HbA1c

Form des roten Blutfarbstoffs, an den Glucose gebunden ist (glykiertes Hämoglobin)
(Weitergeleitet von Hämoglobin A1c)

HbA1c (auch: HbA1c, Hämoglobin A1c) ist jener Teil des roten Blutfarbstoffs in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten), bei dem Glucose an eine bestimmte Aminogruppe des nativen Hämoglobins HbA0 gebunden ist. Dieser Anteil wird auch glykiertes Hämoglobin genannt. Der Anteil des HbA1c am Hämoglobingehalt des Blutes, der sogenannte HbA1c-Wert, entspricht dem Langzeit-Blutzucker, d. h. dem Blutzuckerniveau der letzten 8–12 Wochen, was in etwa der mittleren Lebensdauer der Erythrozyten entspricht.

Die blutzuckerabhängige Bindung von Glucose an das Hämoglobin A (Glykierung) findet ohne Enzyme statt (Amadori-Umlagerung; siehe Glykosylierung) und ist unumkehrbar.[1]

Einheiten

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Der HbA1c-Wert wird als prozentualer Anteil am Gesamthämoglobin angegeben, oder bezogen auf 1 Mol Hämoglobin (1 Mol Hämoglobin wiegt 64458 g)[2] in Millimol HbA1c pro Mol (mmol/mol).

Es existieren verschiedene Glykierungsprodukte, da es sich um eine unspezifische Reaktion handelt. Um die Messung weltweit zu standardisieren, hat eine Arbeitsgruppe der IFCC (International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) das HbA1c als das stabile Produkt einer Kopplung von Glucose an das N-terminale Valin der Beta-Kette des Hämoglobins A1 definiert.

Gebräuchlich ist nach wie vor eine Angabe in Prozent (%). Die nach Empfehlung der IFCC eingeführte internationale Einheit (SI-Einheit) ist mmol/mol Hämoglobin. Nach einer Richtlinie der Bundesärztekammer vom 1. April 2008 soll der HbA1c-Wert nun auch in dieser Einheit angegeben werden. Zur besseren Unterscheidung von der %-Angabe kann dieser Wert auch als HbA1cM bezeichnet werden. Die Umrechnungsformel lautet:[3]

 
 

Probengewinnung (Präanalytik)

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Das glykierte Hämoglobin HbA1c wird aus Vollblut bestimmt, das meistens EDTA als Antikoagulans enthält. Anforderungen an die Lagerung und Behandlung des Probenmaterials hängen vom verwendeten Analysensystem ab. Meist ist die Probe ein bis zwei Wochen bei 4 °C haltbar oder kann über mehrere Monate bei −20 °C gelagert werden.

Labordiagnostik

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Verschiedene Methoden stehen heute zur Messung des HbA1c-Wertes zur Verfügung, u. a. die Hochdruckflüssigkeitschromatografie (HPLC), die Thiobarbituratmethode, die Affinitätschromatografie, der Enzymimmunoassay und die Immunturbidimetrie. Jede Methode hat ihre eigenen Vor- und Nachteile.[4]

Normbereich und Interpretation

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Gemäß den Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) liegt der Normbereich bei unter 5,7 % bzw. 39 mmol/mol des Gesamt-Hämoglobins.[5]

Diabetes mellitus

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Seit 2010 empfiehlt die DDG das HbA1c zur Diagnose eines Diabetes mellitus. Sie erklärt dies durch eine Verbesserung der Messgenauigkeit, die durch eine internationale Standardisierung erreicht wurde, und bezieht sich bei den Diagnosewerten auf durchgeführte epidemiologische Untersuchungen der letzten Jahre. Demzufolge sei bei einem Wert von unter 5,7 % ein Diabetes mellitus ausgeschlossen, wohingegen ein manifester Diabetes mellitus ab 6,5 % besteht. Bei Ergebnissen zwischen 5,7 % und 6,4 % sei zur gesicherten Diagnose allerdings ein Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) durchzuführen. Ebenso sei der HbA1c-Wert zur Diagnose der Stoffwechselstörung nur dann geeignet, wenn nicht mit patientenspezifischen Einflussgrößen zu rechnen ist, die zu einer Verfälschung des Ergebnisses führen können.

