Hagenmarkt-Apotheke
Die Hagenmarkt-Apotheke in Braunschweig wurde 1677[1] gegründet. Obwohl das ursprüngliche, aus dem späten 16. Jahrhundert stammende Apotheken-Gebäude im Zweiten Weltkrieg so stark beschädigt wurde, dass es 1949 abgerissen werden musste, wird die Apotheke noch heute am selben Standort im Weichbild Hagen auf der Nordseite des Hagenmarktes / Ecke Wendenstraße betrieben.
Geschichte
BearbeitenErste Apotheken bzw. Einrichtungen, die die üblichen Aufgaben einer Apotheke wahrnahmen, sind in Braunschweig seit dem Jahr 1300 bzw. kurz davor nachgewiesen.[2] 1479 gründete der Rat der Stadt die „Rats-Apotheke“ am Eiermarkt/Ecke Garküche.[3] Sämtliche bis dahin betriebene private Apotheken wurden offiziell abgeschafft, bestanden de facto aber teilweise als „Winkelapotheken“ weiter.[4] 1677, Braunschweig hatte ca. 22.500 Einwohner, folgte die Hagenmarkt-Apotheke als zweite „privilegierte“ Einrichtung in der Stadt. 1720 kam die Hof-Apotheke in der Schuhstraße 4 dazu und 1750 wurde schließlich die letzte Apotheke gegründet, die Aegidien-Apotheke am Ägidienmarkt 66, ab 1772 Stobenstraße 12. Ohne dass in der Folgezeit weitere Apotheken folgten, bestanden ausschließlich diese vier Einrichtungen bis 1889 in der Stadt. 1772 waren die ursprünglichen vier Apotheken in private Hände übertragen worden. Im Sommer 1864 wurde dieser Umstand per Gesetz wieder aufgehoben.[5] Erst nach 1889 kamen weitere Apotheken hinzu. Von den ursprünglichen vier bestehen heute noch zwei, die am Hagenmarkt und die Hof-Apotheke in der Schuhstraße.
Entstehungsgeschichte
Bearbeiten1677 erteilte Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel dem Apotheker Andreas Zacharias Happe[6] auf 15 Jahre das Privileg „cum spe succendi“ mit Befreiung von Abgaben und oneribus civicis et militaribus und dem Recht accisefreier Einfuhr aller Waren gegen 125 Taler Rekognition zur Eröffnung einer Apotheke in Braunschweig.[7]
Gebäude bis 1945
BearbeitenDas Gebäude Hagenmarkt 20 (Assekuranznummer 1409) wurde im 13. Jahrhundert zunächst als massiver Bau mit Steinen vom nahe gelegenen Nußberg[8] errichtet und erfuhr um 1590, wahrscheinlich von Augustin von Peine[9], dem Großen Bürgermeister des Hagen, eine umfassende Neugestaltung.[10] Nach Meier und Steinacker befanden sich im westlichen Hausteil Reste einer Kemenate.[11] Das Haus hatte zwei Eingänge, ein großes Renaissance-Portal auf der Wendenstraße, durch welches Fuhrwerke bis in einen Innenhof gelangten und ein kleines, von Wolter Hasemann aus Elmkalkstein[8] geschaffenes und nur für Fußgänger bestimmtes barockes Prunkportal auf der Marktseite. Dieses Portal hatte zwei Sitznischen, einen Wappenaufsatz und war mit Rollwerk verziert. Das abgebildete Wappen war das des Weichbildes Hagen: der Braunschweiger Löwe mit dem Katharinenrad.[12] Das große, reich mit Ohrmuschelwerk verzierte Tor aus dem Jahre 1639[13] stammte ursprünglich vom Hagenkeller und wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf der Wendenstraße eingebaut. Die Fenster hatten als Verzierung einen Perlstab.[14] Das dritte Geschoss bestand aus Fachwerk und hatte auf der Marktseite eine Breite von 18 Spann und auf der Seite Wendenstraße 17 Spann.
