Gustav Metzger
Gustav Metzger (geboren am 10. April 1926 in Nürnberg; gestorben am 1. März 2017 in London)[1][2] war ein staatenloser Künstler (Malerei, Fotografie, Installationen, Performances, Aktionen, Texte, Manifeste, politische Aktionen).
Leben
BearbeitenGustav Metzger wurde als jüngster Sohn orthodoxer Juden geboren.[3] 1939 wurden er und sein Bruder Max mit einem Kindertransport nach England vor den Judenverfolgungen in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus gerettet. Seine Eltern sah er nie wieder, sie kamen im Holocaust um.
Er studierte Kunst an der Cambridge School of Art in London – wurde in der Zeit stark geprägt vom Maler David Bomberg – und zog in eine Künstlerkommune nach King’s Lynn. Die Entwürfe, Gemälde und Zeichnungen aus dieser Zeit verpackte er, als er nach London zurückkehrte und sich fortan als künstlerischer und politischer Aktivist betätigte.[4]
Metzger wurde auch Mitglied der Campaign for Nuclear Disarmament.
Werk
BearbeitenMetzger war ein Vertreter der Aktionskunst. In seinem Werk thematisierte er das Destruktionspotential des 20. Jahrhunderts; speziell übte er Kritik am kapitalistischen System und am Kunstbetrieb. Er war Mitbegründer des Committee of 100 und demonstrierte gegen nukleare Waffen. 1959 veröffentlichte er sein erstes Manifest der autodestruktiven Kunst. Bekannt sind Metzgers Malereien mit Säure auf Vinylfolie, deren Reste am Keilrahmen hängen geblieben sind. Nach seinem Vortrag an einer Architekturschule wurde das Mobiliar durch die Studenten zerlegt.
Metzger war häufig Gast auf internationalen Konferenzen und Kongressen. Seine Veranstaltung DIAS – Destruction in Art Symposium gilt als eines der größten Künstlertreffen des 20. Jahrhunderts. Als einer der ersten Künstler rief Metzger 1977 zum „Art Strike“ auf, um gegen ein autoritäres Kunstsystem zu protestieren, das sich auf Markt und Museen fixiert.
Metzgers Kunst bezog sich auf Fluxus; er gilt als Erfinder der „Auto Creative Art“, „Auto Destructive Art“, „kinetischer Gemälde“ und „Historic Photographs“. 1999 realisierte er am Haus der Kunst in München die Arbeit „Travertin / Judenpech“, bei der er vor dem Gebäude des Hauses der Kunst auf 60 Quadratmeter eine Schicht Asphalt auslegte, der früher teilweise mit dem antisemitischen Ausdruck „Judenpech“ bezeichnet wurde. Travertin gehört zu den Materialien, die von den Nationalsozialisten in Bauprojekten eingesetzt worden sind. Die Installation bestand von März bis Juni 1999.[5]
Große Projekte konnte Metzger erst spät verwirklichen. Ab 1998 erlebte er die Wiederentdeckung seines Werkes und die Umsetzung vieler Projekte.
Ausstellungen
Bearbeiten- 1959: Monmouth Street, London
- 1960: Manifest der autodestruktiven Kunst
- 1962: ICA, London: „Fluxus“
- 1966: Organisation des DIAS – Destruction in Art Symposium, Teilnahme von Vertretern des Wiener Aktionismus und Künstlern der Fluxus-Bewegung, Dichter, Musiker und Psychologen, unter ihnen John Lennon und Yoko Ono, u. a. Stellungnahme zum Vietnamkrieg
- 1972: Documenta 5 in Kassel in der Abteilung Individuelle Mythologien
- 1998: Retrospektive Oxford Museum of Modern Art, Oxford
- 1999: Kunsthalle Nürnberg[6]; Spacex Gallery, Exeter
- 2002: Kunstmuseum Wolfsburg
- 2003: Biennale Venedig; Biennale Lyon; South London Gallery, London
- 2004: Tate Britain, London
- 2005: Generali Foundation, Wien
- 2006: In Memoriam: New Works, Kunsthalle Basel[7]
- 2007: Skulptur Projekte, Münster; Westfälischer Kunstverein, Münster
- 2009: Serpentine Gallery, London
- 2012: Documenta 13 in Kassel
- 2012: Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft Freiburg i. Br
- 2013: musée d’art contemporain, Lyon
- 2016: Mass Media. Today and Yesterday. Neues Museum Nürnberg[8]
- 2017: musée d’art moderne et d'art contemporain, Nice. Gustav Metzger. Remember Nature
- 2024: Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main[9]
Öffentliche Sammlungen
BearbeitenTrivia
BearbeitenPete Townshend, ein Student Metzgers am Ealing Art College, begründete die Zerstörungswut der englischen Band The Who mit Metzgers Konzept der Autodestruktiven Kunst.[10]
Ein Werk Metzgers in der Tate Britain, bestehend aus einen mit Papierschnipseln gefüllten Plastiksack, wurde 2005 von einer Putzfrau entsorgt.[11]
Publikationen
Bearbeiten- Damaged nature, autodestructive art. Coracle, London 1996, ISBN 0-906630-05-3 (Text: Gustav Metzger. Essays: Andrew Wilson, Clive Phillpot).