So wird der HbA1c-Wert etwa bei Eisenmangelanämie falsch hoch gemessen, da in diesem Fall der Abbau der Erythrozyten verlangsamt ist.

Dahingegen können falsch niedrige Werte bei hämolytischer Anämie, Leberzirrhose, chronischer Niereninsuffizienz und erhöhter Neusynthese von Erythrozyten auftreten. Die Werte können auch nach einem stärkeren Blutverlust oder einer Bluttransfusion verfälscht sein. Die HPLC-Methode kann bei genetisch bedingten Störungen des Hämoglobins (z. B. Sichelzellanämie, Thalassämie) falsche Werte liefern.

Mittlerweile empfiehlt auch die American Diabetes Association (ADA) den HbA1c und die oben genannten Werte zur Diagnose bzw. Ausschluss eines Diabetes mellitus.[6]

Im Einzelfall kann die Bestimmung trotz NGSP-Standardisierung immer noch starke methodenabhängige Unterschiede zeigen. Es wird deshalb empfohlen, einen Patienten immer mit der gleichen Methode zu überwachen.

Das HbA1c wird bei Patienten mit Diabetes mellitus alle drei Monate gemessen. Das Ziel der Therapie besteht darin, dass der HbA1c-Wert unter 7 bis 8 % bleibt, um mögliche Spätfolgen dieser Erkrankung möglichst lange hinauszuzögern bzw. zu vermeiden.[7]

Umrechnungstabelle

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Für die Umrechnung des laborchemisch gemessenen HbA1c-Wertes in den zugrundeliegenden 3-monatigen Blutzucker-Mittelwert wurden verschiedene Formeln verwendet:[8]

 
 

Aufgrund einer relativ sicheren Datenbasis wurde 2008 von Nathan et al. eine relativ präzise Umrechnungsformel entwickelt:[9]

 

Folgende Tabelle zeigt die Umrechnung von HbA1c-Wert in den durchschnittlichen Blutzuckerwert nach Nathan et al. Die Zahlen der Tabelle sollten nur als grobe Anhaltspunkte dienen, da kurzfristige hohe Werte (z. B. nach dem Essen) zum Teil keine stabilen Bindungen eingehen (somit den Durchschnitt heben, den HbA1c-Wert jedoch nicht).

HbA1c (in %) HbA1c (in mmol/mol) mittlerer Blutzucker in mg/dl mittlerer Blutzucker in mmol/l
4,0 20 68 3,8
5,0 31 97 5,4
6,0 42 126 7,0
6,5 47 140 7,8
7,0 53 154 8,6
7,5 58 169 9,4
8,0 64 183 10,2
8,5 69 197 11,0
9,0 75 212 11,8
9,5 80 226 12,6
10,0 86 240 13,4
10,5 91 255 14,1
11,0 97 269 14,9
11,5 102 283 15,7
12,0 108 298 16,5
12,5 113,1 312 17,3
13,0 118,6 326 18,2

Neuerdings kann der HbA1c-Wert auch aus kontinuierlicher Glukosemessung (continuous glucose monitoring CGM) hochgerechnet bzw.geschätzt werden (estimated A1C); dabei sind aber teils erhebliche Abweichungen vom laborchemisch gemessenen HbA1c-Wert möglich.[10]