Gebäude seit 1951
BearbeitenDas alte Gebäude, in dem sich sowohl Hagenmarkt-Apotheke als auch die Bank befanden, wurde während des Zweiten Weltkrieges durch Bombenangriffe der britischen Royal Air Force (RAF) und der United States Army Air Forces (USAAF) so schwer beschädigt, dass die Ruine[15] ca. 1949 abgerissen wurde und 1951[9] ein moderner Neubau entstand, in dem sich die Apotheke seit August 1951 befindet. Lediglich das von Hasemann geschaffene Portal wurde gerettet und 1949/50[10] in die Nordfassade des ebenfalls schwer beschädigten Gewandhauses am Altstadtmarkt eingebaut, wo es sich noch heute befindet.
Apotheker bzw. Besitzer
Bearbeiten- Andreas Zacharias Happe [oder Hoppe][16] (* 1638; † 1698)[17] : 1677–1698, seine Witwe bis 1699
- Just Bertram Drögemöller († 1762)[17] ab 1699
- Wilhelm Christoph Renniger [oder Remminger][16] (* 1669; † 1745)[17]: 1712–1745
- Johann Friedrich Reichmann (* 1716?, 1752 entlassen)[18]: 1745–1752
- Conrad Heinrich Krohne (* 1709; † 1790)[18]: 1752–1790
- Justus Christian Heinrich Heyer (* 1746; † 1821)[19]: 1791–1817
- Justus Heinrich Christoph Mühlenpfordt (* 1779; † 1853)[19]: 1817–1835
- Johann Nicolaus Grote (* 1804; † 1874)[20][21]: 1835–1874
- Carl Grote (* 1838; † 1889)[22]: 1871–1889
- Robert Bohlmann (* 1854; † 1944, Familie Bohlmann seit 1889)[22]: 1889–1914
- Rolf Bohlmann (* 1886; † 1972): 1914–1944
(1944: Kriegszerstörung der Apotheke; 1951: Wiederbeginn im Neubau)
- Rolf Bohlmann (* 1886; † 1972) & Ursula Hahne *Bohlmann (* 1918; † 2006): 1951–1958
- Rolf Bohlmann (* 1886; † 1972) & Ursula Hahne *Bohlmann (* 1918; † 2006) & Wigand Bohlmann (* 1928): 1958–1972
- Ursula Hahne *Bohlmann (* 1918; † 2006) & Wigand Bohlmann (* 1928): 1972–1999
- Wigand Bohlmann (* 1928): 1999–2001
- Roland Bohlmann (* 1961): 2001–2016
- Michael Verhoeven (* 1980): seit 2017[23]
Lehrlinge und Mitarbeiter
BearbeitenIn der Hagenmarkt-Apotheke machten u. a. folgende Personen eine Lehre bzw. arbeiteten dort als Apotheker oder Apothekergehilfe:
- Heinrich Beckurts, späterer Apotheker, Chemiker und Hochschuldozent absolvierte seine Lehre dort[24]
- Ernst Hampe, späterer Bryologe, arbeitete dort um ca. 1824/25
- Philipp August Friedrich Mühlenpfordt, Neffe J. H. Chr. Mühlenpfordts und späterer Botaniker und Mediziner, ging zwischen 1819 und 1823 bei seinem Onkel in die Lehre
Literatur
Bearbeiten- Rolf Ahlers, Die Hagenmarkt-Apotheke – seit 340 Jahren. In: Braunschweigische Heimat 103 (1), 2017, S. 3–10.
- Dietrich Arends, Wolfgang Schneider: Braunschweiger Apothekenregister 1506–1673. In: Braunschweiger Werkstücke, Band 25, Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag, Braunschweig 1960.
- Gabriele Beisswanger Arzneimittelversorgung im 18. Jahrhundert: Die Stadt Braunschweig und die ländlichen Distrikte im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel. (= Braunschweiger Veröffentlichungen zur Geschichte der Pharmazie und Naturwissenschaften. Nr. 36), Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 1996.
- Hartwig Beseler, Niels Gutschow: Kriegsschicksale Deutscher Architektur – Verluste, Schäden, Wiederaufbau. Band 2: Süd, Wiesbaden 2000, ISBN 3-926642-22-X.
- H. Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild, Appelhans Verlag, Braunschweig 1928.
