Der Grand Prix de Picardie (auch Grand Prix automobile de Picardie; deutsch: Großer Preis der Picardie) war eine Automobilrennsportveranstaltung, die vom Automobile Club de Picardie zwischen 1925 und 1954 insgesamt 16-mal bei Péronne im Département Somme in Frankreich ausgetragen wurde.

Start zum Grand Prix de Picardie 1936

Die genutzte Strecke lag sechs Kilometer südlich von Péronne und hatte eine dreieckige Form. Sie wurde im Uhrzeigersinn befahren und bestand aus öffentlichen Straßen, die für die Rennveranstaltungen gesperrt wurden. Der Kurs führte durch die Gemeinden Mesnil-Bruntel, Mons-en-Chaussée und Brie, die jeweils die Eckpunkte bildeten. Start und Ziel sowie die Boxen befanden sich in Mons-en-Chaussée. Die Strecke hatte anfangs eine Länge von 9,62 km. Nach schweren Unfällen im Jahr 1933 wurde sie durch den Einbau von Schikanen ab 1934 auf 9,765 km verlängert.[1]

Geschichte

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Der Grand Prix de Picardie war nach dem Grand Prix de l’A.C.F. der zwischen den Weltkriegen am häufigsten abgehaltene Grand Prix Frankreichs.

In den Jahren 1925 und 1926 war das Rennen für Cyclecars ausgeschrieben. Von 1927 bis 1935 fanden Läufe für die Grand-Prix-Klasse statt. Von 1936 bis 1939 wurden beim Grand Prix de Picardie reine Voiturette-Rennen veranstaltet und bei der einzigen Auflage nach dem Zweiten Weltkrieg, die in Amiens stattfand, wurde ein Sportwagenrennen veranstaltet[2].

Im Jahr 1933 kamen bei zwei Unfällen, die sich unabhängig voneinander ereigneten, die beiden französischen Spitzenpiloten Louis Trintignant[3] und Guy Bouriat[4] ums Leben. Trintignant verunglückte während des Morgentrainings am Samstag, 20. Mai 1933. Er befuhr den Streckenabschnitt bei Mesnil-Bruntel mit Höchstgeschwindigkeit, als unvermittelt ein Gendarme die Strecke betrat. Bein Versuch auszuweichen, verlor er die Kontrolle über seinen Bugatti T35C. Der Wagen überschlug sich mehrmals, Trintignant wurde herausgeschleudert und war auf der Stelle tot. Bouriat verunglückte in der 16. Runde des am folgenden Sonntag, 21. Mai 1933 ausgetragenen Rennens. Er lag in seinem Bugatti T51 an zweiter Stelle dicht hinter seinem Landsmann Philippe Étancelin (Alfa-Romeo 8C 2300), der ihn kurz zuvor nach hartem Kampf überholt hatte. Bei der Überrundung des Schweizers Julio Villars stieß er mit dessen Wagen zusammen und verlor dabei die Kontrolle. Bouriats Bugatti kam von der Strecke ab, prallte mit etwa 150 km/h gegen einen Baum und fing sofort Feuer. Der Fahrer erlitt bereits durch den Aufprall tödliche Verletzungen. In der Kurve von Mons-en-Chaussée wurde ein Denkmal für die beiden verunglückten Piloten errichtet. 1934 wurden die langen Geraden der Strecke durch Schikanen entschärft.[5]

Rekordsieger ist mit drei Siegen der Franzose Philippe Auber. Der erfolgreichste Hersteller Bugatti feierte insgesamt sechs Siege beim Grand Prix de Picardie.

Statistik

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Ergebnisse

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Auflage Datum Klasse Sieger Zweiter Dritter Pole-Position Schnellste Rennrunde
I 28. Juni 1925 CC Sowjetunion 1923  Dritte Französische Republik  Boris Iwanowski[6] (B.N.C.-S.C.A.P.) unbekannt  Lemaitre (E.H.P.) unbekannt  unbekannt Dritte Französische Republik  Michel Doré (Sénéchal)
II 14. Juli 1926 CC Dritte Französische Republik  Albert Perrot (Salmson) unbekannt  Lottin (Sénéchal) unbekannt  Lemaitre (E.H.P.) unbekannt  unbekannt unbekannt  unbekannt
III 12. Juni 1927 1 GP Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) Dritte Französische Republik  Henri Tourbier (Panhard & Levassor) unbekannt  Lemaitre (E.H.P.) unbekannt  unbekannt Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti)
IV 10. Juni 1928 GP Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) Dritte Französische Republik  Robert Gauthier (Bugatti) unbekannt  Lienart (Bugatti) unbekannt  unbekannt Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti)
V 9. Juni 1929 GP Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) unbekannt  Bayssières (Oméga) unbekannt  Fort unbekannt  unbekannt Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti)
VI 18. Mai 1930 GP Dritte Französische Republik  Max Fourny (Bugatti) 2 unbekannt  Namont (Rally-S.C.A.P.) Dritte Französische Republik  Armand Girod (Donnet) unbekannt  unbekannt Dritte Französische Republik  Max Fourny (Bugatti)
VII 10. Mai 1931 GP Dritte Französische Republik  Ivernel (Bugatti) Dritte Französische Republik  André Vagniez (Bugatti) unbekannt  Tetaldi (Bugatti) unbekannt  unbekannt unbekannt  unbekannt
VIII 5. Juni 1932 GP Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin 3 (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Pierre Bussienne (Bugatti) Dritte Französische Republik  Jean Cattaneo (Bugatti) Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo)
VIII 21. Mai 1933 GP Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin 4 (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Raymond Sommer (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Marcel Lehoux (Bugatti) Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo)
IX 27. Mai 1934 GP Dritte Französische Republik  Benoît Falchetto 5 (Maserati) Dritte Französische Republik  Raymond Sommer (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Robert Brunet (Bugatti) Dritte Französische Republik  Raymond Sommer (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Benoît Falchetto (Maserati)
X 26. Mai 1935 GP Dritte Französische Republik  Robert Benoist (Bugatti) Vereinigtes Konigreich  Earl Howe (Bugatti) Dritte Französische Republik  Raymond Sommer (Alfa Romeo) Dritte Französische Republik  Robert Benoist (Bugatti) Dritte Französische Republik  Robert Benoist (Bugatti)
XI 21. Juni 1936 VO Thailand 1917  Prinz Bira (ERA) Vereinigtes Konigreich  Pat Fairfield (ERA) Vereinigtes Konigreich  Earl Howe (ERA) Thailand 1917  Prinz Bira (ERA) Thailand 1917  Prinz Bira (ERA)
XII 27. Juni 1937 VO Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA) Dritte Französische Republik  René Dreyfus (Maserati) Vereinigtes Konigreich  John Peter Wakefield (Maserati) Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA) Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA)
XIII 12. Juni 1938 VO Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA) Italien 1861  Ettore Bianco (Maserati) Italien 1861  Luigi Soffietti (Maserati) Thailand 1917  Prinz Bira (ERA) Thailand 1917  Prinz Bira (ERA)
XIV 11. Juni 1939 VO Vereinigtes Konigreich  John Peter Wakefield (Maserati) Dritte Französische Republik  Raymond Sommer (Maserati) Dritte Französische Republik  Marc Horvilleur (Maserati) Vereinigtes Konigreich  John Peter Wakefield (Maserati) Vereinigtes Konigreich  John Peter Wakefield (Maserati)
1940 bis 1953 Kein Grand Prix de Picardie.
XV 20. Juni 1954 SW[2] Frankreich  Jacques Pollet (Gordini) Niederlande  Hans Davids (Jaguar) Frankreich  Jean Estager (Maserati) unbekannt  unbekannt unbekannt  unbekannt
Legende
Abkürzung Klasse Kommentar
F1 Formel 1 Formel-1-Weltmeisterschaft ab 1950
F2 Formel 2
FL Formula libre Fahrzeugklasse in der Regel vom Veranstalter ausgeschrieben
SW Sportwagen
TW Tourenwagen
GP Grand-Prix-Fahrzeuge
↓ Durchgehende graue Linien zeigen an, wann in der Geschichte auf einem neuen Kurs gefahren wurde. ↓
Einträge mit hellrotem Hintergrund waren keine Läufe zur Automobil- bzw. Formel-1-Weltmeisterschaft.
Einträge mit gelbem Hintergrund waren Läufe zur Europameisterschaft.
1 
Gemeinsames Rennen für Formula Libre, Voiturettes und Cyclecars
2 
Voiturette
3 
Sieger des Voiturette-Rennens (1500 cm³): Dritte Französische Republik  André Vagniez (Bugatti T37A)
4 
Sieger des Voiturette-Rennens (1500 cm³): Vereinigtes Konigreich  Anne-Cécile Rose-Itier (Bugatti T51A)
5 
Sieger des Voiturette-Rennens (1500 cm³): Dritte Französische Republik  Louis Decaroli (Bugatti T37A)

Renndaten

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Auflage Datum Sieger Distanz Runden Siegerzeit Durchschnitts-
geschwindigkeit
I 28. Juni 1925 Sowjetunion 1923  Dritte Französische Republik  Boris Iwanowski[6] (B.N.C.-S.C.A.P.) 215,32 km 21 2:11.17,6 h 86,48 km/h
II 14. Juli 1926 Dritte Französische Republik  Albert Perrot (Salmson) 153,8 km 15 1:38.18 h 93,88 km/h
III 12. Juni 1927 Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) 193,1 km 20 2:02.00,0 h 94,97 km/h
IV 10. Juni 1928 Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) 193,1 km 20 1:58.44,6 h 97,57 km/h
V 9. Juni 1929 Dritte Französische Republik  Philippe Auber (Bugatti) 193,1 km 20 1:47.24,8 h 107,86 km/h
VI 18. Mai 1930 Dritte Französische Republik  Max Fourny (Bugatti) 213,463 km 22 2:00.00,0 h 98,68 km/h
VII 10. Mai 1931 Dritte Französische Republik  Ivernel (Bugatti) 215,233 km 22 2:00.00,0 h 107,61 km/h
VIII 5. Juni 1932 Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo) 241,32 km 25 1:55.43,6 h 125,12 km/h
VIII 21. Mai 1933 Dritte Französische Republik  Philippe Étancelin (Alfa Romeo) 195,3 km 20 1:20.36,2 h 136,89 km/h
IX 27. Mai 1934 Dritte Französische Republik  Benoît Falchetto (Maserati) 192,4 km 20 1:31.53,6 h 125,6 km/h
X 26. Mai 1935 Dritte Französische Republik  Robert Benoist (Bugatti) 390,6 km 40 2:59.48,2 h 130,3 km/h
XI 21. Juni 1936 Thailand 1917  Prinz Bira (ERA) 146,48 km 15 1:03.43 h 137,9 km/h
XII 27. Juni 1937 Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA) 146,475 km 15 59.47,6 min 147 km/h
XIII 12. Juni 1938 Vereinigtes Konigreich  Raymond Mays (ERA) 146,5 km 15 1:00.03,6 h 146,3 km/h
XIV 11. Juni 1939 Vereinigtes Konigreich  John Peter Wakefield (Maserati) 146,5 km 15 1:06.33 h 132,1 km/h
XV 20. Juni 1954 Frankreich  Jacques Pollet (Gordini) 177,813 km 60 1:34.3,2 h 113,41 km/h
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Commons: Grand Prix de Picardie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Leif Snellman: PÉRONNE (F). www.kolumbus.fi, 1. April 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. Juni 2020; abgerufen am 2. Mai 2017 (englisch).
  2. a b GP Picardie 1954. www.racingsportscars.com, abgerufen am 2. Mai 2017 (englisch).
  3. Louis Trintignant. www.motorsportmemorial.org, abgerufen am 2. Mai 2017 (englisch).
  4. Guy Bouriat. www.motorsportmemorial.org, abgerufen am 2. Mai 2017 (englisch).
  5. Leif Snellman: IX GRAND PRIX de PICARDIE. www.kolumbus.fi, 3. März 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. August 2020; abgerufen am 2. Mai 2017 (englisch).
  6. a b Iwanowski war gebürtiger Russe, befand sich aber seit der Oktoberrevolution im Exil in Frankreich

Koordinaten: 49° 55′ 59″ N, 2° 55′ 59″ O