Grab der Pauta

älteste archäologische Zeugnis christlichen Glaubens in Worms

Das Grab der Pauta ist das älteste archäologische Zeugnis christlichen Glaubens in Worms.

Umzeichnung der Inschrift des Grabsteins[Anm. 1]

Geschichte

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Das spätantike Grab befand sich auf dem römischen Nordfriedhof der damals Borbetomagus genannten Stadt. Es enthielt Beigaben und hatte einen Grabstein aus Kalkstein mit einer Inschrift und einer Darstellung. Das Grab konnte auch aufgrund der Beigaben in das erste Drittel des 5. Jahrhunderts datiert werden.[1]

Vom Mittelalter und teilweise bis heute wird das Gelände des ehemaligen Nordfriedhofs von Borbetomagus landwirtschaftlich und für den Weinbau genutzt. Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten Teile davon dem Weingutbesitzer Johann Philipp Bandel (1785–1866), der auch ein privates Museum unterhielt und in seinen Weingärten nach römischen Funden graben ließ. Dabei stieß er südlich der Liebfrauenkirche – wohl 1842[Anm. 2] – auf das Grab und den Grabstein der Pauta.[2] Erstmals veröffentlicht wurde der Fund 1844.[3] Im Grab selbst wurden der Schädel und ein Armknochen geborgen, als Beigaben fanden sich danach ein Armring aus Bronze, ein Halsband aus Glasperlen, eine Tonschüssel, eine Glasschale, das Steingewicht einer Spindel und zwei Riemenzungen aus Bronze.[2] Bei der Neubewertung der Funde in den 1990er Jahren war noch von dem Bronze-Armring, der Keramik-Schüssel und dem Glasbecher die Rede, letzterer war verschollen.[4]

Alle Objekte gelangten in die Sammlung von Johann Philipp Bandel. 1862 ließ er die Sammlung versteigern. Der Mainzer Altertumsverein – in Worms gab es damals eine entsprechende Einrichtung noch nicht – kaufte die römischen und fränkischen Funde aus der Sammlung.[5] Von dort gelangten die Funde aus dem Grab in das Landesmuseum Mainz[2], wo der Grabstein[Anm. 3] und die 1990 genannten Funde bis heute aufbewahrt werden.[6][Anm. 4] Unmittelbar nach dem Ankauf wurde der Fund in der Zeitschrift des Vereins publiziert.[7]

Grabstein

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Der Grabstein trägt die Inschrift[8]:

“H(ic) q(uiescit) • in p(ace) • n(o)m(ine) • Pauta • an(norum) • L(?) •
VI • d(ierum) • XV • titu(lum) • p(osuerunt) • Puasi
• et Quito • et • Sicco •
• Boddi • Ivio”

„Hier ruht in Frieden mit Namen[Anm. 5] Pauta, 56 (?) Jahre, 15 Tage (alt). Den Grabstein gesetzt haben Puasi und Quito und Sicco, Boddi, Ivio“

Grabstein der Pauta, Borbetomagus (Worms)

Unter der Inschrift befindet sich ein Christogramm, an dessen Seiten rechts und links je ein Vogel über einem Zweig, vermutlich einem Ölbaumzweig[9], dargestellt ist. Wegen des Krönchens auf dem Kopf des rechten Vogels wird das Paar als ein männlicher und ein weiblicher Pfau gedeutet.[10][Anm. 6] Es gibt auch die Deutung, dass es sich bei den dargestellten Vögeln um Tauben handelt.[11][Anm. 7]

Die Namen derjenigen, die den Grabstein der Pauta aufstellten, sind nicht-römischen Ursprungs und konnten ethnologisch nicht schlüssig zugeordnet werden.[12] Aufgrund der Zeitstellung wird vermutet, dass sie germanische Foederaten waren.[13]

Ein erster Bischof von Worms wird mit Victor bereits für das 4. Jahrhundert erwähnt. Hauptquelle dafür ist allerdings eine gefälschte Urkunde des 10. Jahrhunderts.[14] Ein Bischof „Victor“ – jedoch ohne Ortsangabe zu seinem Bistum – wird aber auch unter den Teilnehmern des Konzils von Serdica (342/44) genannt.[15] Es wird deshalb bezweifelt, ob die Nachricht über einen Bischof dieses Namens in Worms authentisch ist. Deshalb gilt der Grabstein der Pauta als ältestes unbestrittenes Zeugnis der Anwesenheit von Christen in Worms.

Literatur

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  • Gustav von Bezold: Deutsche Grabdenkmale. In: Germanisches Nationalmuseum (Hg.): Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. 1895, S. 75–81, hier S. 79 f. (Digitalisat).
  • Walburg Boppert: Die frühchristlichen Inschriften des Mittelrheingebietes. Philipp von Zabern, Mainz 1971.
  • Walburg Boppert und Alfried Wieczorek: IV.4.3 Grab der Pauta. In: Reiss-Museum Mannheim (Hg.): Die Franken. Wegbereiter Europas Bd. 2 [Katalog]. Philipp von Zabern, Mainz 1996. ISBN 3-8053-1813-8, S. 870–872.
  • Mathilde Grünewald: Die Römer in Worms. Theiss, Stuttgart 1986, ISBN 3-8062-0479-9
  • Friedrich Gustav Habel: Protocoll der neunzehnten General-Versammlung des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung [vom 29. Dezember 1842]. In: Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung. Bd. 3, Heft 3, 1844, S. 157–219 (198).
  • Karl Klein: Römische Inschriften, welche in und bei Mainz gefunden worden. In: Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Alterthümer in Mainz. Bd. 2, Heft 1 und 2, 1859–1864, S. 317–345, hier S. 343 Nr. 190 (Digitalisat).
  • Sebastian Ristow: Frühes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse der archäologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel (= Jahrbuch 2006 des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz). Aschendorff, Münster 2007, ISBN 978-3-402-08121-1, S. 439, Nr. 549.