- Rudolf Fricke: Das Bürgerhaus in Braunschweig. In: Das deutsche Bürgerhaus, Band 20. Ernst Wasmuth, Tübingen 1975, ISBN 3-8030-0022-X.
- Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977, herausgegeben von der Hagenmarkt-Apotheke, Braunschweig 1977.
- Walther Kern (Hrsg.): Geschichte der Apotheken des Landes Braunschweig, Verlag Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig 1941.
- Walther Kern, Wolfgang Schneider (Hrsg.): Geschichte der Apotheken des Landes Braunschweig. Die Apotheke am Hagenmarkt. In: Veröffentlichungen aus dem Pharmaziegeschichtlichen Seminar der Technischen Universität Braunschweig, Nr. 2, Deutscher Apotheker Verlag 1959, ISBN 978-3-7692-0257-1.
- Paul Jonas Meier, Karl Steinacker: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig. 2., erweiterte Auflage, Braunschweig 1926.
- Norman-Mathias Pingel: Hagenmarkt-Apotheke. In: Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5, S. 59.
- Constantin Uhde (Hrsg.): Die Konstruktionen und die Kunstformen der Architektur, Band II: Der Holzbau, Berlin 1903.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 9.
- ↑ Dietrich Arends, Wolfgang Schneider: Braunschweiger Apothekenregister 1506–1673. S. 12.
- ↑ Werner Spieß: Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter. Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit 1491–1671. 2. Band, Braunschweig 1966, S. 567.
- ↑ Erika Hickel: Apotheken. In: Camerer, Garzmann, Schuegraf, Pingel (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon, Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5, S. 20.
- ↑ Rudolf Blasius (Hrsg.): Braunschweig im Jahre MDCCCXCVII. Festschrift den Theilnehmern an der LXIX Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. Meyer, Braunschweig 1897, (Digitalisat), S. 346.
- ↑ Ehren-Gedächtniß Auf den In seinem 61. Jahr seelig-verstorbenen Weyland berühmten und Hoch-Kunsterfahrenen Herrn Andreas Zacharias Happen/ Hochfürstl. Hof-Apotheker, (Leichenpredigt von 1698).
- ↑ Hermann Schelenz: Geschichte der Pharmazie, J. Springer 1904, S. 512.
- ↑ a b Dieter Diestelmann: Braunschweig – Ein verlorenes Stadtbild, Gudensberg-Gleichen 1993, ISBN 3-86134-111-5, S. 26.
- ↑ a b Pingel: Hagenmarkt-Apotheke. In: Camerer, Garzmann, Schuegraf, Pingel (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. S. 59.
- ↑ a b Rudolf Fricke: Das Bürgerhaus in Braunschweig. S. 156.
- ↑ Meier, Steinacker: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig.. S. 59.
- ↑ H. Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild, Appelhans Verlag, Braunschweig 1928, S. 28.
- ↑ H. Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild, Appelhans Verlag, Braunschweig 1928, S. 27.
- ↑ Meier, Steinacker: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig.. S. 69.
- ↑ Rolf Ahlers: Die Hagenmarkt-Apotheke – seit 340 Jahren. In: Braunschweigische Heimat. Band 103, Nr. 1, 2017, S. 8 (tu-braunschweig.de [PDF]).
- ↑ a b A. Eilers: Die Staatsapotheken in Braunschweig 1750–71. Denter & Nicolas, Berlin 1898, doi:10.24355/dbbs.084-200812160100-4, S. 6 (leopard.tu-braunschweig.de).
- ↑ a b c Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 7.
- ↑ a b Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 30.
- ↑ a b Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 44
- ↑ Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 54
- ↑ Johann Nicolaus Grote, Apotheker, Stadtrath. In: Braunschweigisches Adreß-Buch für das Jahr 1860. 47. Ausgabe, Druck und Verlag der Gebr. Meyer, Braunschweig 1860, S. 183.
- ↑ a b Erika Hickel: Apotheken, Arzneimittel und Naturwissenschaften in Braunschweig 1677–1977. S. 66.
- ↑ Die Mitarbeiter 2017
- ↑ Lutz Tantow: Heinrich Beckurts. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hahn, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 46.
Koordinaten: 52° 16′ 4,2″ N, 10° 31′ 27,4″ O