Gut Neuhof (Leihgestern)
Das Gut Neuhof ist ein ehemaliger Gutshof in der Gemarkung von Leihgestern, einem Stadtteil von Linden im Landkreis Gießen. Als klösterliche Gründung im 13. Jahrhundert erbaut gehört es zu den ältesten hessischen Hofgütern.
Lage
BearbeitenDas Anwesen liegt auf einer Anhöhe des Großenlindener Hügellandes ca. drei Kilometer südöstlich von Leihgestern und nordöstlich von Lang-Göns. 800 Meter südöstlich des Neuhofs liegt der etwa 1850 errichtete Ludwigshof. Neuhof ist umgeben von Feldern, Streuobstwiesen und einem kleinen Waldstück. Westlich unterhalb des Gutes fließt der Schafbach, ein Zufluss des Lückebachs, in nördlicher Richtung nach Leihgestern. Das Gehöft ist über die L3130 erreichbar.
Geschichte
BearbeitenKlosterhof
BearbeitenNach Goswin Freiherr von der Ropps Aufsatz Der Neuhof bei Leihgestern von 1894 wurde der Neuhof 1230 erbaut.[1] Kaminsky (2005) zweifelt das Datum jedoch an, da Ropp keine Quelle für seine Behauptung angibt.[2] Historische Namen sind Nuehof (nach 1285), Nuwin habe (1341), Nuwenhob (1343) und Nuwemhobe (1355).[3]
Augustiner
BearbeitenIm frühen 13. Jahrhundert als zweitem Hof der Augustiner vom Kloster Schiffenberg (1129 gestiftet) bei Leihgestern gegründet, wurde der Neuhof etwa 7 Kilometer südwestlich des Klosters als Klosterhof erbaut. Der Hof sollte das sichere und schnelle Einbringen der Ernte in den abgelegenen Feldern des Klosters sicherstellen. 1237 gewann das Kloster einen Weidestreit gegen Leihgestern, verpflichtete sich aber dazu „dass unser Stift auf ewig in der Kapelle in Leihgestern an drei Wochentagen den Gottesdienst versorgen wird“. In der Urkunde zum Weidestreit wird der Neuhof erstmals erwähnt,[4] und somit in der Zeit zwischen 1129 (Klostergründung) und 1237 (Urkunde) erbaut. Der geschlossene Besitzkomplex und die Größe des Neuhofs deuten darauf hin, dass das Gut auf gerodetem Land entstand.[5] Der Neuhof war der größte und erträglichste Einzelbesitz des Klosters. Eine Pachturkunde von 1307, die auf dem Neuhof überdauerte, bevor sie 2001 an das Stadtarchiv Gießen ging, betrifft den Stiftshof in Leihgestern, nicht den Neuhof.[6] Der Stiftshof wurde darin an die Brüder Hermann und Konrad von Aldendorf verpachtet. Die Pachtzeit betrug zwölf Jahre.[7]
Deutscher Orden
Bearbeiten1323 übernahmen die Deutschherren der Landkommende Marburg der Deutschordensballei Hessen das Kloster Schiffenberg und dessen Besitztümer von den Augustinern. Sie konnten die alten Güter und Rechte des Klosters halten und sogar vermehren. Die neuen Chorherren verpachteten das Gut mehrfach, jedoch nicht zu bäuerlicher Erbleihe, sondern meist auf sechs oder zwölf Jahre zu Landessiedelrecht. 1356 wurde der Mönchshof in Leihgestern an die Bauern Hermann Strube (Sohn von Hermann Allendorf) und Heinrich Stoppelbein verpachtet.[8] Unter den Deutschherren schwelte der Streit um die Nutzung der gemeinschaftlichen Leihgesterner Weiden- und Waldstücke (Allmende) weiter. Die Leihgesterner Bauern verweigerten den Pächtern des Neuhofs die Nutzung der Flächen, auf denen sie Brennholz sammelten, Bauholz schlugen und die Schweine mit Eicheln mässteten. Zwei „Kundschaften“, in Urkunden niedergeschrieben, berichten von den Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und den Bauern aus Leihgestern. Darin bezeugen ehemalige Landsiedel, dass sie während ihrer Pachtzeit die Allmende mitnutzten.[9][10] Da sich der Konflikt nur kurzzeitig beruhigte, versuchten die Deutschherren den Konflikt nun grundsätzlich in ihrem Sinne zu klären.
