Informationsgesellschaft

Gesellschaftsmodell, das auf Informations- und Kommunikationstechnologien basiert

Der Begriff Informationsgesellschaft bezeichnet eine Gesellschaft, die sich in allen Lebensbereichen auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wesentlich stützt. Der Prozess der Durchdringung sämtlicher vitaler Sphären mit IKT, durch den sich eine postindustrielle oder postmoderne Informationsgesellschaft bildet, wird als Informatisierung bezeichnet.[1] Der Begriff Informationsgesellschaft ist nicht starr definiert und wird oft mit dem Begriff der Wissensgesellschaft zusammen – oder gar synonym – verwendet.

Nachrichten treffen ein, werden sortiert, bewertet und bearbeitet. Newsroom in der Redaktion von Radio Free Europe in München, 1994

Kennzeichnend ist neben der Durchdringung mit IKT die Veränderung der Produktionsformen durch Entstehung neuartiger Branchen und Gewerke, die schließlich unter dem Begriff Informationsökonomie zusammengefasst werden kann.

Grundlegendes

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Hauptsächliche Quellen für die Konzeption der Informationsgesellschaft sind das Kommunikationsmodell von Claude Elwood Shannon (The Mathematical Theory of Communication 1948, dt: Mathematische Grundlagen in der Informationstheorie 1976) sowie die einschlägigen Arbeiten des österreichisch-amerikanischen Kybernetikers Norbert Wiener, der als Mitbegründer der modernen Informationstheorie bereits 1948 die mit der Automatisierung von Produktionsprozessen einhergehenden Umschichtungen in der Gesellschaft prognostizierte.

Die theoretischen Grundaussagen des Konzepts der Informationsgesellschaft stammen aus den 1960er Jahren in Japan und den USA, zumal aus dem Kontext der Informationsökonomie. Philosophiegeschichtlich lassen sich von hierher Bezüge zurück finden zu Konzepten der Denkökonomie (Richard Avenarius, Ernst Mach). Sozialgeschichtlich trat das Konzept auf, als ein Wandel in der Beschäftigungsstruktur der industrialisierten Staaten ausgemacht wurde. Zunächst wurde dafür der Begriff der Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Zu weiteren Vorläuferbegriffen gehört die Informierte Gesellschaft (Steinbuch 1968, Haefner 1980 u. a.) und die Postindustrielle Gesellschaft (Bell 1973). In Japan taucht der Begriff „Informationsgesellschaft“ bereits 1963 in der Stufentheorie von Tadao Umesao (1920–2010) auf.

Die Vision der Informationsgesellschaft wurde vor allem während der 1990er Jahre im Rahmen der Diskussion um die Information Highways thematisiert. In der öffentlichen Diskussion weiter diskreditiert wurde der Begriff im Zuge des „Platzens“ der so genannten Internet-Blase der New Economy. Auf politischer Ebene wurde insbesondere John Perry Barlows Adaption der „Frontier“-Metapher auf das Internet kontrovers diskutiert.

Im Zusammenhang mit der Digitale-Kluft-Hypothese wurde ein Marshallplan der Informationsgesellschaft gefordert.[2] Eine neuere Studie analysiert die Digitale Kluft in Bosnien-Herzegowina auf dem Weg in die Informationsgesellschaft.[3]

Der Wissenschaftstheoretiker Helmut F. Spinner bezeichnet – mit durchaus eigener Terminologie – die Informationsgesellschaft als Vorstufe oder Degenerationsform der Wissensgesellschaft[4][5].

Unterscheidungen

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Je nach Schwerpunkt können verschiedene Formen der Informationsgesellschaft unterschieden werden:

Informationsökonomiegesellschaft
Betonung der wirtschaftlichen Veränderungen.
Informationstechnologiegesellschaft
IKT-Technologien als wesentlicher Faktor der wirtschaftlichen (und gesellschaftlichen) Entwicklung.
Informationsbenutzungsgesellschaft
Betonung des Nutzungsaspekts und der Bedeutung für die Menschen in einer Informationsgesellschaft; auch „informierte Gesellschaft“ (Steinbuch 1966), „informationsbewusste Gesellschaft“ (Wersig 1973).

