Geschichte der Juden in München

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Zwar wohnten bereits im Mittelalter Juden in München, doch wurden sie in Pogromen mehrmals vertrieben und konnten sich aufgrund der besonders restriktiven antijüdischen Politik der bairischen Wittelsbacher erst ab etwa 1800 etablieren. Insofern dann einerseits einige bedeutende Persönlichkeiten aus der Münchner jüdischen Gemeinde hervorgingen und andererseits der Antisemitismus gerade von München als „Hauptstadt der Bewegung“ aus wirkte, ist die Geschichte der Juden in München von besonderer, mehr als nur lokaler Bedeutung. Das gilt auch noch für die Zeit nach 1945.

Die neue Hauptsynagoge in München im Jüdischen Zentrum München; rechts im Hintergrund das Jüdische Museum
Gedenkstein für die ehemalige Hauptsynagoge München (Herzog-Max-Str.)
Gedenktafel am Ort der von den Nazis zerstörten Ohel Jakob Synagoge in der Herzog-Rudolf-Str. 1 in München.
Toraschrein der Münchner Hauptsynagoge am Jakobsplatz
Synagoge am Jakobsplatz, München – Kuppel mit Davidsternmotiv (innen)
Jüdisches Zentrum und Jüdisches Museum am Jakobsplatz, München
Mahnmal im Rathaus zur Erinnerung an der Deportation von 1000 Münchner Juden nach Kaunas im Jahr 1941
Gang der Erinnerung, der das Gemeindehaus unterirdisch mit der Synagoge am Jakobsplatz, München, verbindet

12. Jahrhundert: Beginn jüdischen Lebens in München

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Juden lebten seit dem Mittelalter in München.[1] Zwar ist die Quellenlage nicht frei von Zweifeln, dennoch sind sich Historiker darüber einig, dass sich erste Juden bereits bald nach der Stadtgründung von München (1158) dort ansiedelten.

Urkundlich wird ihr Aufenthalt 1229 erstmals erwähnt. Der in diesem Jahr genannte erste namentlich bekannte Jude in München hieß „Abraham de Municha“ bzw. „Abraham der Municher“. Am 12. Oktober 1285 kam es zum ersten Pogrom, nachdem eine Frau „gestand“, die Münchner Juden hätten ein getauftes Christenkind getötet und sein Blut getrunken. Eine aufgebrachte Volksmenge zündete die Synagoge an, wobei 180 Juden, die sich in den ersten Stock geflüchtet hatten, in den Flammen umkamen. Zwei Jahre danach durften die Juden in die Stadt zurückkehren. Es folgten weitere Pogrome gegen Juden in München in den Jahren 1345, 1349, 1413, 1442 und 1715, die urkundlich dokumentiert wurden.

14. und 15. Jahrhundert: Wachstum, Pogrome, Vertreibung

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Das 14. und 15. Jahrhundert waren geprägt von Phasen des Wachstums der jüdischen Gemeinde und von Pogromen gegen Juden. 1381 baute die Gemeinde ein im Jahr zuvor erworbenes Haus in der Judengasse (später: Gruftgasse) zur Synagoge in der Judengasse um. 1442 wurden jedoch alle Juden aus München und Oberbayern auf Befehl Herzog Albrechts III. vertrieben. Die Synagoge in der Judengasse wurde zu einer Marienkapelle (Gruftkapelle) umgebaut und umgewidmet, die nach 1803 verschwand.

18. Jahrhundert: Rückkehr jüdischen Lebens nach München

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Nach über 300 Jahren siedelten sich wieder Juden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in München an. Ihre Stellung in der Gesellschaft war schwierig. Auch die Jüdische Emanzipation, die sich im Zuge der Französischen Revolution entwickelte, konnte die Situation der Juden in München nur langsam verbessern. 1802 stellten Abraham Uhlfelder und Abraham Wolf Wertheimer den Rabbiner Hessekiel Hessel an.