Am 2. Januar 1356 kam es auf Burg Gleiberg zu einem Schlichtungsspruch unter Graf Johann von Nassaus Amtmann Heinrich von Michelbach. Die Deutschherren versuchten ihre Ansprüche zu beweisen und beriefen sich auf eine Urkunde[11] die 1235 von Pfalzgraf Wilhelm von Tübingen ausgestellt worden sein soll. Die Urkunde, selbst ein Schiedsspruch zugunsten der Augustiner, war zwar nach 1285 auf dem Schiffenberg gefälscht,[12] und dem Pfalzgrafen Wilhelm untergeschoben worden. Die Deutschherren schafften es mit ihr jedoch ihre Sonderrechte zu behalten. In dem Rechtsstreit hatten die wohl nicht schriftkundigen Leihgesterner Bauern keine guten Aussichten. Heinrich von Michelbach und die Schöffen (Lehnsleute und Burgmannen) entschieden, dass die Deutschherren den Neuhof frei besitzen und für diesen Besitz niemandem Dienste schuldig sind. Die Privilegien der gefälschten Urkunde wurden bestätigt, so durften die Gutspächter mit der Getreideernte einen Tag vor den Leihgesternern beginnen und mit einem Flurschützen die Felder bewachen. Zudem solle der Schiffenberger Propst Mitspracherecht an allen wichtigen Leihgesterner Entscheidungen, insbesondere der Flurordnung, haben, und an allen Geschäften des Ortes beteiligt werden. Die gefälschte Urkunde ist die älteste Urkunde des Gießener Stadtarchivs,[13] die es 2001 erwerben konnte. Das Dokument reiht sich in eine Serie von sieben Schiffenberger Fälschungen ein mit denen sich die Stiftsherren durch Rückdatierung von Urkunden Rechtstitel sichern wollten, die sie wahrscheinlich nie innehatten oder deren Originale abhandengekommen waren.[14]
Der Historiker Arthur Wyss erkannte die Urkunde 1899 in seinem Hessischen Urkundenbuch als Fälschung und schreibt dazu:
„Auch nr. 1347 ist ein spruch des grafen Wilhelm von Tübingen zu gunsten des klosters Schiffenberg, diesmal in einem streit mit der gemeinde Leihgestern. Es ist ein werk desselben fälschers, der nur hier seiner hand einen einfacheren, derberen charakter gegeben hat; einzelheiten lassen die identität sicher erkennen. Von dem siegel, das an einem strang schmutziggelber garnfäden hing, liegen drei stücke abgefallen bei, darunter nur ein bestempeltes; es ist der gleiche stempel wie der an nr. 1346. Die besiegelungsformel und die zeugen bis auf drei sind aus einer echten, zwei jahre später datierten urkunde genommen, die gleichfalls Leihgestern betrifft (nr. 1348), die drei weiteren zeugen aus den echten urkunden des grafen Wilhelm von 1239 und 1245 (nr. 1349 und 1351). Füge ich noch bei, dass der fälscher den grafen auf die bereits besprochene fälschung nr. 1332, die erst lange nach 1235 entstanden ist, bezug nehmen und die wohl hundert jahre tote Clementia seine 'cara consanguinea' nennen lässt, so scheint mir das stück genügend gekennzeichnet. - Die fälschung, die, wie nr. 1346, bald nach 1285 entstanden sein mag, wird wohl ihren zweck erreicht haben. Der streit mit der gemeinde Leihgestern lebte aber später wieder auf. Die deutschen herren zu Schiffenberg als nachfolger der kanoniker stiessen bei behauptung der freiheit ihrer alten klostelgüter zu Leihgestem gleichfalls auf den widerspruch der gemeinde und beide teile brachten die sache vor den grafen von Nassau-Merenberg, Dieser beauftragte seinen amtmann zu Gleiberg mit der entscheidung, die am 2. januar 1356 zu gunsten der deutschen herren fiel, nachdem man die von ihnen vorgelegten briefe und privilegien - eben unsere fälschungen nr. 1332, 1346 und 1347 - wohl besehen und gelesen hatte.[15]“