Zu- und Abnahme des HbA1c aufgrund von Änderungen des Blutzuckerniveaus

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Informationen über den Anstieg des HbA1c-Wertes bei Erhöhung des Blutzuckerniveaus sind in der Fachliteratur kaum zu finden; einer Mitteilung ist zu entnehmen, dass die maximale HbA1c-Anstiegsrate ca. 3 %-Punkte in 120 Tagen beträgt, d. h. ca. 0,025 %-Punkte pro Tag, bei Menschen mit Diabetes. Der HbA1c-Anstieg folgt der aktuellen Blutzuckererhöhung mit Verzögerung.[11] Die maximale HbA1c-Abnahmerate wurde bei Menschen mit Diabetes mellitus untersucht, bei denen es durch Behandlung zu einer abrupten und dauerhaften Blutzuckersenkung bis hin zur Blutzuckernormalisierung kam. Bei ihnen verringert sich ein erhöhter HbA1c-Wert maximal um ca. 0,1 %-Punkte pro Tag.[12][13] Die Verringerung/Normalisierung des HbA1c-Wertes folgt der aktuellen Blutzuckersenkung mit Verzögerung. Bei leichter dauerhafter Absenkung des Blutzuckerniveaus nimmt der HbA1c-Wert langsamer und in geringerem Umfang ab.

Starke, abrupte und dauerhafte Senkung eines lange Zeit stark überhöhten Blutzuckerniveaus (mit HbA1c-Senkung um mehr als 0,7 %-Punkte pro Monat) kann bei Menschen mit Diabetes eine bestehende diabetische Retinopathie akut verschlechtern (sogenanntes „early worsening of diabetic retinopathy“),[14][15] ebenso eine schmerzhafte diabetische Neuropathie.[16][17] In manchen dieser Fälle kann die Anhebung des Blutzuckerniveaus (und damit des HbA1c-Wertes) die Verschlechterung rückgängig machen.[11][18] Auch die Injektion eines VEGF-Hemmers (z. B. Bevacizumab) ins Auge kann eine Besserung bringen.[19]

Auswirkungen des HbA1c-Wertes auf die Diabetes-Therapie

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Mit einer routinemäßigen Überwachung des HbA1c-Wertes kann die Therapie einer insulinpflichtigen Diabeteserkrankung verbessert werden, wie eine Studie aus dem Jahr 1990 zeigte. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei der die Therapie nur anhand punktueller Glukose-Bestimmungen im Blut (Blutzucker) und im Urin ärztlich gesteuert wurde, änderten Ärzte mit Kenntnis der jeweiligen HbA1c-Werte von Patienten im Quartal ihre Therapieanweisungen häufiger und passten die Insulingabe öfters durch mehrfache tägliche Injektionen an. Damit sanken binnen eines Jahres die überhöhten HbA1c-Werte durchschnittlich um 0,6 Prozentpunkte von 10,1 % auf 9,5 %, Die Durchschnittswerte der Patienten in der Kontrollgruppe lagen bei 10,0 % und 10,1 %; nachdem aber im Folgejahr deren Ärzte ebenfalls in Kenntnis von HbA1c-Werten therapierten, erhöhte sich auch der Anteil mit mehrfachen Injektionen pro Tag und es kam zu einer ähnlichen Absenkung.[20][21]