Wachstum von Information

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Das Wachstum von technologisch übertragener Information wurde in drei unterscheidbaren Gruppen quantifiziert: (1) die wachsende Kapazität Information durch den Raum zu übertragen (Kommunikation); (2) die Kapazität Information durch die Zeit zu übermitteln (Speicherung); und (3) die Kapazität mit Information zu rechnen (Informatik):[6]

  1. Die weltweite technologische Kapazität, Informationen über (unidirektionale) Broadcast und Rundfunk Netzwerke zu empfangen, ist von 432 (optimal komprimierten) Exabyte im Jahr 1986 über 715 (optimal komprimierte) Exabyte 1993 auf 1,2 (optimal komprimierte) Zettabyte 2000 und 1,9 Zettabyte 2007 gewachsen.[7] Dies ist eine jährliche Wachstumsrate von 7 % und nicht deutlich schneller als das Wirtschaftswachstum während desselben Zeitraums. Die effektive Kapazität der Welt, Informationen durch (bidirektionale) Telekommunikationsnetz auszutauschen, ist von 281 (optimal komprimierten) Petabyte 1986 über 471 Petabyte 1993 zu 2.200 Petabyte 2000 bis hin zu schließlich 65 (optimal komprimierten) Exabyte 2007 gewachsen.[7] Dies ist eine jährliche Wachstumsrate von 30 % und fünfmal so schnell wie das weltweite Wirtschaftswachstum.
  2. Die globale technologische Kapazität, Informationen zu speichern, ist von 2,6 (optimal komprimierten) Exabyte 1986 über 15,8 1993 und 54,5 2000 auf 295 (optimal komprimierte) Exabyte 2007 gewachsen.[7] Dies ist das informationale Äquivalent von 404 Milliarden CD-ROMs für 2007. Wenn man diese Compact Discs stapeln würde, ergäbe sich ein Stapel, der von der Erde bis zum Mond reicht und ein weiteres Viertel dieser Entfernung darüber hinaus.[6]
  3. Die technologische Kapazität der Welt, Informationen mit Mehrzweck-Computern zu berechnen, ist von 3,0 · 108 MIPS 1986 auf 6,4 · 1012 MIPS 2007 gewachsen,[7] was einer jährlichen Wachstumsrate von 60 % entspricht, also 10-mal so schnell wie das globale Wirtschaftswachstum.

Komplexität

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Viele Autoren der Gegenwart wie Ulrich Beck, Jürgen Habermas, Jean-François Lyotard und Anthony Giddens betrachten Komplexität als ein wesentliches Merkmal unserer Informationsgesellschaft; die Komplexität führt zu Ungewissheit, daraus ergibt sich ein Gefühl der Überforderung. Als Lösung dieses Dilemmas liegt es nahe zu versuchen, die Komplexität und damit auch die Ungewissheit zu verringern. Genau dies leistet Information: „Information ist die Verringerung von Ungewissheit“ (Wersig 1971). Zur Bewältigung der Welt ist also eine „Komplexitätsreduktionsgesellschaft“ bzw. „Informationsgesellschaft“ anzustreben.

Bewährte Hilfsmittel der Komplexitätsreduktion sind beispielsweise:

Hilfsmittel zur Reduktion der Handlungskomplexität sind beispielsweise:

  • Weiterentwicklung unserer Sinne,
  • Weiterentwicklung des Konzepts des Management.

Hilfsmittel zur Reduktion der Wissenskomplexität sind beispielsweise:

Rechtliche Säulen der Informationsgesellschaft

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Kloepfer benennt als Säulen der Informationsgesellschaft die klassischen Kommunikationsgrundrechte (Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit u. a.), die Informationszugangsfreiheit, den Datenschutz, den Geheimschutz und die zivilrechtlichen Informationsausschließlichkeitsrechte (Recht am eigenen Bild, Urheberrechte usw.).[8]