1501 war der Neuhof 417 Morgen groß und erwirtschaftete ein Viertel des gesamten Getreides für Kloster Schiffenberg. Im Spätmittelalter unterhielt der Schiffenberg eine große Schafzucht zur Wollproduktion. Die Tiere wurden zum größten Teil auf dem Baumgartenhof sowie auf dem Neuhof gehalten.[16]
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt bedeutete die Reformation für die Niederlassungen des katholischen Deutschen Ordens in der Ballei einen Einschnitt. 1543 ließ der evangelische Landgraf Phillip das Deutsche Haus in Marburg besetzen und das Gut der Deutschherren inventarisieren mit dem Vorhaben den Besitz zu säkularisieren, so auch auf dem Schiffenberg und in Neuhof. Man inventarisierte in Neuhof das Haus den Pächters, ein Haus des Schiffenberger Komturs für Aufenthalte, Kuh- und Pferdeställe, Getreide- und Heuscheunen, ein Backhaus, eine Mühle an einem Teich („Kollers moln“) mit Müller, sowie drei Waldstücke, Eichwald („Oberheck“), Rodwald und Hinterwald. Der Landgraf konnte die Güter des Ordens jedoch nicht säkularisieren, nachdem sich der Kaiser zugunsten des Ordens eingeschaltet hatte.[17]
1559 bestätigt Kaiser Ferdinand dem Deutschen Orden (DO) verliehene Reichslehen, u. a. auch „zu Schiffenberg und zum Neuhof bei Leihgestern (Leitgestern) samt allen ihren Obrigkeiten, Gerechtigkeiten und Zugehörden. Er verbietet allen, den DO an dieser Ratifikation, Konfirmation und Verleihung zu hindern und setzt für Verstöße eine Strafe von 40 Mark lötigen Goldes fest, die halb des Reichs Kammer, halb dem DO zufällt.“[18]
1664 kam es zu einem Streit zwischen dem Leihgesterner Pfarrer und Kloster Schiffenberg. Der Schiffenberger Komtur Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau erlaubte den Bewohnern des Neuhofs einen Sonntag zu tanzen. Der Leihgesterner Pfarrer kam darauf hin mit Kirchenältesten zum Neuhof um den Tanz zu verhindern da die Erlaubnis gegen die Hessisch-Darmstädtische Kirchenordnung verstoße. Auf seine Anklage beim Komtur erhielt der Pfarrer die Antwort:
„Daß er ja wohl wissend, daß sich kein Edict weiter, als auf die Unterthanen (Scil. die Heßische) erstrecke, er Commenthur auch an seines Ordens Statuten, Kirchen-Ordnung genug habe, und der Heßischen nicht unterwürffig; Ingleichen &c. es wäre jedermann bewußt, daß Pfandung zu nehmen, und zu strafen, auf ermeldetem Hofe, seinem Orden allein zuständig, und fände er sich nicht wenig offendirt, daß der Pfarr dem Hof und Orden, seine uralte Gerechtigkeit zu benehmen, sich unterstanden, &c.[19]“
1668 wurde der Neuhof von dem Komtur Moritz von Nordeck zur Rabenau für neun Jahre an Johann Jakob verpachtet.[20]
Das Gefecht bei Grüningen 1762 im Siebenjährigen Krieg fand in unmittelbarer Nähe des Neuhofs statt.
Der reichsunmittelbare Stand des Ordens, dessen landeshoheitliche Besitzungen direkt dem Kaiser unterstellt waren, war bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Grund für Streitfälle. So listet der Staatsrechtslehrer Johann Jacob Moser (1701–1785) noch für die 1770er Jahre Prozesse zwischen Hessen-Darmstadt und dem Deutschen Orden über Kloster Schiffenberg und Neuhof wegen „zu Schiffenberg und Neuhof gewaltsam aufgesprengten Fruchtspeichers“ oder „zu Schiffenberg und Neuhof abgeholter Früchten“.[21]
Gut Neuhof wurde seitens der Landgrafschaft zum hessischen Amt Hüttenberg gerechnet.[22] 1803 fasste die Landgrafschaft ihre nördlich des Mains gelegenen Gebiete in dem Fürstentum Oberhessen (später: Provinz Oberhessen) zusammen, wo nun auch Gut Neuhof lag, 1806 wurde die Landgrafschaft zum Großherzogtum Hessen. Dieses führte 1821 eine Verwaltungsreform durch, in der das Amt Hüttenberg aufgelöst wurde. Übergeordnete Verwaltung war nun der Landratsbezirk Gießen,[23] zuständiges Gericht das Landgericht Gießen.[23]