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Einzelnachweise

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  1. Werner A. Scherbaum: Was die Werte HbA0 und HbA1c bedeuten. In: Deutsches Ärzteblatt. 24. April 2009, abgerufen am 7. Juli 2024.
  2. R. Zander, W. Lang, P. Lodemann: Das Molekulargewicht des Hämoglobins. In: Physioklin. Rolf Zander, abgerufen am 9. Juli 2024.
  3. Hans Reinauer, Werner A. Scherbaum: Diabetes mellitus: Neuer Referenzstandard für HbA1c. In: Dtsch Arztebl, 106(17), 2009, S. A-805 / B-686 / C-670
  4. R. Landgraf, M. Haslbeck: Laboruntersuchungen. In: Hellmut Mehnert, Eberhard Standl, Klaus-Henning Usadel, Hans-Ulrich Häring (Hrsg.): Diabetologie in Klinik und Praxis. 5. Auflage. Georg Thieme, Stuttgart 2003 (91-95 S.).
  5. Erwin Schleicher, Christian Gerdes, Astrid Petersmann et al.: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus: Update 2021. In: Diabetologie. 16 (Suppl 2), 16. Oktober 2021, S. S110–S118, hier: S. 112, doi:10.1055/a-1515-8638 (deutsche-diabetes-gesellschaft.de [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 18. November 2021]).
  6. Diagnose. Website der American Diabetes Association.
  7. Executive Summary: Standards of Medical Care in Diabetes--2010. In: Diabetes Care. Band 33, Supplement_1, Dezember 2009, S. S4–S10, doi:10.2337/dc10-S004 (diabetesjournals.org [abgerufen am 11. Juli 2011]).
  8. Curt L. Rohlfing et al.: Defining the Relationship Between Plasma Glucose and HbA1c. Diabetes Care, February 2002, vol. 25, no. 2, 275–278. PMID 11815495, doi:10.2337/diacare.25.2.275.
  9. D.M. Nathan, J.Kuenen, R.Borg, H.Zheng, D.Schoenfeld, R.J. Heine; Ac-derived Average Glucose Study Group: Translating the HbA1c assay into estimated average glucose values. In: Diabetes Care, 2008, S.,1473–1478; PMID 18540046
  10. Richard M. Bergenstal, Roy W.Beck, Kelly L.Close, George Grunberger, David B. Sacks, Aaron Kowalski, Adam S. Brown, Lutz Heinemann, Grazia Aleppo, Donna B. Ryan, Tonya D. Riddlesworth and William T. Cefalu.: Glucose Management Indicator (GMI): A New Term for Estimating A1C From Continuous Glucose Monitoring. In: Diabetes Care. Band 41, 2018, doi:10.2337/dc18-1581 (2275-2280 S.).
  11. a b E. Chantelau, R. Meyer-Schwickerath. Reversion of ‘early worsening’ of diabetic retinopathy by deliberate restoration of poor metabolic control. In: Ophthalmologica, 217, 2003, S. 373–377.
  12. E. Chantelau: Decay of haemoglobin A1c upon return to normoglycaemia.Letter. In: Diabetologia, 35, 1992, S. 191.
  13. M.E. Rech: Observations on the decay of glycated hemoglobin HbA1c in diabetic patients. In: Experimental and Clinical Endocrinology and Diabetes, 104, 1996, S. 102–105.
  14. E. Chantelau: Verschlechterung der Retinopathie nach Blutzuckerverbesserung – ein diabetologisches Paradox wird enträtselt. In: Diabetes & Stoffwechsel, 8, 1999, S. 177–181.
  15. Heike Elisabeth Schwarze: Wann ist eine Verschlechterung der diabetischen Retinopathie bei Blutzuckersenkung zu befürchten? Literaturübersicht und Darstellung eigener Fälle. Dissertation. Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2002. DNB 966170083
  16. C.H. Gibbons, R. Freeman: Treatment-induced neuropathy of diabetes: iatrogenic complication of diabetes. In: Brain, 138, 2015, S. 43–52.
  17. Kathrin Doppler, Claudia Sommer: Behandlungsinduzierte diabetische Neuropathie: rasche Glucosesenkung als Auslöser. In: Deutsches Ärzteblatt, 112, 2015, S. 33–34.
  18. William E.Jackson, Garrett S.Mitchell: Diabetic Macular Edema and Early Worsening- A Cruel Paradox. Abgerufen am 25. Januar 2023.
  19. Shueh Wen Lim, Peter van Wijngaarden, Colin A. Harper, Salmaan H. Al-Qureshi: Early worsening of diabetic retinopathy due to intensive glycemic control. In: Clinical & Experimental Ophthalmology, 2019, S. 265–273; doi:10.1111/ceo.13393
  20. ML Larsen, M Horder, EF Mogensen: Effect of long-term glycosylated hemoglobin levels in insulin-dependent diabetes. (PDF) In: New England Journal of Medicine 323. 1990, S. 1021–1025, abgerufen am 12. Februar 2020.
  21. C. L. Arfken, L. E. Schmidt, N. H. White, J. V. Santiago: Temporal trends in glycemic control of insulin treated patients with diabetes mellitus (DM). Abstract 460. In: Diabetes, 1992, 41/Suppl.1, S. 129 A