Grafenau (Württemberg)
Grafenau ist eine Gemeinde im Landkreis Böblingen nahe den Städten Böblingen, Sindelfingen, Weil der Stadt und Calw.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 48° 43′ N, 8° 54′ O | |
Bundesland: | Baden-Württemberg | |
Regierungsbezirk: | Stuttgart | |
Landkreis: | Böblingen | |
Höhe: | 402 m ü. NHN | |
Fläche: | 13,04 km2 | |
Einwohner: | 6779 (31. Dez. 2023)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 520 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 71120 | |
Vorwahl: | 07033 | |
Kfz-Kennzeichen: | BB, LEO | |
Gemeindeschlüssel: | 08 1 15 054 | |
Gemeindegliederung: | 2 Ortsteile | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Hofstetten 12 71120 Grafenau | |
Website: | www.gemeindegrafenau.de | |
Bürgermeister: | Martin Thüringer | |
Lage der Gemeinde Grafenau im Landkreis Böblingen | ||
Geographie
BearbeitenGewässer
BearbeitenDurch Grafenau fließen die Schwippe, die Würm und der Altbach.
Gemeindegliederung
BearbeitenDie Gemeinde Grafenau besteht aus den ehemals selbständigen Gemeinden Dätzingen und Döffingen. Zur ehemaligen Gemeinde Dätzingen gehört das Dorf Dätzingen. Die ehemalige Gemeinde Döffingen umfasst das Dorf Döffingen sowie die Orte Burschelberg, Kapellenberg, Wenninger Höfe sowie die abgegangenen Ortschaften Hofstätten, Mietersheim, Welbingen, Stegmühle (vermutlich in Burschelberg aufgegangen).[2]
Schutzgebiete
BearbeitenGrafenau hat Anteil an zwei Naturschutzgebieten: dem Naturschutzgebiet Hacksberg und Steckental und dem Naturschutzgebiet Kasparsbrunnen-Ried-Binn. Diese sind eingebettet in das Landschaftsschutzgebiet Grafenau und sind Bestandteil des FFH-Gebiets Gäulandschaft an der Würm. Im Westen hat die Gemeinde zudem einen kleinen Anteil am FFH-Gebiet Calwer Heckengäu.[3]
Geschichte
BearbeitenBis zur Gemeindefusion
BearbeitenSowohl Döffingen als auch Dätzingen wurden erstmals 1075 urkundlich erwähnt. Seit dem 1. September 1972 bilden Döffingen und Dätzingen die Gemeinde Grafenau.[4]
Dätzingen
BearbeitenUrsprünglich gehörte der Ort den Grafen von Fürstenberg. Im 13. Jahrhundert geriet der gesamte Ort in den Besitz des Johanniter-/Malteserordens. Dätzingen bildete ab 1263 eine eigene Kommende und gehörte zum Großpriorat Deutschland des Johanniter-/Malteserordens, mit Sitz in Heitersheim. Die Reformation fand hier nicht statt. 1806 kam Dätzingen an das Königreich Württemberg und wurde dem Oberamt Böblingen zugeordnet.[5]
1850 hatte Dätzingen fünf evangelische und 640 katholische Einwohner, die in 86 Haupt- und 43 Nebengebäuden lebten und arbeiteten.[6]
Döffingen
BearbeitenDöffingen unterstand den Pfalzgrafen von Tübingen, fiel aber bereits im 14. Jahrhundert an Württemberg. Im Jahre 1388 fand hier die große Schlacht bei Döffingen (siehe auch Ulrichstein) statt, welche den entscheidenden Sieg der Landesfürsten unter Eberhard II. von Württemberg gegen die Freien Reichsstädte brachte und zum Landfrieden von Eger führte.[7] Nahezu ganz Döffingen wurde am 8. September 1634 von einem großen Feuer zerstört – jedoch schnell wieder aufgebaut.
Döffingen gehörte schon in altwürttembergischer Zeit zum Amt- und späteren Oberamt Böblingen. 1850 hatte Döffingen 1194 evangelische und 13 katholische Einwohner, die in 147 Haupt- und 124 Nebengebäuden lebten und arbeiteten.[6]
Verwaltungszugehörigkeit
BearbeitenBei der Kreisreform während der NS-Zeit in Württemberg gelangten Döffingen und Dätzingen 1938 zum Landkreis Böblingen. 1945 wurden beide Orte Teil der Amerikanischen Besatzungszone und gehörten somit zum neu gegründeten Land Württemberg-Baden, das 1952 im jetzigen Bundesland Baden-Württemberg aufging.
Einwohnerentwicklung
BearbeitenEs handelt sich um Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Die Zahlen sind Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg[8] (nur Hauptwohnsitze).