- Manifeste, Schriften, Konzepte. Schreiber, München 1997, ISBN 3-88960-040-9.
- Gustav Metzger. Ein Schnitt entlang der Zeit. (Ausstellung 24. Juni bis 12. September 1999 Kunsthalle Nürnberg). Verlag für moderne Kunst Nürnberg 1999
- Sabine Breitwieser (Hrsg.): Gustav Metzger. Geschichte Geschichte. (Ausstellung 11. Mai bis 28. August 2005 Generali Foundation, Wien). Hatje Cantz, Ostfildern 2005, ISBN 3-7757-1649-1 (Hatje Cantz), ISBN 3-901107-46-0 (Generali Foundation). (Literaturverzeichnis S. 285–301, Vorwort von Dietrich Karner, Einleitung von Sabine Breitwieser, Texte von Justin Hoffmann, Gustav Metzger, Kristine Stiles, Andrew Wilson, mit 35 Farb- und 150 s/w-Abbildungen).
- Tribute to Gustav Metzger. Kuratiert von Justin Hoffmann. 2 CD. BR Hörspiel und Medienkunst. intermedium records, München 2008, ISBN 978-3-939444-63-3.
- Gustav Metzger, Hans Ulrich Obrist: Gustav Metzger – Hans Ulrich Obrist. König, Köln 2008, ISBN 978-3-86560-498-9.
- Samuel Dangel, Sören Schmeling (Hrsg.): Gustav Metzger – Years without Art. modo, Freiburg im Breisgau 2012, ISBN 978-3-86833-101-1.
- Gustav Metzger, Act or Perish! – A Retrospective. Produzioni Nero, o. O. 2016, ISBN 978-88-97503-87-3.[12]
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Gustav Metzger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ulrich Weinzierl: Gustav Metzger, der letzte politische deutsche Künstler. Welt Online, 20. Juli 2005
- Gustav Metzger: Manifeste. Luftgangster, archiviert vom am 27. Mai 2010; abgerufen am 3. März 2017 (englisch).
- Jens Kastner: Zerstörung ist nicht schön. Jungle World, 21/2005, 25. Mai 2005
- Anna Artaker: Der Kunststreik als Kunstwerk. Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Wien, 1. April 2006
- Aequivalenz. Shattered Stones. Ein Projekt von Gustav Metzger im Rahmen von Skulptur Projekte Münster 07, archiviert vom am 28. September 2007; abgerufen am 3. März 2017.
- Materialien von und über Gustav Metzger im documenta-Archiv
- Gustav Metzger 1926–2017, DE. Profil auf Artfacts
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Künstler Gustav Metzger gestorben. dpa-Meldung auf Focus Online, 2. März 2017, abgerufen am 3. März 2017.
Mark Brown: Gustav Metzger, pioneer of auto-destructive art, dies aged 90, in: The Guardian, 2. März 2017, abgerufen am 2. März 2017 - ↑ Gustav Metzger Father of Auto Destructive Art dead. JNi Media-Meldung auf der Website von The Jewish Press, abgerufen am 3. März 2017 (englisch).
- ↑ Catrin Lorch: Der friedliche Attentäter. Abgerufen am 3. Juni 2021.
- ↑ Catrin Lorch: Gustav Metzger. In: Süddeutsche Zeitung. 16. April 2016, S. 24.
- ↑ siehe Gustav Metzgers: Travertin/Judenpech - Interventionen in die Architektur — Ausstellung, von 18.09.15 — 18.09.16 (Archiv der Ausstellungen), abgerufen am 7. Dezember 2018.
- ↑ Gustav Metzger. Ein Schnitt entlang der Zeit. Abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ In Memoriam: New Works • Kunsthalle Basel. Abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Gustav Metzger - Neues Museum Nürnberg. Abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Fluxus-Künstler Gustav Metzger im MMK Frankfurt. 25. August 2024, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ „Pete Townshend, der berüchtigte Gitarrenzertrümmerer“ der Rockband The Who, bezeichnet ihn als seinen „Lehrer“. Gustav Metzger. Geschichte Geschichte. Pressemitteilung der Generali Foundation auf kunstaspekte.de, Mai 2005, abgerufen am 3. März 2017.
- ↑ Sabrina Knoll: Versehentlich zerstörte Kunst: Kann das weg? In: Der Spiegel. 28. August 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 28. August 2024]).
- ↑ Gustav Metzger, Act or Perish! – A Retrospective. Buchvorstellung auf der Website des Nero-Magazins, abgerufen am 3. März 2017 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Metzger, Gustav |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Künstler |
GEBURTSDATUM | 10. April 1926 |
GEBURTSORT | Nürnberg |
STERBEDATUM | vor 2. März 2017 |
STERBEORT | London |