Hertevin-neuaramäische Sprache
Hertevin ist eine neuaramäische Sprache, die zum nordöstlichen Zweig des Ostaramäischen gehört (siehe Aramäische Sprachen). Es wurde ursprünglich im Ort Hertevin und einigen umliegenden Dörfern in der Siirt-Provinz im Südosten der Türkei gesprochen. Die meisten Sprecher – traditionell chaldäische Katholiken – sind im Zuge der Verfolgung und Verdrängung der aramäischen Christen im 20. Jahrhundert emigriert und leben verstreut in vielen westlichen Ländern. Nur wenige sind noch in der Türkei geblieben. Die Gesamtzahl der Sprecher wird heute auf 1.000 geschätzt.[1] Hertevin wurde erst 1970 vom deutschen Semitisten Otto Jastrow „entdeckt“[2] und zwei Jahre danach in einer Publikation beschrieben.
Hertevin | ||
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Gesprochen in |
Türkei; heute vor allem Westeuropa | |
Sprecher | 1.000 | |
Linguistische Klassifikation |
| |
Offizieller Status | ||
Amtssprache in | - | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 |
syr | |
ISO 639-3 |
hrt |
Sprachliche Besonderheiten
BearbeitenDer Ort Hertevin, nahe der Stadt Pervari[3] in der Provinz Siirt, liegt am nordöstlichen Rand des ostaramäischen Sprachgebiets, die Hertevin-Sprache ist somit ein peripheres nordostaramäisches Idiom, das sich in mancher Hinsicht anders als die verwandten Sprachen (Chaldäisch-Neuaramäisch, Assyrisch-Neuaramäisch) entwickelt hat. Samuel Ethan Fox erwähnt eine stärkere Nähe des Bohtan-Neuaramäischen in Georgien zum Hertevin-Aramäischen als zu jeder anderen Form des Neuaramäischen, was angesichts der geographischen Nähe nicht überraschend sei.[4]
Eine phonetische Besonderheit ist der Verlust des stimmlosen velaren Frikativs /x/, der mit dem stimmlosen pharyngalen Frikativ /ħ/ zusammenfiel. Im Bohtan-Neuaramäischen verlief die Entwicklung genau gegenteilig: der stimmlose pharyngale Frikativ fiel mit dem stimmlosen velaren Frikativ zusammen, so dass beide einheitlich als /x/ gesprochen werden, bei Hertevin-Neuaramäisch dagegen als /ħ/.[5] Ein anderes Merkmal ist die Ausprägung der Demonstrativpronomen. Zwar fällt wie bei den anderen ostaramäischen Sprachen das Nah- und Ferndemonstrativum („dieser“ bzw. „jener“) zusammen, Hertevin hat aber eine emphatische Form dieses Pronomens entwickelt, das die Bedeutung „genau dieser hier“ hat.
- Normales Demonstrativum: āwa (m.sg.), āya (f.sg.), āni (pl.)
- Emphatisches Demonstrativum: ōhā (m.sg.), ēhā (f.sg.), anhī (pl.)
Im Hertevin-Neuaramäischen findet keine Inkorporation von Pronominalobjekten statt.[6]
Alle Hertevin-Sprecher sind bilingual in Kurdisch (Kurmandschi). Zur Schreibung des Hertevin wird das syrische Alphabet benutzt, allerdings existieren keine Periodika und kaum Literatur. Als Kirchensprache wird das klassische Syrisch verwendet.
Literatur
Bearbeiten- Otto Jastrow: Personal and Demonstrative pronouns in Central Neo-Aramaic. In: Wolfhart Heinrichs (Hrsg.): Studies in Neo-Aramaic. (= Harvard Semitic Studies. 36). Scholars Press, Atlanta GA 1990, ISBN 1-55540-430-8, S. 89–103.
- Otto Jastrow: The Neo-Aramaic Languages. In: Robert Hetzron (Hrsg.): The Semitic Languages. (= Routledge Language Family Descriptions). Routledge, London 1997, ISBN 0-415-05767-1, S. 334–377.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Schätzung bei Ethnologue.
- ↑ Gideon Goldenberg: Aramaic Perfects. In: Joel L. Kraemer (Hrsg.): Israel Oriental Studies XII. E.J. Brill, 1992, ISSN 0334-4401, S. 129 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 11. August 2015]).
- ↑ Samuel Ethan Fox: A Neo-Aramaic Dialect of Bohtan. In: Werner Arnold, Hartmut Bobzin (Hrsg.): „Sprich doch mit deinen Knechten aramäisch, wir verstehen es!“ 60 Beiträge zur Semitistik. Festschrift für Otto Jastrow zum 60. Geburtstag. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-447-04491-8, S. 165 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 11. August 2015]).
- ↑ Samuel Ethan Fox: A Neo-Aramaic Dialect of Bohtan. In: Werner Arnold, Hartmut Bobzin (Hrsg.): „Sprich doch mit deinen Knechten aramäisch, wir verstehen es!“ 60 Beiträge zur Semitistik. Festschrift für Otto Jastrow zum 60. Geburtstag. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-447-04491-8, S. 166 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 11. August 2015]).
- ↑ Samuel Ethan Fox: A Neo-Aramaic Dialect of Bohtan. In: Werner Arnold, Hartmut Bobzin (Hrsg.): „Sprich doch mit deinen Knechten aramäisch, wir verstehen es!“ 60 Beiträge zur Semitistik. Festschrift für Otto Jastrow zum 60. Geburtstag. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-447-04491-8, S. 168 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 11. August 2015]).
- ↑ Geoffrey Khan: A Grammar of Neo-Aramaic: The Dialect of the Jews of Arbel (= Handbuch der Orientalistik. Band 47). Koninklijke Brill, Leiden 1999, ISBN 90-04-11510-2, S. 120 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 11. August 2015]).