Gustav Otto (Flugzeugbauer)

deutscher Flugzeugbauer und Sohn des Erfinders des Ottomotors Nicolaus August Otto

Gustav Otto (* 12. Januar 1883 in Mülheim; † 28. Februar 1926 in München) war ein deutscher Flugzeughersteller und Unternehmer.

Gustav Otto (1910)

Biografie

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Gustav Otto mit einem AGO (Aeromotor Gustav Otto) Flugmotor (1909)

Gustav Otto kam 1883 als jüngstes von sechs Kindern in Köln-Mülheim zur Welt, seine Eltern waren Anna und Nicolaus Otto. Er absolvierte nach dem Besuch des Realgymnasiums ein Praktikum in einer Maschinenfabrik, dann studierte er Maschinenbau in Hannover, Karlsruhe und München, verließ die Hochschulen aber offenbar vor dem Examen. Bereits während seiner Studienzeit interessierte sich Otto für Automobiltechnik und nahm erfolgreich an verschiedenen Auto- und Motorradrennen teil.[1]

1909 gründeten Gustav Otto und Herbert Alberti die Firma Aeroplanbau Otto-Alberti und betrieben auf dem Flugfeld Puchheim eine Flugschule.[2] Sie erwarben mehrere Blériot-Eindecker, übernahmen die Alleinvertretung für Blériot-Apparate in Deutschland und die Repräsentanz der Mülhausener Aviatikwerke. Noch im selben Jahr war Alberti Mitbegründer der Akademie für Aviatik in Puchheim.[3] Während sich die Firma anfangs auf den Zusammenbau und die Reparatur der Blériot- und Aviatik-Apparate konzentrierte, erwies sich die Beschaffung geeigneter Flugmotoren als schwierig. Also entwarf und baute Otto mit dem Ingenieur Hans Geisenhof eigene Flugmotoren, die das Warenzeichen AGO (Aeromotor Gustav Otto) erhielten. Zeitgleich entstand ein Nachbau des Farman-Doppeldeckers, auf dem Otto am 4. Oktober 1910 die Fluglizenz Nr. 34 des Deutschen Luftfahrer-Verbands (DLV) nach den Regularien der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) erwarb. Er zählt somit zu den Alten Adlern.[4][5][6]

Mitinhaber Alberti verließ das Unternehmen im Frühjahr 1911, die Firma wurde in Gustav Otto Flugmaschinenwerke umbenannt. Aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse auf dem Puchheimer Flugfeld zog Gustav Otto mit seinem Flugmaschinenwerk und seiner Flugschule 1912 zum Münchener Oberwiesenfeld. Damals befand sich auf dem Truppenübungsplatz schon ein Landeplatz für Luftschiffe und Ballone, den Otto im Einvernehmen mit den bayerischen Militärbehörden nutzen konnte.[7][8] Otto produzierte anfangs nur im Auftrag verschiedener privater Auftraggeber, dazu gehörte ein Dreidecker nach einem Entwurf von Oscar Wittenstein, der noch in Puchheim entstand, aber nie flog. Auf dem Oberwiesenfeld baute Otto noch einen Eindecker für Wittenstein und setze einen Entwurf von Otto Lindpaintner um.[9] Gustav Ottos Chefkonstrukteur Gabriel Letsch entwarf 1912 einen Doppeldecker mit Gitterrumpf und hinten liegendem, 100 PS starkem Motor mit Druckschraube, den Otto privaten Interessenten, aber auch dem Militär anbot. Dabei nutzte Otto seine Kontakte zu den Militärbehörden und belieferte nach Aufstellung der Königlich Bayerischen Fliegertruppe im April 1912 in Schleißheim den Verband mit seinen Doppeldeckern.[10][11] Diese blieben bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges das Standardflugzeug der jungen bayerischen Fliegertruppe. Um auch in Preußen Aufträge zu bekommen, eröffnete Otto Anfang 1912 in Berlin-Johannisthal eine Filiale, die noch im selben Jahr zum Zweigwerk AGO Flugzeugwerke ausgebaut wurde und unter der Leitung der Direktoren Elisabeth Woerner und Hermann Fremery bald als eigenständiges Unternehmen florierte.[12]