Privatbesitz
BearbeitenBis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Gutshof an Bauern verpachtet. Im Zuge der Säkularisation wurde der Schiffenberg mit seinen Gütern bereits 1803 hessische Staatsdomäne und ging an die Stadt Gießen. Großherzog Ludwig, dessen Lande 1806 zum Großherzogtum Hessen erhoben worden war, vermachte das Gut 1809 an Georg Christian Rudolph Firnhaber von Eberstein, genannt Jordis, (1797–1848)[24], einen verdienten Offizier. Dieser wurde, wie sein Onkel Johann Conrad Firnhaber von Eberstein, Abgeordneter des hessischen Landtags. 1826 übernahm Georg den Adelstitel von seinem Onkel[25] und heiratete Claudine von Brentano (1804–1876), eine Nichte Clemens Brentanos, die auf dem Gut ein aktives gesellschaftliches Leben führte. Nach Firnhabers Tod heiratete Claudine in zweiter Ehe Freimund Johann von Arnim (1812–1863), einen Sohn von Bettina von Arnim. Die Tochter von Bettina und Achim von Arnim, Maximiliane von Oriola (1818–1894), verbrachte auf dem Gut oft ihre Ferien und schrieb 1845 in ihrem Tagebuch: „Eine lustige Zeit verlebten wir bei den Firnhabers auf dem Neuhof. Hier lernten wir auch den berühmten Professor Justus Liebig kennen, der uns nach Gießen zur Besichtigung seines Chemischen Laboratoriums einlud, das mir wie eine Zauberhöhle vorkam; er führte uns viel Erstaunliches vor, von dem ich aber nur wenig begriff.“ Hier erholte sie sich 1850 von den „jammervollen politischen Zuständen“, sie schrieb „Hier in dem stillen, weltfernen Frieden habe ich mich erholt“, und über den Gutsbesitzer Firnhaber „den Kopf immer so voll toller Geschichten, dass wir nicht aus dem Lachen heraus kamen, wenn wir in den Ferien auf dem Neuhof zu Besuch waren“.[26] 1851 verweilte Herman Grimm am Neuhof und schrieb an seine Mutter Dorothea.[27]
Georg von Firnhaber hinterließ 1848 die Firnhaber-von-Eberstein-Jordis-Stiftung und u. a. 5000 Gulden, die seine Frau zum Wohle der Gemeinde Leihgestern nutzen sollte. Zinsen des Stiftungskapitals sollten „zur Unterstützung hilfsbedürftiger Einwohner der Gemeinde Leihgestern“ Verwendung finden. 50 Gulden des Zinsertrags waren reserviert für „Verpflegung in Krankheitsfällen der bedürftigsten und der Unterstützung würdigsten Armen“. Der Rest des Ertrages war dafür vorgesehen, „unbemittelte in gutem Ruf stehende ältere Personen, männliche wie weibliche, verheirathete wie unverheirathete Einwohner der Gemeinde durch Geldspenden zu unterstützen“. Der Stiftungsvorstand aus örtlichen Honoratioren konnte weitere 6000 Reichsmark zu 5 % Zinsen an Bürger verleihen. 1881 lieh sich die Gemeinde für den Neubau des Schulhauses zu 4,5 % Zinsen 1614,29 Mark.[28]
1830 beschrieb Georg Wilhelm Justin Wagner, großherzoglicher Geometer, das Großherzogtum Hessen, darunter auch Neuhof: „Neuhof (Bez. Giessen) Hof; gehört zu Leihgestern. Bei der Anlage dieses Hofs, 1230, fanden Streitigkeiten statt. Er gehörte der Teutsch-Ordenskommende Schiffenberg.“[29] 1844 berichtete Julius Eugen Schlossberger von einem milchgebenden Schafsbock auf Gut Neuhof.[30]
1878 erwarb der Ökonomierat Karl Müller das Hofgut, das nun über 100 Jahre bis zu seinem Urenkel Carl Wolter Waydelin in Familienbesitz bleiben sollte. Karl Müller unterstützte bis in die Inflationszeit die Kleinkinderschule in Leihgestern finanziell und setzte so das soziale Engagement Firnhabers fort. Zu Weihnachten und zur Konfirmation unterstützte er bedürftige Familien aus Leihgestern mit Kleidung und Lebensmitteln.