Anmerkungen

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  1. Das Original im Landesmuseum Mainz war 2024 magaziniert und nicht zugänglich.
  2. Friedrich Gustav Habel berichtet auf der Generalversammlung des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung im Dezember 1842 erstmals über den Fund, ohne den Zeitpunkt zu nennen, an dem er gemacht wurde (Habel, S. 197f.).
  3. Inventarnummer des Landesmuseums Mainz: S3021 (Angabe nach: Kornbluth Photography. Documenting the Visual Arts; abgerufen am 22. Januar 2024.)
  4. Inventarnummern nennen Boppert / Wieczorek, S. 872, nicht.
  5. Diese Übersetzung von „NM“ wird heute allgemein verwendet. Hauptargument dafür sind zahlreiche gleichlautende andere Inschriften (Boppert: Die frühchristlichen Inschriften, S. 165). So erstmals: Edmond Le Blant: Inscriptions chrétiennes de la Gaule antérieures au VIIIe siècle. Band 1: Provinces gallicanes. Impr. Impériale, Paris 1856, S. 471 f. Anm. 3 (Digitalisat) und S. 462 Nr. 348 mit Anm. 2 (Digitalisat). Eine früher verwendete Übersetzung nahm „nostra mater“ an (Karl Klein: Römische Inschriften, S. 343).
    – Zu der Lesung „mit Namen“ siehe auch die Materialzusammenstellung bei Jakob Becker: Die ältesten Spuren des Christenthums am Mittelrhein. In: Nassauische Annalen. Band 7, Heft 2, 1864, S. 1–72, hier S. 9 f. Nr. 4 (Digitalisat); Franz Xaver Kraus: Die altchristlichen Inschriften der Rheinlande. Mohr, Freiburg im Breisgau 1890, S. 16 Nr. 27 (Digitalisat) und alle jüngeren Editionen, siehe etwa: Eintrag in der Epigraphischen Datenbank Heidelberg; Mathilde Grünewald, Ursula Koch, Alfried Wieczorek: Zwischen Römerzeit und Karl der Großen. Die frühmittelalterlichen Grabfunde aus Worms und Rheinhessen im Museum der Stadt Worms im Andreasstift. Band 1. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2009, ISBN 978-3-89870-568-4, S. 200; Carina Kessel: Die frühchristlichen Grabsteine zwischen Worms, Mainz und Bingen. In: Mainzer Zeitschrift. Band 113, 2018, S. 3–112, hier S. 107–108 Nr. 88.
  6. Die Pfauen stehen ikonografisch für das Paradies und das ewige Leben; siehe Joachim Kramer: Pfau. In: Engelbert Kirschbaum (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie. Band 3. Herder, Freiburg im Breisgau 1971, Sp. 409–411, hier Sp. 410 (Digitalisat).
  7. In der frühchristlichen und spätantiken Ikonografie stand die Taube für die zum himmlischen Frieden gelangte Seele (Joachim Poeschke: Taube. In: Engelbert Kirschbaum (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie. Band 4. Herder, Freiburg im Breisgau 1971, Sp. 241–244, hier Sp. 242).

Einzelnachweise

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  1. Boppert / Wieczorek, S. 870.
  2. a b c Karl Körber: Römische Inschriften des Mainzer Museums. Dritter Nachtrag zum Becker´schen Katalog. Verlag des Altertumsvereins, Mainz 1900, S. 135 (Digitalisat).
  3. Habel, S. 198 (Digitalisat).
  4. Boppert / Wieczorek, S. 872.
  5. Gunter Mahlerwein: Johann Philipp Bandel. Ein Wormser Demokrat und Kunstsammler. Worms Verlag, Worms 2011. ISBN 978-3-936118-46-9, S. 69.
  6. Boppert / Wieczorek, S. 872.
  7. Karl Klein: Römische Inschriften, S. 343.
  8. CIL 13, 06258 (Digitalisat); Boppert: Die frühchristlichen Inschriften, S. 165.
  9. Boppert / Wieczorek, S. 872.
  10. Boppert / Wieczorek, S. 872.
  11. Ristow: Frühes Christentum, S. 439.
  12. Überlegungen dazu etwa bei Wolfgang Haubrichs: Eppo, Runa, Votrilo und andere frühe Einwohner (5./6. Jahrhundert?) im Bereich der Aquae Mattiacae (Wiesbaden). In: Gerd Richter, Jörg Riecke und Britt-Marie Schuster: Raum, Zeit, Medium – Festschrift für Hans Ramge zum 60. Geburtstag (= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF 20). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2000, ISBN 3-88443-042-4, S. 113–134, hier S. 125 f.
  13. Grünewald: Die Römer in Worms, S. 90.
  14. Thomas Kohl und Franz Josef Felten: Worms – Stadt und Region im frühen Mittelalter von 600–1000. Geschichte der Stadt Worms. In: Gerold Bönnen (Hg.): Geschichte der Stadt Worms. Theiss, Stuttgart 2005. ISBN 3-8062-1679-7, Anm. 15 (S. 856).
  15. Grünewald: Die Römer in Worms, S. 85.

Koordinaten: 49° 38′ 16,8″ N, 8° 22′ 8,7″ O