Ein 1805 veröffentlichtes „Regulativ über die hiesige Judenschaft“ setzte auf Emanzipation nur unter dem Vorbehalt der Besserung, was bedeutete, dass die Emanzipation in die Hände von Bürokraten gelegt wurde. Den ständigen Aufenthalt garantierte nur die Aufnahme in die neu zu erstellende Matrikel, wobei die zugeteilte Nummer auf nur ein Kind übertragen werden konnte. Der Zutritt in die zünftischen Gewerbe blieb Juden verwehrt. Erlaubt waren ihnen jetzt immerhin Ansiedlung im ganzen Stadtgebiet und Religionsausübung. 70 jüdische Familien erhielten Bleiberecht; 37 Familien mussten München verlassen. Außerhalb der staatlichen Judengesetzgebung stand die kleine Schicht von Bankiers und Großhändlern, die durch Geschäftstätigkeit und Finanzanleihen ihre Nützlichkeit für den bayerischen Staat bewiesen hatten; sie bewegten sich ganz selbstverständlich innerhalb des Hofes und der höheren Beamtenschaft.

Eine Aufforderung der Münchner Polizeidirektion, die jüdische Gemeinde solle eigene jüdische Schulen errichten, lehnte Gemeindevorsteher Uhlfelder mit der Begründung ab, er könne den Mitgliedern nicht vorschreiben, in welche Schule sie ihre Kinder schickten; vermögende jüdische Eltern stellten für ihre Kinder Hauslehrer ein. 1804 wurde den Juden der Eintritt in die höheren und niederen Lehranstalten der christlichen Konfessionen gestattet. 1806 wurde aus dem Bedürfnis, dem traditionellen religiösen Leben eine breitere Basis und zugleich eine Organisationsform zu schaffen, die „Chewra Talmud Tora“ gegründet.

1806 bis 1871: Rechtssicherheit, Gründung der IKG, Friedhof und Synagogenbau

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Im Jahre 1806 wurde der Wittelsbacher Maximilian I. Joseph der erste König des Königreichs Bayern. Der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Münchens war der erste im Königreich Bayern, der sich ohne Vorbehalt auf den Boden der neuen Zeit stellte und die noch in den Ministerien schwebenden Verhandlungen und Beratungen zu beeinflussen versuchte durch eine von Abraham Uhlfelder als Vorsteher sowie vier Deputierten unterzeichnete „zur allerhöchsten Stelle gerichtete Immediateingabe“ vom 8. April 1812.[2] Nach den üblichen schmeichlerischen Einleitungsfloskeln wagten sie, den König „um die Emanzipation unserer Glaubensgenossen im ganzen Königreiche allerunterthänigst anzuflehen und um den Genuss der staatsbürgerlichen Rechte allerdevotest zu bitten, indem wir zugleich die treueste und heiligste Erfüllung aller staatsbürgerlichen Pflichten ohne Ausnahme geloben.“ Dann folgt die rhetorisch gemeinte Frage: „Ob die Juden in Rücksicht ihrer Religion des Genusses der Bürgerrechte fähig und würdig sind?“ Weiter heißt es, diese Frage sei theoretisch und auch praktisch „affirmativ beantwortet“ durch die erfolgreiche Judenemanzipation in Napoleons Kaiserreich und einer ganzen Reihe deutscher Staaten. „Und in Baiern sollten wir zurückstehen? ... Nicht möglich! Die Constitution und mehrere frühere und spätere Gesetze und organische Edicte sprechen zu bestimmt vollkommene Religions- und Gewissensfreyheit aus, als dass wir von dieser Seite etwas zu befürchten hätten.“

Mit dem Judenedikt von 1813 ermöglichte der königliche Minister Montgelas erstmals die Rechtssicherheit der jüdischen Gemeinschaft in Bayern. Zwar wurden im Edikt die Freizügigkeit der Juden sowie die Möglichkeit von Familiengründungen eingeschränkt, da eine Heirat von der Obrigkeit genehmigt werden musste. Es ermöglichte aber dennoch ein geregeltes Leben und führte zu einem deutlichen Anstieg der jüdischen Gemeinschaft in Bayern.

Ein weiterer wichtiger Schritt für die Juden in München war im Jahre 1815 die Gründung der „Israelitischen Kultusgemeinde München“. Schon ein Jahr später wurde der jüdischen Gemeinde die Erlaubnis erteilt, einen jüdischen Friedhof anzulegen, worauf 1816 der Alte Israelitische Friedhof errichtet wurde.

Die erste neuzeitliche Münchner Synagoge wurde 1824 bis 1826 an der Westenriederstraße gebaut, unter massivem Druck der Obrigkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt trafen sich die Münchner Juden in vielen kleinen privaten Beträumen, die es über die ganze Stadt verteilt gab. Diese Situation missfiel den Behörden, da sie glaubte, dass in den Beträumen unkontrollierbare Winkelzusammenkünfte stattfinden würden. So zwangen die Behörden die Gemeinde unter Androhung von Geld- und Arreststrafen zum Bau einer Synagoge. Damit erfüllte sich aber auch ein lang ersehntes Ziel der Jüdischen Gemeinde. Die Synagoge entstand jedoch nur am damaligen Stadtrand, in der heutigen Westenriederstraße 7, was einen repräsentativen Kultbau im Herzen Münchens verhinderte, der als Symbol jüdischer Emanzipation und Integration hätte gelten können.

1872 bis 1900: Rechtliche Gleichstellung und zwei neue Synagogen

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Unmittelbar nach der deutschen Reichsgründung erhielten im Jahre 1872 die jüdischen Bürger endlich dieselben Bürgerrechte wie die Christen in Deutschland. Diese rechtliche Gleichstellung war ein entscheidender Impuls für das jüdische Leben in München, da ein starker Zuzug von jüdischer Landbevölkerung aus dem gesamten bayerischen Gebiet und darüber hinaus einsetzte. Viele Fabrikationsbetriebe und Handelsfirmen wurden ab 1872 von Juden in München gegründet wie z. B. die Gebr. Freundlich.[3] In der Folgezeit entwickelte sich die Jüdische Gemeinde in Bayern mit großer Geschwindigkeit.

1882 wurde auf Betreiben von König Ludwig II. der zu diesem Zeitpunkt blühenden Jüdischen Gemeinde ein Grundstück in der Innenstadt, gegenüber der Maxburg für den Neubau der Hauptsynagoge zur Verfügung gestellt. Die neue Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße konnte am 16. September 1887 mit vielen offiziellen Gästen feierlich eingeweiht werden und war zu diesem Zeitpunkt die drittgrößte Synagoge Deutschlands – in unmittelbarer Nähe zur Frauenkirche. Sie gehörte der Gemeinde nach zum Reformjudentum, zählte zu den schönsten Synagogen in Europa und verlieh der Jüdischen Gemeinde ein neues Selbstbewusstsein, da sie zugleich ein Zeichen für die Akzeptanz und die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung für das politische und gesellschaftliche Leben in München war. Eine Phase der Integration schien angebrochen.

Diese Entwicklung fand jedoch nicht überall in Europa statt. Zahlreiche Juden in Osteuropa entflohen den dortigen Pogromen und zogen Richtung Westen. Viele von ihnen wanderten in die Vereinigten Staaten aus. Eine Zwischen- und manchmal auch Endstation auf diesem Wege war München.

Die Orthodoxe Gemeinde, die sich zunehmend von den Versammlungen der Reformgemeinde fernhielt, erbaute auf eigene Kosten 1891/92 die Synagoge Ohel Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße (früher Kanalstraße).

1900 bis 1919: Zuwanderung aus Osteuropa

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Durch die starke Zuwanderung von Juden aus Osteuropa stieg die Zahl der jüdischen Bevölkerung in München nach der Jahrhundertwende stark an. 1910 gehörten 11.083 von 590.000 Einwohnern der Stadt dem jüdischen Glauben an (knapp 2 % der Gesamtbevölkerung). Persönlichkeiten wie Lion Feuchtwanger, Bruno Walter, Hermann Levi, Max Reinhardt, Julius Spanier, Otto Bernheimer oder Kurt Eisner trugen zum internationalen Ruf wie auch zum kulturellen, politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Leben Münchens bei.

Weimarer Republik

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In der Zwischenkriegszeit verschlechterten sich die Lebensbedingungen für Juden in München: So kam es in den 1920er Jahren zunehmend zu Spannungen und zur rücksichtslosen Ausweisung polnischstämmiger Juden. Auch verübten SA-Trupps Übergriffe auf jüdische Personen und Geschäfte. Als 1931 mit der Synagoge an der Reichenbachstraße eine dritte Synagoge eingeweiht wurde, die für die aus dem Osten vertriebenen Juden bestimmt war, erschien in den Münchner Neuesten Nachrichten, der damals größten Münchner Tageszeitung, kein Bericht darüber.

1933 bis 1945: Repressionen, Verfolgung, Vertreibung und Tod

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Vor 1933 lebten in München 12.000 jüdische Bürger. Auf die nationalsozialistische Machtergreifung folgten unmittelbar im Januar 1933 staatlich verordnete, massive Repressionen, welche schließlich 1935 zu den Nürnberger Rassegesetzen führten und in der systematischen Vernichtung der europäischen Juden endeten. So hatte die jüdische Gemeinde in München 1936 noch 9000 Mitglieder, aber schon zwei Jahre später hatte sich diese Zahl halbiert.

Diese schwere Zeit spiegelt sich auch in der Festschrift der Israelitische Kultusgemeinde zum 50-jährigen Bestehen ihrer Synagoge am 5. September 1937 wider: „Die 50. Wiederkehr dieses Tages festlich zu begehen, ist heute nicht die Zeit.“ Bereits neun Monate später wurde die Hauptsynagoge auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers am 9. Juni 1938 abgerissen – fünf Monate vor der Reichspogromnacht. Begründet wurde dies mit verkehrstechnischen Notwendigkeiten eines Parkplatzes, vermutet wird ein Zusammenhang mit dem „Tag der deutschen Kunst“, der im benachbarten Deutschen Künstlerhaus begangen werden sollte.[4] Der Abriss wurde bereits zwei Tage später in Angriff genommen. Die Kosten hierfür wurden der jüdischen Gemeinde auferlegt. Im Nazi-Organ „Der Stürmer“ konnte man lesen: „Ein Schandfleck verschwindet“. Es sollten zwar auch die Gebäude abgerissen werden, die ebenfalls zum Synagogenkomplex gehörten, doch stattdessen kam es zur Umnutzung dieser Häuser: Fortan nutzte die SS diese Räumlichkeiten für den „Lebensborn e. V.“.

Am 9. November 1938 läutete Joseph Goebbels mit einer Rede im Alten Rathaus in München die „Reichspogromnacht“ ein (auch bekannt unter der nationalsozialistischen Bezeichnung „Reichskristallnacht“). In der Herzog-Rudolf-Straße brannte die Synagoge des orthodoxen Vereins Ohel Jakob aus, und die Synagoge in der Reichenbachstraße blieb nur wegen der dichten Bebauung im Gärtnerplatzviertel vom Brand verschont – fiel aber dennoch dem Vandalismus von SA-Truppen zum Opfer. Bei den jüdischen Geschäften wurden größtenteils sämtliche Fenster eingeschlagen. Am 10. November erklärte dazu die Münchner Kreisleitung der NSDAP:

Die frechgewordenen Juden sind verhaftet. Das nationalsozialistische München demonstriert heute um 20 Uhr in 20 Massenkundgebungen gegen das Weltjudentum und seine schwarzen und roten Bundesgenossen[5]

Von da an wurden im Münchner Adressbuch keine Einrichtungen oder Synagogen der Israelitischen Kultusgemeinde mehr aufgeführt. Auf dem Papier existierten die Juden in München schon nicht mehr. Viele Münchner Juden wurden in den folgenden Jahren vertrieben.

Im August 1941 lebten noch 3249 als Juden verfolgte Personen in München. In diesem Jahr errichtete die NSDAP ein Sammellager in Milbertshofen, wenig später eines in Berg am Laim. Am 20. November 1941 wurden 1000 Münchner Juden nach Kaunas deportiert, davon 94 Kinder. Diese wurden nach fünf Tagen im IX. Fort von Kaunas ermordet. Im April 1942 wurde das jüdische Kinderheim zwangsweise aufgelöst und die Kinder deportiert. Kurz danach wurde auch das Israelitische Kranken- und Schwesternheim aufgelöst und seine zum Teil schwerstkranken Patienten und die Schwestern in die Vernichtungslager transportiert. Von etwa 3000 Münchner Juden ist bekannt, dass sie zwischen Juni 1942 und 23. Februar 1945 deportiert und zu einem großen Teil ermordet wurden. Am 30. April 1945 fanden die amerikanischen Befreier nur noch 84 überlebende Juden in München vor. Von den etwa 1550 Münchner Personen, die 1945 aus dem KZ Theresienstadt befreit werden konnten, kehrten 160 in ihre Heimatstadt zurück.

1945 bis heute

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Bereits kurz nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde am 19. Juli 1945 im ehemaligen Altersheim Kaulbachstraße die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) neu gegründet, welche am 20. Mai 1947 die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27 einweihen konnte.

Ebenfalls kurz nach der Befreiung folgte die Rückkehr jüdischen Lebens in die ehemalige „Hauptstadt der Bewegung“, da München Auffangstation für „Displaced Persons“ (DPs) wurde. Somit kam in München viele Juden und Verfolgte der Nazidiktatur in Wohnquartieren für DPs unter. Neben Überlebenden aus Konzentrationslagern kamen viele aus Osteuropa sowie auch ein erheblicher Anteil an jüdischen Flüchtlingen aus ganz Europa. Für viele galt München aber nur als Zwischenstation auf ihrem Weg in die USA oder nach Palästina. Trotzdem hatte die Jüdische Gemeinde Münchens bereits im März 1946 wieder etwa 2800 Mitglieder. Allmählich wurde München für Juden auch wieder Heimat.

In Bogenhausen, speziell in der Möhlstraße mit allen ihren Seitenstraßen, siedelten sich verschiedene Organisationen an, wie das Münchner jüdische Komitee und das Zentralkomitee der befreiten Juden, die Jewish Agency for Palestine, die Berufsbildungsorganisation Ort, und die Hebrew Immigrant Aid Society. Es entstand eine jüdische Apotheke und ein jüdisches Krankenhaus, später eine Synagoge, ein jüdischer Kindergarten und eine jüdische Schule. Nach der Währungsreform im Juni 1948 nahm dort die Wirtschaftstätigkeit enorm zu und es entwickelte sich ein weit über die Landeshauptstadt bekannter Schwarzmarkt. Von 1949 bis in die 1950er Jahre wurden immer wieder Geldstrafen verhängt, Razzien durchgeführt, Festnahmen veranlasst und Häuser abgerissen, um die jüdischen Ladenbesitzer zu vertreiben und den Marktplatz aufzulösen. Zwischen 1947 und 1960 hielten sich rund 185 Händler auf dem Marktplatz auf. Die große Mehrheit blieb nur für kurze Zeit. In den ersten Jahren nach dem Holocaust spielten die kleinen Läden eine Schlüsselrolle für das wirtschaftliche Überleben vieler jüdischer Familien und damit auch für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Westdeutschland.[6]

Vor 1970 waren jüdische Einrichtungen in München wie andernorts in Deutschland frei zugänglich. Am 10. Februar 1970 wurde bei einem Angriff arabischer Terroristen auf eine von Tel-Aviv gekommene El-Al-Maschine eine Person getötet. Bei einem bislang ungeklärten Brandanschlag am 13. Februar 1970 kurz nach Sabbatanbruch auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde starben sieben Menschen. Im Juni 1970 wurden in der Münchner Hauptsynagoge eine Torarolle und andere Kultgegenstände geschändet. Beim Münchner Olympia-Attentat während der Olympischen Sommerspiele 1972 forderten Angehörige der Terrororganisation Schwarzer September die Freilassung von 200 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen und ermordeten am 5. September 1972 elf israelische Sportler und einen Sicherheitsbeamten. Diese Terrorakte blieben nicht ohne Auswirkung auf das jüdische Leben in München: Unbefangenheit war ferner unmöglich, zumal in dieser Stadt auch beim rechtsterroristischen Oktoberfestattentat am 26. September 1980 dreizehn Menschen getötet und über 200 verletzt wurden – zufällige Besucher des Münchner Oktoberfestes – und hier die prominentesten Rechtsextremisten Deutschlands, Gerhard Frey und Franz Schönhuber, lebten und wirkten.[7]

Die Jüdische Gemeinde hatte schließlich Ende der achtziger Jahre etwa 4000 Mitglieder und zehn Jahre später ungefähr 8000 Mitglieder. Vor allem infolge der starken Zuwanderung aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion stieg diese Mitgliederzahl bis 2006 auf rund 11.000 an. Die Räume des Gemeindezentrums in der Reichenbachstraße genügten daher nicht mehr.

Dem Engagement von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Münchner Gemeinde und vom 7. Juni 2006 bis zum 28. November 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist es zu verdanken, dass am 9. November 2006, genau 68 Jahre nach der Pogromnacht, in der auch die alte orthodoxe Synagoge Ohel Jakob zerstört wurde, die neue Hauptsynagoge Ohel Jakob (Zelt Jakobs) am Sankt-Jakobs-Platz in der Münchner Innenstadt eröffnet werden konnte. Die neue Synagoge ist Bestandteil des neuen Jüdischen Zentrums.

Im März 2007 konnte die IKG all ihre Einrichtungen (Jugend- und Kulturzentrum mit Jüdischer Volkshochschule, Sozialabteilung etc.) im Gemeindehaus im Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz zusammenführen, nachdem diese vorher über ganz München verstreut waren.

Zudem ist hier seither auch das Jüdische Museum München in städtischer Trägerschaft. Es ist auch ein Verdienst Charlotte Knoblochs, dass dieses Jüdische Museum ein Teil des neuen Jüdischen Zentrums wurde, da ihr Einsatz für die Einrichtung eines solchen Museums eine wichtige Antriebsfeder hierfür war. Davor gab es lediglich ein Provisorium in Form einer kleinen Ausstellung zur jüdischen Geschichte und Kultur im ehemaligen Gemeindezentrum (Reichenbachstraße).

Inzwischen hat die IKG die nötige Infrastruktur, um den Erhalt jüdischer Traditionen und die Religionsausübung zu gewährleisten. Dies umfasst in München drei Synagogen, ein koscheres Restaurant, eine koschere Metzgerei, zwei Mikwaot (rituelle Tauchbäder), einen Kindergarten, eine Grundschule mit Hort, ein Seniorenheim, ein Jugend- und Kulturzentrum mit Bibliothek und jüdischer Volkshochschule sowie eine Integrationsabteilung für Neuzuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, eine Sozialabteilung und zwei Friedhöfe: der alte israelitische und der neue israelitische Friedhof. Die IKG beheimatet als Einheitsgemeinde jüdische Mitglieder sämtlicher religiöser Ausrichtungen und wird entsprechend dem jüdischen Religionsgesetz, der Halacha, geführt.

Neben der orthodox geführten Einheitsgemeinde gibt es seit 1995 in München die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom, deren Vorsitzender Jan Mühlstein ist. Die Gemeinde beabsichtigt, eine Synagoge in der Reitmorstraße im Lehel zu bauen, wofür Daniel Libeskind als Architekt gewonnen werden konnte.[8][9] Auch Chabad[10] ist mit einer eigenen Gemeinschaft in München vertreten.

Literatur

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(chronologisch sortiert)

  • Piritta Kleiner: Jüdisch, Jung und Jetzt: Identitäten und Lebenswelten junger Juden in München. Utz Verlag, München 2010, ISBN 978-3-8316-4003-4.
  • Miriam Magall: „Wie gut sind deine Zelte, Jakob!“ Spaziergänge im jüdischen München. MünchenVerlag, München 2008, ISBN 978-3-937090-29-0 (Ein Panorama jüdischen Lebens in München vom Mittelalter bis heute).
  • Gudrun Azar u. a.: Ins Licht gerückt. Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Hrsg. für die Geschichtswerkstatt Jüdisches Leben in Pasing von B. Schoßig. Herbert Utz Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8316-0787-7.
  • Ilse Macek (Hrsg.): ausgegrenzt – entrechtet – deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933–1945. Volk Verlag, München 2008, ISBN 978-3-937200-43-9 (Wurde mit dem Simon-Snopkowski-Preis 2008 ausgezeichnet).[11]
  • Doris Seidel: Die jüdische Gemeinde Münchens 1933–1945. In: Angelika Baumann, Andreas Heusler (Hrsg.): München arisiert. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit. C. H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-51756-0, S. 31–53.
  • Stadtarchiv München (Hrsg.), bearbeitet von Andreas Heusler, Brigitte Schmidt u. a.: Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945. Eos Verlag u. a., St. Ottilien u. a.
  • Richard Bauer, Michael Brenner (Hrsg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54979-9.
  • Beth ha-Knesseth – Ort der Zusammenkunft. Zur Geschichte der Münchner Synagogen, ihrer Rabbiner und Kantoren. Katalog zur Ausstellung im Jüdischen Museum München (2. Dezember 1999–31. Mai 2000). Buchendorfer Verlag, München 1999, ISBN 3-934036-09-0.
  • Stefan Wimmer: Vergangene Tage. Jüdisches Leben in München. Herausgegeben von StattReisen München. Buchendorfer Verlag, München 1999, ISBN 3-927984-92-2.
  • Alexander Rauch: Münchens jüdische Denkmäler. In: Denkmäler jüdischer Kultur in Bayern. Arbeitshefte des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege 35. München 1994.
  • Juliane Wetzel: Jüdisches Leben in München 1945–1951. Durchgangsstation oder Wiederaufbau? Kommissions-Verlag Uni-Druck, München 1987, ISBN 3-87821-218-6 (Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München. Miscellanea Bavarica Monacensia 135. Zugleich: München, Univ., Diss., 1986).
  • Hans Lamm (Hrsg.): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner Tamid Verlag, München 1958 (Erweiterte Ausgabe: Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München. Langen Müller, München u. a. 1982, ISBN 3-7844-1867-8).
  • Gerd Thumser: Heimweh nach München. Das Schicksal der emigrierten jüdischen Bürger Münchens. 2. Auflage. Wurm, München 1967 (München im Blickpunkt 3).
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Gemeinden und Gemeinschaften
Informationen

Einzelnachweise

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  1. Leo Baerwald: Juden und jüdische Gemeinden in München vom 12. bis 20. Jahrhundert. In: Hans Lamm (Hrsg.): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner-Tamid-Verlag, München 1958, S. 19–30.
  2. Akten des israelitischen VereinsVorstandes in Fürth (Rep. Tit. II Nr. 155), die Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen betr. (zitiert nach Eckstein, S. 16 ff.)
  3. Bernhard Koch: Ausgeliefert an willfährige Vollstrecker. Die Holzhandlung Gebrüder Freundlich. In: Gudrun Azar u. a.: Ins Licht gerückt. Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Hrsg. für die Geschichtswerkstatt Jüdisches Leben in Pasing von B. Schoßig. Herbert Utz Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8316-0787-7, S. 85.
  4. Saskia Rohde: Die Zerstörung der Synagogen unter dem Nationalsozialismus. S. 156. In: Arno Herzig, Ina Lorenz (Hrsg.): Verdrängung und Vernichtung der Juden unter dem Nationalsozialismus. Hamburg 1992, ISBN 3-7672-1173-4
  5. Hans F. Nöhbauer: Die Chronik Bayerns. Chronik Verlag, Gütersloh/München, 3. aktualisierte und überarbeitete Auflage, 1994, S. 496
  6. Die Möhlstraße – ein jüdisches Kapitel der Münchner Nachkriegsgeschichte, Abteilung für jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Abgerufen am 27. Mai 2021.
  7. Michael Brenner: Aufbruch in die Zukunft (1970–2006) in: Richard Bauer und Michael Brenner(Hrsg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart München 2006; S. 209 ff.
  8. Süddeutsche Zeitung: Der Traum von der eigenen Synagoge. Die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom sucht ein neues Domizil - Finanzierung ist noch ungeklärt, 23. Februar 2009, S. 53
  9. Münchner liberale Gemeinde Beth Shalom (Memento vom 24. Juni 2012 im Internet Archive) - BR-Online vom 15. Oktober 2009, abgerufen am 28. Dezember 2009, abgerufen am 11. September 2012
  10. Meron Mendel, Jüdische Jugendliche in Deutschland, Frankfurt/Main 2010, Seite 101
  11. Simon-Snopkowski-Preis 2008 vom 16. November 2008