Eine Hafenstadt ist eine große Ansiedlung, die einen Hafen[1] am Meer, einem See oder Fluss hat, an dem Schiffe anlegen können. Durch die funktionale Spezialisierung unterscheiden sich Hafenstädte von Orten ohne Liegeplatz für Schiffe durch ein ständiges Kommen und Gehen von Menschen und Waren. Im Gegensatz zu Fischerdörfern zeichnen sich die Hafenstädte durch die dauerhafte Anwesenheit und den Einfluss von Fremden aus. Waren, Informationen und kulturelle Einflüsse werden hier ausgetauscht.[2]

Die Hafenstadt Brest (um 1800)

Geschichte

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Portugiesische Karte von Bombay (1639). Die Bucht dient als natürlicher Hafen.

Die ersten bekannten Hafenstädte waren vermutlich Sidon und Tyros. Anfangs wurden natürliche Buchten und Flussmündungen als Häfen verwendet und bildeten die Keimzelle für die Expansion der Städte. Hafenstädte wurden hier aufgrund der günstigen natürlichen Begebenheiten gegründet. Später folgte der Ausbau von Anlegestellen, Schutzbauten und Lager- und Handelsplätzen.[3] Waren Städte selbst zu weit vom Meer oder einem schiffbaren Fluss entfernt, gründete man Hafenstädte als Dependance. Delfshaven, Piräus und Bremerhaven sind Beispiele dafür.

Der Handel sorgte für wachsenden Wohlstand und damit zunehmenden politischen Einfluss, bis oft zu weitreichenden Eigenständigkeiten (zum Beispiel Hamburg, Danzig, Genua, Venedig).[2] Sie wurden immer wieder durch Bündnisse mit anderen Hafenstädten gesichert. So schlossen sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts Nord- und Ostseeraum Städte zur Hanse zusammen, um ihre wirtschaftlichen Interessen und ihre Handelswege zu schützen. Noch älter war das Bündnis der Cinque Ports. Der ständige Wechsel zwischen Kooperation und Konkurrenz verhinderte aber immer wieder, dass aus solchen Bündnissen feste politische Gebilde wurden.[2]

 
Der Hafen von Honolulu (1869)

Von anderen Hafenstädten aus, hinter denen die Macht eines Landes stand, wurden aber über den Seeweg Kolonien gegründet, die die Grundlage für Imperien wurden. Waren die griechischen Kolonien der Antike noch unabhängige Städte von Auswanderern, baute sich die Hafenstadt Karthago ein Reich auf, dessen Teile über den Seeweg verbunden waren. Lissabon, Sevilla, Amsterdam, Portsmouth und Marseille waren Ausgangspunkte der neuzeitlichen, europäischen Entdeckungsreisen und Eroberungen. Auf den anderen Kontinenten entstanden an geographisch geeigneten Orten neue Hafenstädte, als entsprechendes Gegenstück, oder wurden von den Kolonialmächten erobert. Dazu gehören zum Beispiel Hongkong, Rio de Janeiro, Bombay („gute Bucht“), New York, Dschibuti und Dili. In Japan beschränkte man 1639 den Handel mit der Außenwelt auf die Insel Dejima in der Bucht von Nagasaki.

 
Der alte Hafen von Dili (Osttimor)

Neben dem Handel entwickelten sich in den Hafenstädten eine Reihe von Dienstleistungen im Umfeld des Schiffverkehrs, so Werften und Betriebe für Schiffszubehör, Unterkünfte, Gastronomie und Rotlichtviertel, aber auch Hafenärzte oder die Hersteller von Kleidern und Schuhe fanden hier ihre Kunden. Aus der Herstellung und Weiterverarbeitung von Handelswaren entstanden industrielle Fertigungen, die vom Zugang zu Rohstoffen aus der ganzen Welt und Absatzmärkten jenseits des Meeres profitierten. Weitere Fertigkeiten, die in Hafenstädten an Bedeutung gewannen, waren die hoheitlichen Regelung von Zoll- und Steuerangelegenheiten und Gerichtsbarkeiten, die Streitfälle lösen und Verbrechen bekämpfen mussten.[2] Dies führte teilweise zur Aufstellung eigener militärischer Mittel, zum Beispiel zur Bekämpfung der Piraterie. Manche Hafenstädte betrieben die Freibeuterei aber auch selbst und wurden wie Saint-Malo zu Piratennestern. Der Abschluss von Handelsabkommen benötigte ebenfalls ein Verständnis komplexer Probleme.[2] Neben der politischen Absicherung durch exklusive Handelsverträge dienten auch Schiffsversicherer dazu, das finanzielle Risiko der Handelsschifffahrt zu minimieren.[2] Als Zollfreigebiet dienten Freihäfen, die von der Stadt abgetrennt wurden. Spezialisierungen von Häfen, wie etwa als reiner Marinestützpunkt (Kriegshafen), hatten auch Einfluss auf die jeweilige Hafenstadt.

Versandete der Hafen, führte das immer wieder auch zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt, bis hin zur Bedeutungslosigkeit. Dieses Schicksal traf zum Beispiel Brading und Doesburg. Ausbaggerungen und Vertiefungen sollen dem vorbeugen und auch die Zufahrt größerer Schiffe ermöglichen.

 
Betrunkene Seeleute in einer Hafenkneipe (ca. 1825)

Der Austausch von Wissen, Sprachen, Religionen und Ideologien förderte immer wieder das kulturelle Aufblühen von Hafenstädten. Die Verbindung zur Schifffahrt und die mit ihr verbundenen Tätigkeiten führten zu ausgeprägten lokalen Kulturen. Auch wenn moderne Einflüsse und der Verlust von vielen ausgelagerten Hafenfunktionen die Grundlagen dieser Kulturen zerstören, bleibt diese hafenstädtische Kultur als Teil einer postindustriellen Kultur- und Geschichtsindustrie bestehen. Sie findet ihre Verwertung heute als Touristenattraktionen. Schiffsparaden, Hafenfeste oder die Anlehnung an Symbole der Seefahrt in der modernen Architektur beim Guggenheim-Museum Bilbao oder der Elbphilharmonie in Hamburg sind Beispiele dafür. Alte Hafenviertel werden in Großprojekten, wie den Docklands in London oder Dublin, der Port Vell in Barcelona oder der Porto Antico in Genua, der Überseestadt in Bremen oder der Hafencity in Hamburg neu gestaltet.[2]

Als Sehnsuchtsort haben Hafenstädte ihren Eingang in zahlreichen Geschichten, Liedern und anderen Teilen der Kunst gefunden. Sei es die Sehnsucht nach der Ferne oder nach der Heimat. Ingmar Bergman drehte 1948 den Film „Hafenstadt“. „Einmal noch nach Bombay…“, ein Seemannslied aus dem Jahr 1938 zählt die Hafenstädte in der Ferne auf, mit der anschließenden Rückkehr nach Hamburg, dem Heimathafen.

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Commons: Hafenstädte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Duden.de: Hafenstadt, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  2. a b c d e f g Günter Warsewa: Die lokale Kultur der europäischen Hafenstadt Gemeinsames Erbe Europas, Bundeszentrale für politische Bildung.
  3. Wolfgang Wildgen: Visuelle Semiotik: Die Entfaltung des Sichtbaren. 2013, S. 256. (books.google.de)