Literatur

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  • Jörg Pohle, Klaus Lenk (Hrsg.): Der Weg in die "Digitalisierung" der Gesellschaft. Was können wir aus der Geschichte der Informatik lernen ? Metropolis-Verlag, Marburg 2021, ISBN 978-3-7316-1461-6.
  • Stavros Arabatzis: Feindselige Mediengesellschaft. Krieg der Öffentlichkeit. Wiesbaden: Springer VS 2019, ISBN 978-3-658-26993-7.
  • Daniel Bell: The coming of post-industrial society. A venture in social forecasting. NY: Basic Books, New York 1973.
  • Hensel, Matthias: Die Informationsgesellschaft: neuere Ansätze zur Analyse eines Schlagwortes. Diss Uni Mainz 1989, München: R. Fischer, 1990 (Reihe Medien-Skripten : Beiträge zur Medien- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 8) ISBN 3-88927-064-6
  • Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.): Info 2000: Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. Bonn 1996.
  • Andreas Borrmann, Rainer Gerdzen: Kulturtechniken der Informationsgesellschaft. 1996.
  • Bill Gates: Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft. München 1997.
  • Sybille Krämer: Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. 1998.
  • Leon R. Tsvasman (Hrsg.): Das große Lexikon Medien und Kommunikation. Kompendium interdisziplinärer Konzepte. Würzburg 2006.
  • Peter A. Bruck, Guntram Geser: Schulen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. 2000.
  • Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape (Hrsg.): Internet, Mobile Devices und die Transformation der Medien. Radikaler Wandel als schrittweise Rekonfiguration. [Tagung der Sektion Wissenschafts- und Technikforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS): "Das Internet und der Wandel von Mediensektoren", November 2011, Univ. Stuttgart.] Berlin: Edition Sigma 2013, ISBN 978-3-8360-3588-0.
  • Stefan Iglhaut / Herbert Kapfer / Florian Rötzer (Hrsg.): what if? Zukunftsbilder der Informationsgesellschaft. Heise, Hannover 2007, ISBN 978-3-936931-46-4.
  • Gerhard Knorz, Rainer Kuhlen: Informationskompetenz - Basiskompetenz in der Informationsgesellschaft. Konstanz 2000.
  • Karsten Kruschel: Die abgewickelte Informationsgesellschaft. Von digitalem Schwund, Anti-Wissen und den Mühlen der Entfindung. In: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2005. München 2005, ISBN 3-453-52068-8, S. 588–606.
  • Herbert Kubicek: Die sogenannte Informationsgesellschaft. Neue Informations- und Kommunikationstechniken als Instrument konservativer Gesellschaftsveränderung. In: Arbeit 2000. Hamburg 1985, S. 76–109.
  • Herbert Kubicek, Arno Rolf: Mikropolis. Mit Computernetzen in die "Informationsgesellschaft". Hamburg 1995.
  • Armand Mattelart: Kleine Geschichte der Informationsgesellschaft. Avinus-Verlag, 2003, ISBN 3-930064-10-3.
  • Nicholas Negroponte: Total digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder die Zukunft der Kommunikation. München 1997.
  • Theodore Roszak: Der Verlust des Denkens. Über die Mythen des Computer-Zeitalters. München 1986.
  • Gernot Wersig: Die Komplexität der Informationsgesellschaft. Konstanz 1996, ISBN 3-87940-573-5.
  • Manuel Castells: Das Informationszeitalter. (3 Bände; Kurzrezension).
    • Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Band 1. Leske und Budrich Verlag, Leverkusen 2001, ISBN 3-8100-3223-9 (Rezension).
    • Manuel Castells: Die Macht der Identität. Band 2. Leske und Budrich Verlag, Leverkusen 2002, ISBN 3-8100-3224-7.
    • Manuel Castells: Jahrtausendwende. Band 3. Opladen: Campus Verlag, 2003, ISBN 3-8100-3225-5.
  • Trkulja, Violeta; Die Digitale Kluft : Bosnien-Herzegowina auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Wiesbaden : VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010 (Verlagshinweis)
  • Steinbicker, Jochen: Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuel Castells. 2. Auflage. VS, Wiesbaden 2011.
  • Ralf D. Hennings, Wolfgang Müller, Gerhard Vowe, Gernot Wersig: Informations- und Kommunikationsstrukturen der Zukunft. Bericht anlässlich eines Workshop mit Stanislaw Lem, Verlag Wilhelm Fink 1983, ISBN 978-3-770-52199-9

Zeitschriftenartikel, akademische Schriften

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Fußnoten

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  1. Simon Nora, Alain Minc: Die Informatisierung der Gesellschaft. Campus 1997 (zuerst 1979).
  2. So Schauer, Thomas & Fritz Rademacher: The Challenge of the Digital Divide. 2002. Vgl. Prospekt
  3. Unter diesem Titel von Violeta Trkulja 2010 als Buch erschienen (Verlagshinweis)
  4. Archivlink (Memento vom 7. April 2004 im Internet Archive)
  5. Archivlink (Memento vom 7. April 2004 im Internet Archive)
  6. a b Video Animation über The World’s Technological Capacity to Store, Communicate, and Compute Information from 1986 to 2010 (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive)
  7. a b c d "The World’s Technological Capacity to Store, Communicate, and Compute Information", Martin Hilbert and Priscila López (2011), Science, 332(6025), 60-65; kostenfreien Zugriff auf den Artikel gibt es durch diese Seite: martinhilbert.net/WorldInfoCapacity.html
  8. Michael Kloepfer: Informationsfreiheit und Verwaltungsverfahren. In: Die Öffentliche Verwaltung 2003, S. 223.