Joscha Bach

deutscher Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher und Philosoph

Joscha Bach (* 1973 in Weimar, Deutsche Demokratische Republik) ist ein deutscher Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher und Philosoph.

Joscha Bach (2013)

Bach ist bekannt für seine Arbeiten und Beiträge zu kognitiven Architekturen, künstlicher Intelligenz, mentaler Repräsentation, Emotionen, sozialer Modellierung, Multi-Agenten-Systemen und der Philosophie des Geistes. Seine Forschung zielt darauf ab, die Kognitionswissenschaft und die KI zu verbinden, indem untersucht wird, wie menschliche Intelligenz und Bewusstsein rechnerisch modelliert werden können.

Leben und Ausbildung

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Bach wurde in Weimar geboren und zeigte schon früh Interesse an Philosophie, künstlicher Intelligenz und Kognitionswissenschaft. Er schloss 2000 das Studium der Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin als MA ab und promovierte 2006 im Fach Kognitionswissenschaften an der Universität Osnabrück.[1][2][3] Seine Forschung konzentrierte sich auf Modellierung von Emotionen und künstlichem Bewusstsein. Seine Doktorarbeit befasste sich mit der Entwicklung von Micropsi, einer kognitiven Architektur zur Modellierung und Simulation menschlicher Denk- und Entscheidungsprozesse.

Karriere

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Nach Abschluss seiner Promotion wurde Bach zu einer Schlüsselfigur in der KI-Forschung, insbesondere im Bereich der kognitiven Architekturen und der Theorie des Geistes.[4] Er hielt eine Reihe von Positionen in der akademischen und industriellen Forschung inne und trug sowohl theoretisch als auch praktisch zur KI-Entwicklung bei.[5] Seine Arbeit befasst sich u. a. mit den Grenzen heutiger KI-Systeme, den Grenzen maschineller Lernmethoden sowie mit der Frage, wie zukünftige Systeme eine menschenähnliche, allgemeine Intelligenz erreichen könnten.[6]

Bach hat an mehreren renommierten Institutionen gearbeitet, darunter das Harvard Program for Evolutionary Dynamics, wo er mit anderen führenden Köpfen der KI- und Kognitionswissenschaft zusammengearbeitet hat.[7] Er hielt eine Forschungsstelle am MIT Media Lab[8] und war Vizepräsident für Forschung bei der AI Foundation, wo er sich auf die Entwicklung von KI-Systemen konzentrierte, die komplexe, menschenähnliche Interaktionen ermöglichen.[9]

Forschung und Beiträge

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Joscha Bachs Forschung konzentriert sich in erster Linie auf kognitive Architekturen—rechnerische Modelle, die versuchen, Aspekte der menschlichen Kognition nachzubilden.[10] Zu seinen Arbeiten zählen:

MicroPsi

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Eine kognitive Architektur, die modelliert, wie Agenten basierend auf Wahrnehmung, Emotion und zielgerichtetem Verhalten denken und handeln.[11] Bach entwarf MicroPsi, um menschenähnliche Denk- und Entscheidungsprozesse zu simulieren und so KI-Systeme zu schaffen, die komplexe reale Umgebungen navigieren können.[12]

Theorie des Bewusstseins

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Bach ist bekannt für seine Diskussionsbeiträge zur Natur des Bewusstseins und die rechnerische Modellierung subjektiver Erfahrungen.[13] Er argumentiert, dass Bewusstsein aus einem Informationsverarbeitungssystem entsteht, das in der Lage ist, interne Modelle von sich selbst und der Welt zu erstellen. Dabei betont er die Bedeutung von mentalen Modellen, emotionalen Rahmenwerken und Metakognition für die Konstruktion von bewusstem KI.[14]

Kognitive Grenzen der KI

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Bach hinterfragt kritisch aktuelle Trends im maschinellen Lernen, insbesondere die Grenzen von Deep Learning. Er ist der Ansicht, dass heutige KI-Systeme nicht über ein echtes Verständnis von Zusammenhängen verfügen und mehr als „extrem leistungsfähige Maschinen zur Mustererkennung“ denn echte kognitive Agenten funktionieren.[15] Er fordert einen Wandel hin zu KI-Systemen, die abstraktes Denken, komplexe Entscheidungsfindung und interne Selbstreflexion ermöglichen.[16]

Bewusstsein und freier Wille

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Neben seiner technischen Forschung befasst sich Bach intensiv mit philosophischen Fragen des Bewusstseins und des Freien Willens. Er vertritt die These, dass Bewusstsein als natürliche Eigenschaft von Informationsverarbeitung in hochkomplexen Systemen entsteht, welche interne Modelle ihrer selbst und der Welt entwickeln.[17] Dabei diskutiert er häufig die Frage, ob freier Wille tatsächlich existiert oder lediglich ein Nebenprodukt von Vorhersagemodellen des Gehirns darstellt.

Philosophische Ansichten

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Bachs Interessen und öffentlichen Beiträge gehen weit über KI und Kognitionswissenschaft hinaus und berühren tiefgreifende philosophische Fragen zu Bewusstsein, Freiem Willen, das Wesen der Realität sowie die Zukunft der Menschheit im Zeitalter intelligenter Maschinen.[18] Seine Betrachtungen sind außerdem stark von den philosophischen Disziplinen der Phänomenologie und Erkenntnistheorie beeinflusst.[19] Er beteiligt sich häufig an öffentlichen Debatten über das Wesen des Selbst und argumentiert, dass das, was wir als „Selbst“ betrachten, eine Illusion ist – ein mentales Modell, welches vom Gehirn zu praktischen Zwecken konstruiert wird.[20]

Er zeichnet das Bild einer Zukunft, in der KI über Meta-Kognition verfügt – die Fähigkeit, sich ihrer eigenen Funktionsweise und Denkprozessen bewusst zu werden und Überlegungen dazu anzustellen.[21] Maschinen könnten zwar ein gewisses Maß an subjektivem Bewusstsein erlangen, Bewusstsein im menschlichen Sinne entwickelt sich in KI jedoch möglicherweise erst dann, wenn diese Systeme ihre eigenen Erfahrungen in eine kontinuierliche und konsistente Erzählung integrieren können, ähnlich wie es beim Menschen der Fall ist.[22]

Er behauptet, dass die heutigen KI-Systeme zwar leistungsfähig, aber weit entfernt von allgemeiner Intelligenz sind.[23] Bach spricht oft über die Grenzen der KI und betont, dass die heutige KI keine wirkliche Vorstellung von ihrer Umwelt hat.[24] Er nimmt eine kritische Haltung zur übertriebenen Attribution von Fähigkeiten von Deep-Learning-Modellen ein und plädiert stattdessen für eine ausgewogenere Betrachtung, die kognitive Modelle, Modellierung von Emotionen und ethische Überlegungen in die KI-Forschung integrieren.[25]

Öffentliche Auftritte

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Neben seiner akademischen Arbeit ist Bach ein aktiver Redner und Wissenschaftskommunikator, der regelmäßig seine Einsichten zu Kognitionswissenschaft, KI und Philosophie öffentlich teilt.[26] Er hat zahlreiche Vorträge auf Konferenzen (u. a. TEDx) gehalten, in denen er Themen wie das Wesen der Intelligenz, die Zukunft der KI und die Möglichkeit, bewusste Maschinen zu erschaffen, behandelt.[27]

Bach beteiligt sich ebenfalls häufig an Online-Diskussionen über KI und Bewusstsein und tritt in Podcasts, Interviews und öffentlichen Vorträgen auf. Im Juni 2020 trat er z. B. erstmals im Podcast von Lex Fridman auf.[28] Er ist bekannt für seine Fähigkeit, komplexe Ideen auf zugängliche Weise zu erklären, was ihn zu einer beliebten Figur im öffentlichen Diskurs über allgemeine künstliche Intelligenz (AGI) und die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion macht.[29]

Wichtige Veröffentlichungen und Werke

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Principles of Synthetic Cognition

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In diesem grundlegenden Werk beschreibt Bach die Grundprinzipien der synthetischen Kognition und diskutiert, wie kognitive Architekturen gestaltet werden könnten, um menschliche Denkprozesse nachzubilden.[30]

Micropsi Cognitive Architecture

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Eine detaillierte Darstellung des Micropsi-Systems, Bachs Arbeit in diesem Bereich hat die Forschung in den Bereichen agentenbasiertes Modellieren und KI-Entscheidungsrahmen maßgeblich beeinflusst.[31][32]

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Einzelnachweise

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  1. Joscha Bach | Edge.org. In: www.edge.org. Abgerufen am 12. November 2022.
  2. TEDxBeaconStreet Talks
  3. