Gleichung von Bienaymé

mathematischer Satz

Die Gleichung von Bienaymé, Bienaymé-Gleichung[1] oder Formel von Bienaymé[2] ist eine Gleichung aus der Stochastik. Sie erlaubt die Berechnung der Varianz einer Summe von Zufallsvariablen und besagt insbesondere, dass sie sich bei unkorrelierten (und demnach auch bei stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen) additiv verhält. Die Varianz der Summe unkorrelierter Zufallsvariablen ist also die Summe der Varianzen der Zufallsvariablen.

Die Gleichung ist nach dem französischen Mathematiker Irénée-Jules Bienaymé (1796–1878) benannt, der sie 1853 zeigte.[3] Sie wird unter anderem zur Ermittlung des Fehlers von Monte-Carlo-Simulationen verwendet und ein wichtiges Hilfsmittel zur Umformung von Gleichungen in der Stochastik. So liefert sie beispielsweise in Kombination mit der Tschebyscheff-Ungleichung eine erste Version des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Gegeben seien quadratintegrierbare Zufallsvariablen  , es gelte also   für  . Des Weiteren sei   die Varianz der Zufallsvariable   und   die Kovarianz von   und  .

Die Gleichung von Bienaymé wird in der Literatur nicht einheitlich formuliert. In ihrer allgemeineren Version besagt sie, dass

 

gilt.[4]

Spezieller gilt: Sind die   paarweise unkorreliert, also   für alle   mit  , so gilt

 .[5]

Insbesondere gilt dies dann auch für Summen stochastisch unabhängiger Zufallsvariablen, denn aus Unabhängigkeit und Integrierbarkeit folgt die Unkorreliertheit der Zufallsvariablen.[6]

Beispiele

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Sind beispielsweise   die Augenzahl eines vierseitigen,   die Augenzahl eines sechsseitigen und   die Augenzahl eines achtseitigen fairen Würfels. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der drei Würfel sind diskrete Gleichverteilungen, wodurch sich für die Varianzen der Augenzahlen der einzelnen Würfel

    und    

ergibt. Nach der Gleichung von Bienaymé beträgt die Varianz der Augensumme   der drei Würfel

  (da die Würfel unkorreliert sind).

Somit ergibt sich als Standardabweichung der Augensumme ein Wert von etwa  .

Wienerprozess

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Zwei Beispiele für Pfade eines Standard-Wienerprozesses. Die grau schraffierte Fläche markiert die Standardabweichung  .

Betrachtet man den Wienerprozess, so ist dieser durch das stochastische Integral   gegeben. Die Gaußsche Irrfahrt kann (nach dem Satz von Donsker) benutzt werden um den Wienerprozess zu approximieren:

 ,

wobei   unabhängige, standardnormalverteilte Zufallszahlen sind. Hierbei wird das Integral diskretisiert und   benutzt.

Die Gleichung von Bienayme liefert für  .

 
Geschätzte Varianz der kumulativen Summe eines Zufallsprozesses, dessen Zufallsvariablen iid normalverteilt sind. Die Stichprobenvarianz ist über 300 Realisierungen berechnet.

Die quadratische Integrierbarkeit stellt zunächst sicher, dass alle auftretenden Erwartungswerte und Varianzen endlich sind. Aufgrund der Linearität des Erwartungswertes ist

 .

Somit folgt

 

Nach Definition der Varianz als   folgt durch ausmultiplizieren

 ,

wobei der letzte Schritt durch einsetzen der Definition der Kovarianz folgt. Da aber für   folgt, dass  , werden diese Terme in eine separate Summe geschrieben und die Gleichung von Bienaymé folgt.

Die zweite Fassung folgt direkt aus der ersten, da aus Unkorreliertheit per Definition   folgt und die eine Summe wegfällt.

Folgerungen

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Eine wichtige Folgerung der Gleichung von Bienaymé besteht für Folgen unabhängig und identisch verteilter Zufallsvariablen  , die alle die Varianz   aufweisen. Die Varianz des arithmetischen Mittels   der ersten   Folgenglieder

 

verhält sich demnach umgekehrt proportional zu  .[7] Zusammen mit der Tschebyscheff-Ungleichung ergibt sich daraus, dass die Folge dem schwachen Gesetz der großen Zahlen genügt, also dass die Mittelwerte stochastisch gegen den Erwartungswert konvergieren.

Der Standardfehler des arithmetischen Mittels

 

zeigt, dass das arithmetische Mittel als erwartungstreuer Schätzer für einen unbekannten Erwartungswert eine Rate von   aufweist. Aus diesem Grund besitzt der Fehler von klassischen Monte-Carlo-Simulationen eine Konvergenzgeschwindigkeit von  .[7]

Im Zusammenhang mit zufälligen Messabweichungen ergibt sich aus der Gleichung von Bienaymé im Fall unkorrelierter fehlerbehafteter Größen das gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz.

Verallgemeinerung

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Die Gleichung von Bienaymé kann auch auf gewichtete Summen von Zufallsvariablen verallgemeinert werden. Sind dazu   reelle Gewichtsfaktoren, dann gilt für die Varianz der gewichteten Summe   der Zufallszahlen   die Darstellung

 

mit dem transponierten Vektor   und der Kovarianzmatrix   des Zufallsvektors  . Für paarweise unkorrelierte Zufallsvariablen spezialisiert sich diese Gleichung zu

 .

Für die Summe von zwei Zufallsvariablen   und   ergibt sich daraus

 

und für die Differenz

 

Für zwei unkorrelierte Zufallsvariablen   und   ist definitionsgemäß  . Damit ergibt sich, dass für zwei unkorrelierte Zufallsvariablen die Summe ebenso wie die Differenz gleich der Summe ihrer Varianzen ist, das heißt, es gilt in diesem Fall

 .

Falls die Zahl der Summanden selbst eine Zufallsvariablen ist, siehe Blackwell-Girshick-Gleichung.

Siehe auch

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 106.
  2. Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 129.
  3. Georgii: Stochastik. 2009, S. 109.
  4. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 106.
  5. Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 129.
  6. Müller-Gronbach, Novak, Ritter: Monte Carlo-Algorithmen. S. 7.
  7. a b Müller-Gronbach, Novak, Ritter: Monte Carlo-Algorithmen. S. 29.