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Religion
BearbeitenWährend das Malteserordensgebiet Dätzingen katholisch blieb und die Dätzinger Kirchengemeinde St. Leonhard heute eine Seelsorgeeinheit mit der Kirchengemeinde St. Peter u. Paul in Weil der Stadt bildet und dem Dekanat Böblingen zugeordnet ist, wurde in Altwürttemberg und damit auch in Döffingen im 16. Jahrhundert die Reformation eingeführt. Die evangelische Kirchengemeinde gehört zum Kirchenbezirk Böblingen (siehe evangelische Kirchengemeinde Döffingen) der Evangelischen Landeskirche. Heutzutage gibt es auch eine neuapostolische Gemeinde im Ort.
Politik
BearbeitenGemeinderat
BearbeitenIn Grafenau wurde der Gemeinderat bis 2019 nach dem Verfahren der unechten Teilortswahl gewählt. Die unechte Teilortswahl wurde mit Ablauf der Amtsperiode des im Jahr 2019 gewählten Gemeinderats aufgehoben. Der Gemeinderat in Grafenau hat künftig 14 Mitglieder. Die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 führte zu folgendem Ergebnis.[9] Der Gemeinderat besteht aus den gewählten ehrenamtlichen Gemeinderäten und dem Bürgermeister als Vorsitzendem. Der Bürgermeister ist im Gemeinderat stimmberechtigt.
Parteien und Wählergemeinschaften | % 2024 |
Sitze 2024 |
% 2019 |
Sitze 2019 |
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FW | Freie Wähler Grafenau | 36,27 | 5 | 29,95 | 6 | |
CDU | Christlich Demokratische Union Deutschlands | 26,70 | 4 | 22,24 | 4 | |
GRÜNE | Bündnis 90/Die Grünen | 14,47 | 2 | 18,86 | 3 | |
SPD | Sozialdemokratische Partei Deutschlands | 9,60 | 1 | 12,22 | 2 | |
FDP | Freie Demokratische Partei | 8,40 | 1 | 8,57 | 2 | |
PARTEI | Die PARTEI | 4,55 | 1 | 8,16 | 2 | |
Gesamt | 100 | 14 | 100 | 19 | ||
Wahlbeteiligung | 65,74 % | 64,98 % |
Bürgermeister
BearbeitenVon 1972 bis 1996 war der spätere Ehrenbürger Ewald Bien (* 1940; † 2016) Bürgermeister von Grafenau, welcher bereits von 1966 bis 1972 Bürgermeister der damals noch selbstständigen Gemeinde Dätzingen war. Nachfolger von Ewald Bien im Amt des Bürgermeisters von Grafenau wurde 1996 Martin Thüringer. Er konnte 2020 seine vierte Amtszeit antreten.
Wappen
BearbeitenBlasonierung: „In Rot unter zwei schräg gekreuzten goldenen Heuliechern ein silbernes Johanniterkreuz.“[10] | |
Wappenbegründung: Während das Johanniterkreuz bereits das ehemalige Wappen des früheren Johanniterdorfes Dätzingen geziert hatte, waren die beiden Heuliecher – zeitweilig als Wimpel missverstandene landwirtschaftliche Werkzeuge – die Wappenfiguren von Döffingen gewesen. Nach der am 1. September 1972 erfolgten Vereinigung beider Orte zur neuen Gemeinde Grafenau, wurden mit Beratung durch die Archivdirektion Stuttgart auch deren wichtigste heraldische Symbole im Schild des neuen Gemeindewappens miteinander verbunden.
Das Wappen wurde der Gemeinde – gemeinsam mit der Flagge – am 25. April 1974 vom Innenministerium verliehen. |
Wappen der ehemals eigenständigen Gemeinden und heutigen Ortsteile
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Dätzingen
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Döffingen
Dätzingen: Unter silbernem Schildhaupt, darin eine liegende schwarze Hirschstange, in Rot ein silbernes Johanniterkreuz.[11]
Döffingen: In Gold zwei schräg gekreuzte rote Heuliecher.[12]
Gemeindepartnerschaft
BearbeitenGrafenau unterhält seit 2008 eine offizielle Partnerschaft mit Neckenmarkt im österreichischen Burgenland.[13]
Wirtschaft und Infrastruktur
BearbeitenVerkehr
BearbeitenGrafenau ist gut erreichbar über die Bundesautobahnen 8 und die 81. Die Anschlussstelle der A 81 ist etwa sieben Kilometer von Grafenau entfernt.
Es besteht ein Busanschluss der Linien 763 (Böblingen–Calw) und 766 (Böblingen–Weil der Stadt) von Regiobus Stuttgart sowie mit der Linie 749 (Ostelsheim–Grafenau–Sindelfingen) eines privaten Busunternehmens. Den Bahnhof Böblingen erreicht man mit den Bussen in etwa 15 Minuten.