1925 wurden bei Dränagearbeiten auf dem Wiesengelände am Schafbach Funde gemacht, die auf eine frühe intensive Viehzucht hindeuteten.[31]
Auf dem Neuhof arbeiteten und lebten bis zum Zweiten Weltkrieg bis zu 30 Familien. Da Gießen in den 1930er Jahren als Nachrichtenzentrale konzipiert war, wurde im Zweiten Weltkrieg rund um Gießen verstärkt Flakschutz aufgebaut. Die III. Abteilung des Flak-Regiments 111, mit Suchscheinwerfern und Horchgeräten ausgerüstet, stand auch am Neuhof (der Stab war auf dem Schiffenberg stationiert).[32] 1946, bereits kurz nach dem Krieg, fanden 22 Heimatvertriebene auf dem Neuhof eine Anstellung.[33]
1948 übernahm Arnold Scheibe als Direktor die „Abteilung für Pflanzenbau und Züchtungsbiologie“ im Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (Erwin-Baur-Institut) am Neuhof.[34][35] Der Deutsche Wetterdienst betrieb Versuchsflächen am Neuhof.[36] Die 12. Deutschen Pflugmeisterschaften 1970 fanden auf Gut Neuhof statt.[37][38] Der Turkologe Karl Klinghardt wohnte auf dem Gut Neuhof.[39]
Die Gutsbesitzerfamilie Waydelin übernahm 1997 eine ehemalige Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in Mecklenburg-Vorpommern.[40] Im Jahr 2000 wurde das Gut Neuhof geteilt und der bebaute und bewaldete Teil an die Familie Victoria verkauft, die 120 Hektar große landwirtschaftliche Nutzfläche an Herrn Müllermeister(†) aus Köln.
Architektur
BearbeitenDas Gut Neuhof ist als Sachgesamtheit mit den Gebäuden Nr. 6–16, 20–24 und 32–38 aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen als Kulturdenkmal ausgewiesen. Als besonders schützenswert gelten die Gebäude Nr. 12, 14 und 16. Das Gut besteht aus zahlreichen Wohn- und Nutzbauten, die in Form eines Vierseithofs zueinander angeordnet sind. Die Gebäude 6, 11, 13, 20, 22, 24, 32, 34, 36, 38 liegen um das vierseitige Hofgut herum an der Straße, die das Hofgut südlich und östlich umgibt, gehören jedoch noch zur Sachgesamtheit. Das Haus Nr. 38 an der Nordostseite zum freien Feld hin wurde zeitweise vom Max-Planck-Institut und der Universität Gießen genutzt.
Wohnhaus Nr. 12 mit angrenzender Scheune mit Durchfahrt teilt den Gutshof zum großen Teil und gibt ihm einen nördlichen und einen südlichen Innenhof. Das etwa in Ost-West-Richtung liegende großvolumige, breit und lang angelegte, Fachwerkwohnhaus stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist zweigeschossig. Es liegt unter einem großen Halbwalmdach und wird besonders durch die auf beiden Traufseiten auftretenden Zwerchgiebel mit Schopfwalmdach charakterisiert. Das Fachwerk erscheint regelmäßig konstruktiv und unverziert. Die Fenster sind vielfach zu Dreiergruppen zusammengefasst. Auf der Nordseite gelangt man über eine mittig liegende Tür ins Haus, die Südseite wird über einen zweiläufigen Treppenaufgang mit hölzerner Überdachung erschlossen. Beidseitig neben dem Treppenaufgang sind Kellertüren angebracht.
Auch die aneinanderliegenden Gebäude Nr. 14 und Nr. 16 an der Südseite des Hofes stammen aus dem 18. Jahrhundert. Die Fachwerkhäuser wurden jedoch im 19. Jahrhundert verändert. Zu den Veränderungen zählen das hohe Mansardenwalmdach, freiliegende Teile des Fachwerks, die Verschindelung an der Traufseite sowie der Erkervorbau am Eingang und dessen Verschindelung. Haus Nr 16. und das ehemalige Eishaus flankieren mit Torpfosten zu beiden Seiten die Einfahrt zum Hofgut.
Eine über vier Gebäudeteile verteilte Inschrift in den Balken an der Nordseite der Häuser 14 und 16 gibt Auskunft zur Erbauung:
„DISEN BAV HABEN SE IHROHOCHWVRDEN GNADEN DER HERR COMMANDVER VND
GENERAL G W VON HARDENBERG DVRCH DES HOHEN TEVTSCHEN R ORDENSVERWALTER
HERRN BOTT ZV SCHIFFENBERG VON MEISTER CHRISTOFF WALTER
ZU HAVSEN AVFFVHRN LASSEN IN ANNO CHRISTI DEN 9 IVNI 1773“
Als erhaltenswert gelten zudem die Pferdeschwemme mit Wappenstein im südlichen Innenhof, Haus Nr. 10, das ehemalige Brennhaus (Waschküche) am Kamin, die zahlreichen Wirtschaftsgebäude, der Torpfosten mit flachem Relief und einer Bekrönung aus Pinienzapfen an der Einfahrt, sowie der Baumbestand mit alten Eichen im Westen.
