Jan Alexandrowitsch Nepomnjaschtschi

russischer Schachspieler
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Jan Alexandrowitsch Nepomnjaschtschi Aussprache/? (russisch Ян Алекса́ндрович Непо́мнящий; wissenschaftliche Transliteration Jan Nepomnjaščij, Spitzname Nepo; * 14. Juli 1990 in Brjansk[1]) ist ein russischer Schachspieler. Er ist seit 2007 Großmeister. Bei der Schachweltmeisterschaft 2021 war er der Herausforderer von Weltmeister Magnus Carlsen und bei der Schachweltmeisterschaft 2023 spielte er gegen Ding Liren.

Jan Nepomnjaschtschi, 2018
Verband FIDE FIDE
Geboren 14. Juli 1990
Brjansk, Russland Russland
Titel Internationaler Meister (2004)
Großmeister (2007)
Aktuelle Elo‑Zahl 2755 (Dezember 2024)
Beste Elo‑Zahl 2795 (März 2023)
Karteikarte bei der FIDE (englisch)

Nepomnjaschtschi erlernte das Schachspiel bereits mit viereinhalb Jahren. Er ist in einer intellektuellen und literaturbegeisterten Familie aufgewachsen; sein Großvater Boris Nepomnjaschtschi war ein in Brjansk bekannter Lyriker. Nepomnjaschtschis erste Schachtrainer waren – neben seinem Onkel Igor Nepomnjaschtschi – Walentin Jewdokimenko sowie Meister Waleri Silberstein und Großmeister Sergei Janowski. Als Siebenjähriger war er bereits Spieler der 1. Kategorie, ein Jahr darauf Meisteranwärter.[2] Er gewann zahlreiche russische und internationale Jugendmeisterschaften. Unter anderem wurde er 2000 in Kallithea (Chalkidiki) Jugendeuropameister U10, 2001 an gleicher Stelle Sieger der Kategorie U12, in Peniscola 2002[3] verteidigte er seinen Titel. 2002 gewann er die Jugendweltmeisterschaft U12. 2003 gewann er ein Jungmeisterturnier in Kirischi vor Ildar Chairullin, Dmitri Andreikin und Maxim Matlakow. Ein Jahr später gewann er die russische Jugendmeisterschaft U18.

Im Jahr 2005 wurde er in Belfort Jugendweltmeister U16. Im Jahr 2006 qualifizierte er sich mit einem geteilten zweiten Platz in der ersten russischen Liga in Tomsk, einem Qualifikationsturnier für die russische Meisterschaft, erstmals für das Finale der russischen Meisterschaft, die im selben Jahr in Moskau ausgetragen wurde. Im Jahr 2007 wurde er Zweiter nach Michał Krasenkow, den er besiegte, beim Corus-C-Turnier in Wijk aan Zee. Im selben Jahr gewann er erneut das Jungmeisterturnier von Kirischi (nach Wertung vor Rauf Məmmədov, Parimarjan Negi und Sawen Andriasjan).[4] 2007 verlieh ihm die FIDE den Großmeistertitel.

 
Jan Nepomnjaschtschi, Dortmund 2008

Sein bis dahin größter Erfolg war im Februar 2008 der Sieg beim Aeroflot Open in Moskau. Er erzielte 7 Punkte aus 9 Partien und wurde alleiniger Erster vor Alexander Motyljow und Alexei Drejew. Sein Sieg erbrachte ihm auch eine Einladung zu den Dortmunder Schachtagen 2008, einem der weltweit angesehensten Eliteturniere, bei dem er den geteilten 2. Platz belegte.[5] Kurz darauf gewann er eines der weltgrößten Open, die Chess Classic in Mainz. Mit diesem Sieg durfte er 2009 um die Schnellschach-Weltmeisterschaft spielen, bei der er im Finale mit 1:3 gegen Lewon Aronjan unterlag. Im März 2010 gewann er in Rijeka die Europameisterschaft mit 9 Punkten aus 11 Partien. Im Dezember 2010 wurde er nach Stichkampf gegen Sergei Karjakin russischer Landesmeister. Bei der FIDE-Schnellschach-Weltmeisterschaft im Juni 2013 in Chanty-Mansijsk wurde er hinter Şəhriyar Məmmədyarov Zweiter. Bei der Blitzschach-Weltmeisterschaft im Juni 2014 in Dubai errang er hinter Magnus Carlsen die Silbermedaille. Im Juli 2018 gewann er mit 5 Punkten aus 7 Partien erstmals die Dortmunder Schachtage. Im Dezember 2020 gewann er in Moskau zum zweiten Mal die Landesmeisterschaft.

Über den FIDE Grand Prix 2019 qualifizierte er sich für das Kandidatenturnier 2020, das er nach der Wiederaufnahme vorzeitig am 26. April 2021 mit 8½ Punkten aus 14 Partien gewann.