Der nächste Bahnanschluss besteht über die Linie S 1 der S-Bahn Stuttgart an der Haltestelle Hulb in Richtung Stuttgart bzw. Herrenberg oder die Linie S 6 von Weil der Stadt in Richtung Leonberg und Stuttgart. Bis 1983 führte die Württembergische Schwarzwaldbahn an Dätzingen vorbei, der nächste Halt war jedoch erst im Nachbarort Schafhausen.
Nächstgelegener Flughafen ist der Flughafen Stuttgart.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
BearbeitenDenkmäler
Bearbeiten- Ulrichstein, 1888 in Erinnerung an den 500 Jahre zuvor dort gefallenen Kronprinzen Ulrich von Württemberg errichtet.
Gebäude
Bearbeiten- Malteserschloss Dätzingen
- Evangelische Martinskirche in Döffingen mit Chorturm aus dem 11./12. Jahrhundert
- Katholische Leonhardskirche in Dätzingen im Stil des Klassizismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts
- Kapellenbergturm, 1958/59 als Wasserturm errichtet
- Graf-Ulrich-Bau, 1936/1937 im Heimatschutzstil errichtete Turn- und Festhalle
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Schloss Dätzingen
Vereine
BearbeitenIn Grafenau gibt es viele Vereine, darunter aus dem Bereich der Musik die „Chorvereinigung Grafenau e.V.“[14] (bestehend aus dem ehemaligen Liederkranz, der auf den 1846 gegründeten Männergesangverein zurückgeht, und den Klangfarben), den Musikverein sowie die beiden HCs aus Döffingen und Dätzingen. Aus dem Bereich Sport den TSV, den Tennisclub. Einer der jüngsten Vereine ist die 1. Narrenzunft.
Über die Grenzen von Grafenau hinaus bekannt ist der 1975 gegründete Kulturkreis Grafenau, der in den Sparten Musik, Theater/Ausstellung und Heimatmuseum Konzert- und Veranstaltungsreihen rund um das Dätzinger Schloss organisiert.[15]
Schulen
BearbeitenDa Grafenau aus zwei Ortsteilen besteht, die früher selbständige Gemeinden waren, gibt es noch zwei eigenständige Schulen. So gibt es in Dätzingen eine Grundschule mit angeschlossener Kernzeitbetreuung, in Döffingen seit dem Schuljahr 2012/13 eine Gemeinschaftsschule (vormals Grund- und Werkrealschule), ebenfalls mit Kernzeitbetreuung.
Die Volkshochschule Böblingen/Sindelfingen betreibt in Grafenau eine Außenstelle.
Söhne und Töchter der Gemeinde
Bearbeiten- Georg von Morlok (1815–1896), geboren im Ortsteil Dätzingen, Architekt und Eisenbahningenieur
- Karl Hermann von Zeller (1849–1937), geboren im Ortsteil Döffingen, Jurist, Präsident des Konsistoriums und der Kirchenregierung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
- Franz Heinkele (1881–1950), geboren im Ortsteil Dätzingen, Tuttlinger Kommunalpolitiker
- Wolfgang Isenhardt (1941 in Pforzheim), langjähriger Dirigent der Chorvereinigung Grafenau (früher Liederkranz)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Statistisches Landesamt Baden-Württemberg – Bevölkerung nach Nationalität und Geschlecht am 31. Dezember 2023 (CSV-Datei) (Hilfe dazu).
- ↑ Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band III: Regierungsbezirk Stuttgart, Regionalverband Mittlerer Neckar. Kohlhammer, Stuttgart 1978, ISBN 3-17-004758-2. S. 81–83
- ↑ Daten- und Kartendienst der LUBW
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 447 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
- ↑ Dätzingen in der Beschreibung des Oberamts Böblingen von 1850
- ↑ a b Beschreibung des Oberamts Böblingen – Tabelle I.
- ↑ Döffingen in der Beschreibung des Oberamts Böblingen von 1850
- ↑ Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg von 1871 bis 2014 ( des vom 12. September 2014 im Webarchiv archive.today) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Wahlinformationen des Kommunalen Rechenzentrums Stuttgart
- ↑ Wappenbeschreibung (Grafenau) bei leo bw – landeskunde entdecken online; abgerufen am 2. Januar 2024
- ↑ Wappenbeschreibung (Dätzingen) bei „Heraldry of the World“; abgerufen am 2. Februar 2024.
- ↑ Wappenbeschreibung (Döffingen) bei „Heraldry of the World“; abgerufen am 2. Februar 2024.
- ↑ Partnergemeinde. Abgerufen am 11. August 2023.
- ↑ Chorvereinigung Grafenau e.V. Abgerufen am 16. November 2018.
- ↑ Aktivitäten des Kulturkreis Grafenau. Abgerufen am 18. November 2018.
Weblinks
Bearbeiten- Offizieller Internetauftritt der Gemeindeverwaltung Grafenau
- Johanniterkommende Dätzingen in der Datenbank Klöster in Baden-Württemberg des Landesarchivs Baden-Württemberg