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Pferdeschwemme
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Brennhaus (Nr. 10)
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Wirtschaftsgebäude
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Torpfosten
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Baumbestand
Zur besseren Wasserzufuhr erhielt Gut Neuhof, das bis dahin vom Wasserhauses in Leihgestern versorgt wurde, 1950 ein eigenes Wasserhaus, etwa 300 Meter nordöstlich des Gutes.[41]
Im Jahr 1952 brach auf dem Hofgut ein Feuer[42] aus und vernichtete das Herrenhaus. Seitdem klafft in der südwestlichen Seite des Gehöfts eine Lücke. 1955 wurde ein Löschwasserteich fertiggestellt.[43]
Literatur
Bearbeiten- Johann Heinrich Feder: Historisch-diplomatischer Unterricht und gründliche Deduktion des hohen deutschen Ritterordens (etc.). 2. Auflage, Gaß, Stadt am Hof 1753, S. 25, 26, 28, 90, 93, 128, 172, 173, 181, 242.
- J. B. Rady: Geschichte der Klöster Schiffenberg und Cella. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsverein, NF 1, 1889, S. 1–48, S. 28, S. 30.
- Goswin Freiherr von der Ropp: Der Neuhof bei Leihgestern. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins 5, 1894, S. 148–150.
- Arthur Wyss: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 1: Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen: Bd. 2.: von 1300 bis 1359. Hirzel, Leipzig 1884.
- Arthur Wyss: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 1: Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen: Bd. 3.: von 1360 bis 1399. Hirzel, Leipzig 1899.
- Heinrich Walbe: Die Kunstdenkmäler des Kreises Gießen. Bd. 3. Südlicher Teil ohne Arnsburg. Hessisches Denkmalarchiv, Darmstadt 1933, S. 208f.
- Johannes Werner (Hrsg. und Bearb.): Maxe von Arnim. Tochter Bettinas / Gräfin Oriola, 1818-1894. Ein Lebens- und Zeitbild aus alten Quellen geschöpft. Koehler & Amelang, Leipzig 1937
- Wolfgang Müller: Die althessischen Ämter im Kreise Gießen. Geschichte ihrer territorialen Entwicklung, Schriften des Instituts für Geschichtliche Landeskunde von Hessen und Nassau 19, Elwert, Marburg 1940.
- Erich Karl Brückel: Leihgestern. Ein Heimatbuch zur 1150 Jahrfeier der Gemeinde Leihgestern. Verlag der Gemeinde Leihgestern, Leihgestern, 1955.
- Vom Klosterhof zum Großbetrieb. In: Gießener Allgemeine, 11. Juni 1955, S. 21.
- Leihgestern im Festglanz seines historischen Jubiläums. In: Gießener Allgemeine, 13. Juni 1955.
- Karl Friedrich Euler: Das Haus auf dem Berge. Die Geschichte des Augustinerchorherrenstiftes Schiffenberg (1129–1323). Sonderband des Oberhessischen Geschichtsvereins, 1984, S. 42–43
- Elke Seul: Alte Mühlen und Höfe in Mittelhessen. Band 1, Ferbersche Universitätsbuchhandlung, Gießen 1990, ISBN 978-3-922730-08-8.
- Xenia Pieper: Im Herbst wird zur Entenjagd geblasen. Der Gut Neuhof bei Leihgestern ist einer der ältesten Höfe Hessens. In: Heimat im Bild (Beilage zum Gießener Anzeiger), Biedenkopf 1991, H. 18.
- Katharina Schaal: Das Deutschordenshaus Marburg in der Reformationszeit. Der Säkularisationsversuch und die Inventare von 1543, Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 15, Elwert, Marburg 1996, ISBN 978-3-7708-1072-7
- Bettina von Arnim, Wolfgang Bunzel, Ulrike Landfester (beide Hrsg.): Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihren Söhnen. Band 2, Wallstein Verlag, 1999, ISBN 978-3-89244-240-0.