Die auf das Kandidatenturnier 2020 folgende Schachweltmeisterschaft 2021 verlor er klar gegen den Titelverteidiger Magnus Carlsen mit 3,5:7,5.[6]

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 unterschrieb er einen an Wladimir Putin gerichteten offenen Brief mit der Aufforderung, den Krieg zu beenden. 44 namhafte russische Schachspieler bekundeten darin „Solidarität mit den Menschen in der Ukraine“.[7] Knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn beschrieb er seine Haltung in einem Interview mit der Zeit mit „Das ist eine Tragödie. Viele Menschen sind getötet worden, Ukrainer wie Russen. Zugleich bin ich ein russischer Staatsbürger und wünsche meinem Land das Beste.“[8]

Das Kandidatenturnier in Madrid 2022 gewann er eine Runde vor Ende mit einem Remis gegen Richárd Rapport.[9] Wegen des Verbots der russischen Flagge bei FIDE-Turnieren in Folge des Ukraine-Überfalls spielte er dabei unter der Flagge der FIDE. Bei der anschließenden Schachweltmeisterschaft 2023 verlor er das Match im Tie-Break gegen seinen chinesischen Kontrahenten Ding Liren.[10]

Als letztjähriger Unterlegener der Schachweltmeisterschaft war er automatisch für das Kandidatenturnier zur Schachweltmeisterschaft 2024 qualifiziert, das er mit einem halben Punkt Rückstand auf den Sieger Gukesh abschloss. Teil seines Unterstützungsteam war der deutsche Bundestrainer Jan Gustafsson.

Elo-Entwicklung[11]
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Nationalmannschaft

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Nepomnjaschtschi nahm an der Schacholympiade 2010 mit der zweiten russischen Mannschaft und an der Schacholympiade 2014 mit der russischen Mannschaft teil. Er erreichte 2010 am ersten Brett und 2014 am Reservebrett jeweils das drittbeste Einzelergebnis.[12][13] Er nahm außerdem an den Mannschaftsweltmeisterschaften 2011 und 2013 teil. 2013 gewann er mit Russland, 2011 erreichte er am dritten, 2013 am vierten Brett das beste Einzelergebnis.[14] An der Mannschaftseuropameisterschaft nahm er 2011 und 2015 teil, er gewann diese 2015 mit Russland und erreichte gleichzeitig das drittbeste Ergebnis am vierten Brett.[15]

In der russischen Mannschaftsmeisterschaft spielte Nepomnjaschtschi 2006 für Tomsk-400, mit denen er im gleichen Jahr den European Club Cup gewann[16], 2007 für Elara Tscheboksary, 2008 und 2009 für SchSM-64 Moskau, 2010 für Ural Jekaterinburg, 2011 und 2012 für Ekonomist-SGSEU-1 Saratow sowie 2013 und 2014 für SchSM-Nasche Nasledije Moskau[17].

Literatur

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Ins Deutsche übertragen bedeutet der russische Name Nepomnjaschtschi so viel wie „Derjenige, der sich nicht erinnert“.[18]

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Commons: Jan Nepomnjaschtschi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Zentralnyj Jewrejski Resurs Sem40 (russ.) (Memento vom 17. Juli 2014 im Internet Archive)
  2. Biographische Angaben gemäß Анна Рудницка – Ход за Яном (russ.)
  3. Jörg Schulz: Europameisterschaft U10–U18. JugendSchach Ausgabe 9/2002, S. 4–14 (Bericht, Tabellen, Fotos und Partien).
  4. Turnierergebnisse 2000–2007 gemäß Chessbase Megabase 2008
  5. Sparkassen Chess Meeting 2008 im Dortmunder Schauspielhaus auf TeleSchach
  6. André Schulz: Schachweltmeisterschaft: Magnus Carlsen gewinnt WM-Kampf vorzeitig. In: chessbase.com. 10. Dezember 2021, abgerufen am 1. Juli 2022.
  7. Sam Copeland (SamCopeland): ‚Stop the war.‘ 44 Top Russian Players Publish Open Letter To Putin. Abgerufen am 27. März 2022 (amerikanisches Englisch).
  8. Ulrich Stock: Jan Nepomnjaschtschi: „Körperlich war alles okay, aber mein Gehirn war überhitzt“. In: zeit.de. 21. Februar 2023, abgerufen am 21. Februar 2023.
  9. Peter Doggers: Ian Nepomniachtchi hat das Kandidatenturnier 2022 gewonnen. Abgerufen am 4. Juli 2022.
  10. Jack Rodgers: Ding Liren ist neuer Schachweltmeister. In: chess.com. Abgerufen am 2. Mai 2023.
  11. Zahlen gemäß Elo-Listen der FIDE. Datenquellen: fide.com (Zeitraum seit 2001), olimpbase.org (Zeitraum 1971 bis 2001)
  12. Jan Nepomnjaschtschis Ergebnisse bei Schacholympiaden auf olimpbase.org (englisch)
  13. Brettpreise bei der Schacholympiade 2014 auf chess-results.com
  14. Jan Nepomnjaschtschis Ergebnisse bei Mannschaftsweltmeisterschaften auf olimpbase.org (englisch)
  15. Jan Nepomnjaschtschis Ergebnisse bei Mannschaftseuropameisterschaften auf olimpbase.org (englisch)
  16. Jan Nepomnjaschtschis Ergebnisse bei European Club Cups auf olimpbase.org (englisch)
  17. Jan Nepomnjaschtschis Ergebnisse bei russischen Mannschaftsmeisterschaften auf olimpbase.org (englisch)
  18. Westfälische Nachrichten vom 27. April 2021 und faz.net vom 28. April 2021, jeweils eingesehen am 30. April 2021.