Im Dezember 1912 heirateten Ada Haugg und Gustav Otto in München. Sie hatten sich auf einer Sportveranstaltung kennen gelernt, denn die zwanzigjährige Ada nahm erfolgreich an Regatten, Auto- und Motorradrennen teil.[13]

Otto unterstützte den Aufbau der Pfalz-Flugzeugwerke in Speyer und ließ dort ab Sommer 1914 Flugzeuge in Lizenz fertigen.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges erwiesen sich Ottos Flugzeuge als wenig kriegstauglich und wurden beim Militär nur noch für Schulungszwecke verwendet oder ausgemustert. Gustav Otto gelang es nicht, sich der raschen Entwicklung des Militärflugwesens anzupassen und leistungsfähigere Typen zu entwickeln, inzwischen machten ihm auch gesundheitliche Probleme zu schaffen. Sein Unternehmen Gustav Otto Flugmaschinenwerke ging Ende 1915 in Konkurs und musste den Flugzeugbau einstellen.

 
Werbung der Ottowerke (1916)

Die Rapp Motorenwerke GmbH übernahmen im Februar 1916 die Konkursmasse und fusionierten zunächst zur Bayerischen Flugzeugwerke AG (BFW). Ein Jahr später entstanden daraus die Bayerischen Motorenwerke.

Zusammen mit Bankdirektor Josef Schrittisser gründete Otto im Januar 1916 die Otto-Werke GmbH in München, bei der bis Kriegsende Zündkörper für Munition, Flugzeugtransportwagen und Flugzeugteile für andere Hersteller gefertigt wurden. Daneben führten die Ottowerke Neubauten und Reparaturen für die Luftverkehrsgesellschaft (LVG) aus.[14]

 
Die Otto-Werke in München um 1916

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entwickelten die Otto-Werke unter dem Namen „Flottweg“ ein Fahrrad mit Hilfsmotor. In den zwanziger Jahren wurden auch Motorräder hergestellt und ebenfalls unter dem Namen „Flottweg“ vertrieben. Otto gründete außerdem 1923 das Starnberger Automobilwerk „Otto-Werft“ zur Produktion von Land- und Wasserfahrzeugen. Von dem dort gebauten Luxuswagen Otto-Mercedes entstanden nur wenige Exemplare. In der Weimarer Republik konnte der Unternehmer Gustav Otto nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen, die nach Kriegsende einsetzende Inflation sorgte ebenfalls für finanzielle Engpässe. Zusätzlich brachten ihn gesundheitliche und familiäre Probleme in eine schwierige Situation. Seine Frau Ada ließ sich 1924 von ihm scheiden und verlor am 11. August 1925 unter ungeklärten Umständen ihr Leben.[15] Gustav Otto beging im Frühjahr 1926 im Alter von 43 Jahren Suizid.

Der ehemalige ADAC-Präsident Dr. Georg Josef Bruckmayer erwarb 1932 von den „Otto-Werken“ sämtliche Werkzeugmaschinen und die Rechte an dem geschützten Namen „Flottweg“. Nach Übernahme aller Verbindlichkeiten gründete Bruckmayer im März 1933 die Flottweg-Motoren-Werke.[16]

Eigenentwicklungen der Gustav Otto Flugmaschinenwerke

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Start eines Otto Doppeldeckers im Ersten Weltkrieg
 
Modell eines Otto Doppeldeckers in der Flugwerft Schleißheim

1916 wurden 13 Otto C.I an die bulgarischen Luftstreitkräfte geliefert, die an der Südfront in Mazedonien eingesetzt wurden.[17]

In der Flugwerft Schleißheim entsteht seit dem Jahr 2010 in Zusammenarbeit mit dem Werftverein[11] ein originalgetreuer und flugfähiger Nachbau eines „Otto Doppeldeckers Militärtyp 1913“.[10]

Siehe auch

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Literatur

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  • Gustav Goldbeck: Otto, Gustav. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 702 f. (Digitalisat).
  • Günter Kroschel, Helmut Stützer: Die deutschen Militärflugzeuge 1910–1918, Wilhelmshaven 1977.
  • Heinz Nowarra: Die Entwicklung der Flugzeuge 1914–18, München 1959.
  • Karl R. Pawlas: Deutsche Flugzeuge 1914–18, Publizistisches Archiv Pawlas, Nürnberg 1976, ISBN 3-88088-209-6.
  • Peter Pletschacher: Die Königlich Bayerischen Fliegertruppen 1912–1919, Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1978, ISBN 3-87943-576-6.
  • Hedwig Sensen: Gustav Otto – Pionier der bayerischen Luftfahrtindustrie in Texte und Materialien des Luftwaffenmuseums der Bundeswehr (Heft 4), Berlin-Gatow 2006.
  • G. Schmitt, W. Schwipps: Pioniere der frühen Luftfahrt, Gondrom Verlag, Bindlach 1995, ISBN 3-8112-1189-7.
  • Peter Supf: Das Buch der deutschen Fluggeschichte; Band 1: Vorzeit, Wendezeit, Werdezeit, Verlagsanstalt Hermann Klemm AG, Berlin 1935.
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Commons: Gustav Otto – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Gustav Otto – Pionier der bayerischen Luftfahrtindustrie. Der Werftverein, 30. Oktober 2004, archiviert vom Original am 7. August 2016; abgerufen am 6. Juli 2018 (Dokumentation zur Ausstellung).
  • Gustav Otto. In: BMW Geschichte. BMW AG, abgerufen am 6. Juli 2018 (Dossier im BMW-Archiv).
  • Firmengeschichte. Flottweg SE, abgerufen am 6. Juli 2018 (Firmengeschichte Flottweg).
  • Ausführliche Biografie

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Sabine Willner: Die Akademie für Aviatik und das Flugfeld Puchheim in Flugfeld Puchheim – Bayerns erster Flugplatz, Volk Verlag, München 2010, Seite 38 ff
  2. Dr. Herbert Alberti (1884–1926), Schriftsteller und Diplomat aus Bremen. Alberti unterstützte bereits die Brüder Focke. Vgl. Peter Supf: Das Buch der deutschen Fluggeschichte; Band 1, Verlagsanstalt Hermann Klemm AG, Berlin 1935, Seite 296 ff
  3. Im Gegensatz zu Alberti taucht Gustav Otto nicht im Mitgliederverzeichnis der Akademie für Aviatik auf.
  4. Vgl. Hedwig Sensen: Gustav Otto – Pionier der bayerischen Luftfahrtindustrie in Texte und Materialien des Luftwaffenmuseums der Bundeswehr (Heft 4), Berlin-Gatow 2006, Seite 17 ff
  5. Liste Alte Adler
  6. Willi Hackenberger: Die alten Adler. Pioniere der deutschen Luftfahrt. J. F. Lehmanns Verlag, München 1960, S. 94.
  7. Das Oberwiesenfeld wurde noch bis 1939 als Flugplatz genutzt, bis der Flugbetrieb in den neu eröffneten Flughafen München-Riem verlegt wurde. Seit 1972 befindet sich auf dem Gelände der Olympiapark.
  8. Vgl. Sabine Willmer, Seite 38
  9. Vgl. Sabine Willmer, Seite 38, Hedwig Sensen, Seite 29
  10. a b Otto-Doppeldecker. In: Sammlungen. Deutsches Museum – Flugwerft Schleißheim, abgerufen am 12. Dezember 2024.
  11. a b Peter Hanickel: Arbeitskreis Otto Doppeldecker. Militärtyp 1913. In: Der Werftverein. Verein zur Erhaltung der historischen Flugwerft, abgerufen am 23. November 2012.
  12. Vgl. Peter Supf, Seite 297
  13. Biografie Ada Otto (1892–1925)
  14. Zentrale Abnahmekommission (ZAK): Geschichte der Deutschen Flugzeugindustrie, Band II, Berlin 1918, Seite 164 ff
  15. Verschiedene Quellen gehen von Suizid aus, sie selbst gab kurz vor ihrem Tod zu Protokoll, ein Mann hätte sie überfallen und die Schüsse auf sie abgegeben. Vgl. AZ am Morgen, 1. September 1925
  16. Flottweg – Informationen zum Hersteller
  17. S. Semerdjiev: Eisernes Kreuz über Bulgarien, Klassiker der Luftfahrt, H. 3/2012, S. 54–59.