- Reinhard Kaufmann, Hans Heinrich Kaminsky: Ausstellung „Schiffenberger Urkunden“. Die älteren Schiffenberger Urkunden von „1235“ und 1307. In: Renate Becker: Festschrift 75 Jahre Heimatvereinigung Schiffenberg. Heimatvereinigung Schiffenberg, Gießen 2004, S. 154–162.
- Katharina Schaal: Das Deutschordenshaus Schiffenberg in der frühen Neuzeit Wohnkultur und Alltagsleben zwischen Reformation und Napoleon. In: Renate Becker: Festschrift 75 Jahre Heimatvereinigung Schiffenberg. Heimatvereinigung Schiffenberg, Gießen 2004, S. 33–59.
- Hans Heinrich Kaminsky: Leihgestern im frühen und hohen Mittelalter. In: Hans Joachim Häuser (Hrsg.): 1200 Jahre Leihgestern. 805–2005. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gießen 2005, ISBN 3-924145-42-3, S. 26–56.
- Steffen Krieb: Die Dorfgemeinschaft im Konflikt mit dem Deutschen Orden. In: Hans Joachim Häuser (Hrsg.): 1200 Jahre Leihgestern. 805–2005. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gießen 2005, ISBN 3-924145-42-3, S. 57–66
- Steffen Krieb: »Zum Besten der Gemeinde Leihgestern« Wohltätige Stiftungen für die Ortsarmen im 19 Jahrhundert. In: Hans Joachim Häuser (Hrsg.): 1200 Jahre Leihgestern. 805–2005. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gießen 2005, ISBN 3-924145-42-3, S. 105–109
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Karlheinz Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen II. Buseck, Fernwald, Grünberg, Langgöns, Linden, Pohlheim, Rabenau. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2178-7, S. 382–383.
- (gpb): Wo schon Bettina von Armin weilte, Gut Neuhof weist wechselvolle Geschichte auf – Besitzer wohltätig engagiert. In: Gießener Allgemeine, Nummer 62, 14. März 2015, S. 50.
- (gpb): Urkundenfälschung anno 1285. Als Leihgestern mit dem Schiffenberg im Clinch lag. Einblicke in die Neuhof-Geschichte. In: Gießener Allgemeine, Nummer 68, 21. März 2015, S. 53.
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Ropps (1894), S. 148
- ↑ Kaminsky (2005), Anm. 131, S. 53.
- ↑ „Neuhof bei Leihgestern“. Hessische Flurnamen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Wyss III, Nr. 1348, S. 325f.
- ↑ Krieb (2004), S. 65
- ↑ Kaminsky (2005): S. 47
- ↑ Wyss (1899): 1412 Die kanoniker zu Schiffenberg verpachten ihren hof zu Leihgestern auf zwölf jahre. 1307 dec. 31, S. 384
- ↑ Wyss II, Nr. 931, S. 620
- ↑ Wyss II, Nr. 732, S. 515; Nr. 733 S. 515f
- ↑ Krieb (2005), S. 61–62
- ↑ Wyss II, 1347. Graf Wilhelm von Tübingen schlichtet die bei gründung des Neuhofs entstandenen streitigkeiten zwischen dem stift zu Schiffenberg, welches für seinen hof zu Leihgestern gewisse rechte beanspruchte, und dieser gemeinde zu gunsten des stifts. 1235 jul. 25., S. 324
- ↑ Kaufmann, Kaminsky (2004), S. 156
- ↑ Das älteste Archivdokument ist eine Fälschung, 1. Juni 2008, Gießener Allgemeine
- ↑ Euler (1984): Schiffenberger Fälschungen des 13. Jahrhunderts, S. 1–2
- ↑ Wyss (1899): Abhandlung über die Schiffenbrger stiftungsurkunden und fälschungen, Kapitel 9, §27 Die urkunden pflazgrafs Wilhelms von Tübingen von 1229 und 1235 (nr.1346 und 1347) und eine urkunde landgrafs Heinrichs von Hessen von 1285 (nr.1366)., S. 449f. §2
- ↑ Schaal (2004), S. 36
- ↑ Schaal (2004), S. 37–40
- ↑ Kaiser Ferdinand (I.) bestätigt auf Bitten des Johann von Rehen (von Rahen), Landkomtur der Ballei Hessen, dem DO, dem Landkomtur der Ballei Hessen und den Komturen der Deutschen Häuser Marburg, Griefstedt (Griffstat) und Schiffenberg folgende durch Kaiser Karl V. dem Vorgänger von Rehens, Wolfgang Schutzbar gen. Milchling, verliehene Reichslehen, (Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, B 272 a U 10, 4. Juli 1559) (Urkunde online in der Deutschen Digitalen Bibliothek)
- ↑ Feder (1753), S. 172
- ↑ Krieb (2004), S. 65
- ↑ Johann Jacob Moser: Zusätze zu seinem neuen Teutschen Staatsrecht: darinn, nebst vilen ungedruckten, zum Theil sehr wichtigen, Urkunden und Nachrichten, von allen neuesten bekannten Teutschen (allgemeinen und besonderen) Staatsangelegenheiten hinlänglicher Bericht ertheilet wird, Band 2, 1782, S. 682
- ↑ L. Ewald: Beiträge zur Landeskunde. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik (Hg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Jonghaus, Darmstadt 1862, S. 54.
