Goyazit

Mineral aus der Alunit-Obergruppe

Goyazit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ mit der chemischen Zusammensetzung SrAl3[(OH)6|PO3OH|PO4][5] und damit chemisch gesehen ein komplexes Strontium-Aluminium-Phosphat mit zusätzlichen Hydroxidionen.

Goyazit
Milchweiße Goyazitkristalle aus Rapid Creek, Yukon, Kanada (Sichtfeld: 20 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1999 s.p.[1]

IMA-Symbol

Goy[2]

Andere Namen
Chemische Formel SrAl3[(OH)6|PO3OH|PO4][5][1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Phosphate, Arsenate, Vanadate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VII/B.15
VII/B.36-030

8.BL.10
42.07.03.03
Ähnliche Minerale Arsenogoyazit
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol ditrigonal-skalenoedrisch; 32/m[6]
Raumgruppe R3m (Nr. 166)Vorlage:Raumgruppe/166[5]
Gitterparameter a = 7,02 Å; c = 16,50 Å[5]
Formeleinheiten Z = 3[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 4,5 bis 5[7]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,26; berechnet: 3,29[7]
Spaltbarkeit vollkommen nach {0001}[7]
Bruch; Tenazität uneben
Farbe farblos, weiß, rosa, violett, honiggelb bis orange[7]
Strichfarbe weiß[8]
Transparenz durchsichtig
Glanz Glasglanz bis Harzglanz, Perlmuttglanz auf Spaltflächen[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,620 bis 1,635[9]
nε = 1,630 bis 1,651[9]
Doppelbrechung δ = 0,010[9]
Optischer Charakter einachsig positiv[9]
Achsenwinkel 2V = 30° (gemessen)[9]
Pleochroismus schwach in dicken Körnern: ω = hellrosa; ε = gelblich, grünlich

Goyazit kristallisiert im trigonalen Kristallsystem und entwickelt meist durchsichtige Kristalle von etwa zwei Zentimetern Durchmesser mit tafeligem, rhomboedrischem oder pseudokubischem Habitus und einem glas- bis harzähnlichem Glanz auf unbeschädigten Kristallflächen. Spaltflächen weisen dagegen Perlmuttglanz auf. Des Weiteren tritt Goyazit auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate auf.

In reiner Form ist Goyazit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine graue, rosa bis violette, zitronengelbe, orange oder braune Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist jedoch immer weiß.

Etymologie und Geschichte

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Flagge des namensgebenden brasilianischen Bundesstaates Goiás (ehemals Goyaz)

Goyazit wurde erstmals bei Diamantina im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais entdeckt. Analysiert und beschrieben wurde das Mineral 1884 von Augustin Alexis Damour, der es nach der benachbarten, für ihre diamanthaltigen Flusssande bekannte Provinz Goiás (ehemals Goyaz) benannte.[10]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist nicht bekannt.[11]

Ein von L. van Wambeke erstbeschriebenes Mineral mit dem Namen Lusungit stellte sich bei neueren Analysen des Typmaterials zur Erstbeschreibung von Kintoreit 1995 als identisch mit Goyazit heraus und wurde diskreditiert.[12] Ebenfalls identisch mit Goyazit ist das 1905 von Richard Harrison Solly (1851–1925)[13] erstbeschriebene Mineral Bowmanit (nach Professor Herbert Lister Bowman, 1874–1942).[14] Ähnliches gilt für den Hamlinit, der von William Earl Hidden (1853–1918)[15][16] und Samuel Lewis Penfield 1890 nach Augustus Choate Hamlin (1839–1905) benannt[17] und 1915 von Waldemar Theodore Schaller in Goyazit umbenannt wurde.[18] Alle drei Namen gelten seitdem als Synonym für Goyazit.

Klassifikation

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Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Goyazit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Wasserfreien Phosphate, Arsenate und Vanadate mit fremden Anionen“, wo er zusammen mit Crandallit, Dussertit, den hier noch als ein Mineral geltenden Florencit, Gorceixit, Plumbogummit und Waylandit die „Crandallit-Reihe“ mit der System-Nr. VII/B.15 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VII/B.36-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Wasserfreie Phosphate, mit fremden Anionen F,Cl,O,OH“, wo Goyazit zusammen mit Arsenocrandallit, Arsenoflorencit-(Ce), Arsenoflorencit-(La), Arsenoflorencit-(Nd), Arsenogorceixit, Arsenogoyazit, Arsenowaylandit, Benauit, Crandallit, Dussertit, Eylettersit, Florencit-(Ce), Florencit-(La), Florencit-(Nd), Florencit-(Sm), Galloplumbogummit, Gorceixit, Graulichit-(Ce), Kintoreit, Kolitschit, Pattersonit, Philipsbornit, Plumbogummit, Segnitit, Springcreekit, Waylandit, Weilerit und Zaïrit die „Crandallit-Gruppe“ (VII/B.36) bildet.[8]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[19] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Goyazit in die Abteilung der „Phosphate usw. mit zusätzlichen Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis der zusätzlichen Anionen(OH usw.) zum Phosphat-, Arsenat- bzw. Vanadatkomplex (RO4), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und großen Kationen; (OH usw.) : RO4 = 3 : 1“ zu finden ist, wo es zusammen mit Arsenocrandallit, Arsenogorceixit, Arsenogoyazit, Benauit, Crandallit, Dussertit, Gorceixit, Kintoreit, Philipsbornit, Plumbogummit, Segnitit und Springcreekit die „Crandallitgruppe“ mit der System-Nr. 8.BL.10 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Crandallit ebenfalls in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Auch hier in der „Crandalitgruppe“ mit der System-Nr. 42.07.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)5(XO4)3Zq × x(H2O)“ zu finden.

Kristallstruktur

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Goyazit kristallisiert in der trigonalen Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 166)Vorlage:Raumgruppe/166 mit den Gitterparametern a = 7,02 Å und c = 16,50 Å sowie 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]

Bildung und Fundorte

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Goyazit und Siderit (dunkelgrau) aus Rapid Creek, Yukon, Kanada
 
Perfekt ausgebildeter, pseudokubischer und zitronengelber Goyazit aus Ilfeld im Thüringer Harz (Sichtfeld: 0,4 mm)

Goyazit bildet sich in hydrothermal argillitisierten Verwitterungszonen (argillic alteration) granitischen Pegmatiten, das heißt in dieser Zone wurden verschiedene Minerale in Tonminerale umgewandelt. Ebenso findet sich das Mineral aber auch in kaolinitisierten Lehmböden ehemaliger vulkanische Tuffe und Karbonatite. Begleitminerale sind unter anderem verschiedene Apatite, Baryt, Diamant, Herderit, Kaolinit, Monazit, Pyrit, Quarz und Sphalerit.[7]

Als eher seltene Mineralbildung kann Goyazit an verschiedenen Orten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Weltweit sind bisher rund 200 Fundstätte dokumentiert (Stand 2022).[20] Außer an seiner Typlokalität in der Umgebung von Diamantina trat das Mineral in Brasilien noch an mehreren Stellen des Jequitinhonha-Tals, den Alkali-Komplexen in der Gemeinde Poços de Caldas und bei Barreiro in Minas Gerais, in der Serra da Vereda bei Boquira in Bahia, in den Karbonatiten der Gruben von Catalão in Goiás, in der Phosphat-Lagerstätte „Pirocaua“ bei Godofredo Viana in Maranhão sowie in den Gemeinden Viseu in Pará, Frei Martinho in Paraíba und Correia Pinto in Santa Catarina auf.

In Deutschland fand sich Goyazit unter anderem in der Grube Clara bei Oberwolfach und er Grube Dorothea bei Freudenstadt in Baden-Württemberg, an mehreren Stellen im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge (Epprechtstein, Fuchsbau, Steinbruch Grasyma) und im Landkreis Neustadt an der Waldnaab (Hagendorf) in Bayern, in der Grube Waldsaum bei Lohrheim in Rheinland-Pfalz, in den Gruben Greifenstein und Sauberg bei Ehrenfriedersdorf sowie bei Emmerichswalde, Kemmlitz und Sadisdorf in Sachsen und bei Ilfeld in Thüringen.

In Österreich wurde das Mineral bisher unter anderem in den Gemeinden Reißeck (Kolbnitz, Penk) und Spittal an der Drau (Liesertal, Wolfsberg) in Kärnten, am Katschberg zwischen Kärnten und Salzburg sowie an mehreren Stellen in der Gemeinde Krieglach und am Galgenberg bei Leoben in der Steiermark gefunden.

In der Schweiz trat Goyazit bisher nur in einer Topasfundstelle im Val Renastga (Surselva) im Kanton Graubünden, bei Pinaderio und auf der Alp Robièi im Kanton Tessin sowie in der Umgebung von Termen, am Ofenhorn und bei Fäld (Grube Lengenbach) im Kanton Wallis auf.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Burundi, China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indonesien, Iran, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar, Malawi, Namibia, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Slowakei, Spanien, Südafrika, Tschechien, Tansania, Tunesien, Uganda, Ukraine, Usbekistan, Venezuela, im Vereinigten Königreich (England, Schottland), den Vereinigten Staaten von Amerika (Arkansas, Colorado, Kalifornien, Maine, New Hampshire, New Mexico, North Carolina, South Dakota, Utah, Virginia, Wyoming) und Vietnam.[21]

Verwendung

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Goyazit hat außer als Mineralprobe keine wirtschaftliche Bedeutung.

Siehe auch

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Literatur

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  • A. A. Damour: Note sur un nouveau phosphate d'alumine et de chaux, des terrains diamantifères. In: Bulletin de la Société Minéralogique de France. Band 7, 1884, S. 204–205 (französisch, rruff.info [PDF; 152 kB; abgerufen am 1. Mai 2022]).
  • Toshio Kato: Further refinement of the goyazite structure. In: Mineralogical Journal. Band 13, 1987, S. 390–396 (englisch, rruff.info [PDF; 224 kB; abgerufen am 1. Mai 2022]).
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Commons: Goyazite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b Charles Palache, Harry Berman, Clifford Frondel: The System of Mineralogy of James Dwight Dana and Edward Salisbury Dana. 7. Auflage. Band 2. John Wiley & Sons, New York u. a. 1951, S. 834–835.
  4. P. Bayliss, Uwe Kolitsch, Ernest H. Nickel, A. Pring: Alunite supergroup: recommended nomenclature. In: Mineralogical Magazine. Band 74, 2010, S. 919–927 (englisch, rruff.info [PDF; 216 kB; abgerufen am 1. Mai 2022]).
  5. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 462 (englisch).
  6. David Barthelmy: Goyazite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 1. Mai 2022 (englisch).
  7. a b c d e f Goyazite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB; abgerufen am 1. Mai 2022]).
  8. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  9. a b c d e Goyazite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. Mai 2022 (englisch).
  10. A. A. Damour: Note sur un nouveau phosphate d'alumine et de chaux, des terrains diamantifères. In: Bulletin de la Société Minéralogique de France. Band 7, 1884, S. 204–205 (französisch, rruff.info [PDF; 152 kB; abgerufen am 1. Mai 2022]).
  11. Catalogue of Type Mineral Specimens – G. (PDF 191 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 2. Mai 2022.
  12. A. Pring, W. D. Birch, J. Dawe, M. Taylor, M. Deliens, Kurt Walenta: Kintoreite, PbFe3(PO4)2(OH,H20)6, a new mineral of the jarosite-alunite family, and lusungite discredited. In: Mineralogical Magazine. Band 59, März 1995, S. 143–148 (englisch, rruff.info [PDF; 354 kB; abgerufen am 2. Mai 2022]).
  13. L. J. Spencer: Biographical notices of mineralogists recently deceased (Third series). In: Mineralogical Magazine. Band 21, Nr. 117, 1927, S. 252 (englisch, rruff.info [PDF; 4,7 MB; abgerufen am 2. Mai 2022]).
  14. R. H. Solly: Some new minerals from the Binnenthal, Switzerland. In: Mineralogical Magazine. Band 14, Nr. 64, 1905, S. 72–82 (englisch, rruff.info [PDF; 463 kB; abgerufen am 2. Mai 2022] Bowmanit S. 80).
  15. George F. Kunz: William Earl Hidden. In: American Mineralogist. Band 4, Nr. 8, 1919, S. 100 (englisch, minsocam.org [PDF; 255 kB; abgerufen am 4. Mai 2022]).
  16. George F. Kunz: William Earl Hidden. In: American Mineralogist. Band 4, Nr. 10, 1919, S. 128–129 (englisch, minsocam.org [PDF; 146 kB; abgerufen am 4. Mai 2022]).
  17. William Earl Hidden, Samuel L. Penfield: On hamlinite, a new rhombohedral mineral from the herderite locality at Stoneham, Me. In: American Journal of Science. Band s3–39, Nr. 234, 1890, S. 511–513, doi:10.2475/ajs.s3-39.234.511 (englisch, online verfügbar bei semanticscholar.org [PDF; 103 kB; abgerufen am 4. Mai 2022]).
  18. Hamlinite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. Mai 2022 (englisch).
  19. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  20. Goyazite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. Mai 2022 (englisch).
  21. Fundortliste für Goyazit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 1. Mai 2022.