Pasquale: Laß es, ach laß es hören (Duett Ernesto – Norina), mit Alfons Fügel, Tenor. Aufnahme des Soldatensenders Oslo / 1941 (?). Tondokument. Veröffentlicht auf CD bei UraCant.[36][37]
- Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni/Don Juan (als Zerlina), Chor und Orchester des Reichssenders Stuttgart (1936). Dirigent: Joseph Keilberth. Veröffentlicht als CD bei Preiser Records und bei Line Music[38][39]
- Wolfgang Amadeus Mozart: Der Schauspieldirektor (als Mlle Silberklang), Bayerisches Staatsorchester. Dirigent: Heinrich Hollreiser. Veröffentlicht als LP bei Melodram[40]
- Giuseppe Verdi: Ein Maskenball (als Oscar), Chor und Orchester des Reichssenders Berlin (1938). Dirigent: Heinrich Steiner. Veröffentlicht als CD bei Preiser Records[41]
Filme
Bearbeiten- 1939: Die Zauberflöte[42]
Weblinks
Bearbeiten- Werke von und über Gertrude Callam im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gertrude Callam bei Discogs
Literatur
Bearbeiten- Callam, Gertrude. In: Großes Sängerlexikon. Band 4. De Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-598-44088-X, S. 687 (google.de).
- Ingid Bigler-Marschall: Callam, Gertrude. In: Deutsches Theater-Lexikon. Nachtragsband 1: A – F. De Gruyter, Berlin 2013, ISBN 978-3-11-028460-7, S. 193.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gertrud Clara Johanna Heinig. Eintrag im Geburtsregister der Standesamtes Berlin XII vom 3. November 1891. Geburtsregister-Nr. 4917. Abgerufen bei Ancestry.com am 11. Januar 2025.
- ↑ Im Großen Sängerlexikon (siehe Literatur) und im Deutschen Theater-Lexikon (siehe Literatur) wird Callams Vorname mit Gertrude angegeben.
- ↑ Opernschule. Konzertkritik. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung vom 30. Januar 1912, Seite 2.
- ↑ Josefine Strakosch. In: Personenstandsregister Sterberegister, Landesarchiv Berlin. Abgerufen bei Ancestry.com am 14. Januar 2025.
- ↑ Eine Aufführung des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums. Aufführungskritik. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung vom 4. Juni 1913, Seite 2.
- ↑ Opernaufführung des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums. Aufführungskritik. In: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 7. Juni 1913, Seite 4.
- ↑ Schüleraufführung des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums. Aufführungskritik. In: Signale für die musikalische Welt, Nr. 24 vom 17. Juni 1914, Seite 1005
- ↑ Figaros Hochzeit. Aufführungskritik. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung vom 6. Februar 1915, Seite 3.
- ↑ Friedrich-Wilhelmstädtischens Theater. Aufführungskritik. In: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 7. Juni 1913, Seite 4.
- ↑ Berlin, Germany, Marriages, 1874-1940 for Gertrud Klara Johanna Heinig. Eintrag im Heiratsregister des Standesamts XII A in Berlin-Tiergarten vom 20. März 1915 / Nr. 84. Abgerufen bei Ancestry.com am 14. Januar 2025.
- ↑ Berliner Theater. In: Berliner Börsen-Zeitung vom 14. März 1924. Seite 3.
- ↑ Die Höhle von Salamanca. Aufführungskritik. In: Neues Wiener Tagblatt vom 19. Oktober 1925, Seite 6.
- ↑ Opernhaus. In: Dresdner Neueste Nachrichten vom 5. November 1925. Seite 3.
- ↑ Gertrud Callam. In: Deutsches Bühnenjahrbuch 1927, Seite 382.
- ↑ Die Musik, Band 21, Teil 2, Seite 545
- ↑ Kleine Notizen. In: Hamburger Echo, 29. Oktober 1926,S. 6.
- ↑ a b m.o.: Unser Titelbild. In: Das Theater, Jg. VIII, Heft 3, 1. Februarheft 1927, S. 72.
- ↑ Kölner Opernhaus. In: Kölnische Zeitung vom 20. September 1926. Seite 2.
- ↑ Alfred Einstein: „Die versunkene Glocke“. Aufführungskritik. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung vom 19. November 1927, Seite 2.
- ↑ Paul Wittko: „Die versunkene Glocke“. Aufführungskritik. In: Neue Mannheimer Zeitung vom 24. November 1927, Seite 3.
- ↑ Gustav Witz: „Lucia die Lammermoor“ in Hamburg. Aufführungskritik. In: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 14. September 1928, Seite 2.
- ↑ tm: „Don Pasquale“. Hamburger Stadttheater. Aufführungskritik. In: Bergedorfer Zeitung vom 9. März 1928, Seite 13.
- ↑ H. B.: Rossini-Uraufführung. Aufführungskritik. In: Dortmunder Zeitung vom 22. Mai 1929, Seite 9.
- ↑ Die Entführung aus dem Serail (1931), Salzburger Festspiele, abgerufen am 10. Januar 2025
- ↑ a b Detlef Meyer zu Heringdorf: Das Charlottenburger Opernhaus von 1912 bis 1961: von der privat-gesellschaftlich geführten Bürgeroper bis zur subventionierten Berliner «Städtischen Oper». 2 Bde. Deutsche Oper, Berlin 1988, ISBN 978-3-926412-07-2, Seite 604
- ↑ Zweimal Gertrud Callam. In: Hamburgischer Correspondent vom 3. April 1933. Seite 10.
- ↑ Lucia di Lammermoor. Besetzung. Reichssender Stuttgart 1936.
- ↑ Helmut Doster: Die „Bohème“ im Reichssender. Rundfunkkritik. In: Stuttgarter NS-Kurier vom 6. Januar 1937, Seite 8
- ↑ Der Wildschütz. Besetzung. Rundfunkprogramm vom Dezember 1937.
- ↑ Die lustige Witwe. Besetzung. Rundfunkprogramm vom Juni 1938.
- ↑ Rückfahrkarte Wien – Berlin. Radioprogramm vom 5. November 1938.
- ↑ Der tolle Markgraf. Rundfunkprogramm vom 4. Januar 1942
- ↑ Malerische „Zauberflöte“ im Deutschen Opernhaus. Aufführungskritik. In: Dresdner Neueste Nachrichten vom 27. Januar 1939. Seite 4.
- ↑ a b Gertrud Callam. In: Hallische Nachrichten. General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen vom 25. September 1929, Seite 4.
- ↑ Lucia di Lammermoor. Besetzung und Produktionsdetails.
- ↑ Alfons FÜGEL - Opernaufnahmen (Uracant 972). CD-Beiheft
- ↑ Alfons FÜGEL (Tenor) - Opernaufnahmen 1941-1950 (Tondokument)
- ↑ Don Giovanni d-nb.info
- ↑ Don Juan discogs.com
- ↑ Der Schauspieldirektor discogs.com
- ↑ Ein Maskenball. Besetzung und Produktionsdetails.
- ↑ Die Zauberflöte filmportal.de
Personendaten | |
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NAME | Callam, Gertrud |
ALTERNATIVNAMEN | Callam, Gertrude; Callam, Gertrud Clara Johanna (vollständiger Name); Heinig, Gertrud Clara Johanna (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Opernsängerin |
GEBURTSDATUM | 25. Oktober 1891 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 19. Mai 1980 |
STERBEORT | Berlin |