- ↑ a b Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (407–408) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ Firnhaber von Eberstein gen. Jordis, Georg Christian Ludwig. Hessische Biografie (Stand: 18. Januar 2014). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 28. März 2015.
- ↑ Nachfahrenliste Stephan Jordans, S. 13
- ↑ Werner (1937)
- ↑ Holger Ehrhardt (Hrsg.): Brüder Grimm. Werke und Briefwechsel. Kasseler Ausgabe. Briefe / Band 1: Briefwechsel der Brüder Grimm mit Herman Grimm (einschließlich des Briefwechsels zwischen Herman Grimm und Dorothea Grimm, geb. Wild), Kassel Berlin 1998, ISBN 3-929633-63-9
- ↑ Krieb (2005), S. 105–106
- ↑ Georg Wilhelm Justin Wagner: Nadelmühle-Neuhof, in: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen, Band 3, Leske 1830, S. 178
- ↑ Julius Eugen Schlossberger: Analyse der Milch eines Bocks, in: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, 1844, S. 439–43 doi:10.1002/jlac.18440510313
- ↑ Jahresbericht der Denkmalpflege im Volksstaat Hessen IVa, 1913–1928, Staatsverlag, Darmstadt 1930, S. 51
- ↑ Weltkrieg Bewegte Bilder und Radio versprechen Unbesiegbarkeit, Allgemeine Zeitung, 25. Juli 2014
- ↑ Vertreibung war Thema beim März-Monatstreffen ( vom 30. März 2015 im Webarchiv archive.today)
- ↑ Bernhard Brocke, Hubert Laitko: Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute, Walter de Gruyter, 1996, ISBN 978-3-11-080244-3, S. 636
- ↑ Röntgenstrahlen verändern Pflanzen. Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung im Dienste der Landwirtschaft, Gießener Allgemeine, 7. Juli 1954, S. 3
- ↑ K. Heger: Bestimmung der potentiellen Evapotranspiration über unterschiedlichen landwirtschaftlichen Kulturen, In: Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, Band 26 ( vom 18. Mai 2015 im Internet Archive), 1978, S. 26
- ↑ Deutsche Pflugmeisterschaft von Alfons Obermaier gewonnen.
- ↑ Bundesentscheid in den Landjugendwettbewerben ...., Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten [Mehrteiliges Werk], Teil: 1970. Am 22. u. 23. September 1970 in Hessen : Hauswirtschaftlicher Wettbewerb am 22. u. 23. September 1970 in der Landwirtschaftsschule Giessen ; 12. Bundesentscheid im Leistungspflügen am 23. September 1970 auf dem Gelände des Gutes Neuhof bei Leihgestern, Kreis Giessen, Bonn 1970
- ↑ Liste der Teilnehmer am Marburger Orientalistentag, Nachrichten über Angelegenheiten der D. M. Gesellschaft, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, 1950, Band 100, S. 8
- ↑ WÖDA, Geschichte
- ↑ Wasserversorgung, Historisches Wasserhaus in Leihgestern
- ↑ Riesige Sachwerte vernichtet, Gießener Allgemeine, 3. Oktober 1952, S. 3
- ↑ Leihgesterner Feuerwehr einsatzbereit, Gießener Allgemeine, 10. Februar 1955, S. 7
Weblinks
Bearbeiten- Neuhof, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 11. November 2014). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 28. März 2015.
- Auf den Spuren von Johann Wolfgang von Goethe und Prof. Justus von Liebig in Leihgestern. TSG Leihgestern
Koordinaten: 50° 31′ N, 8° 41′ O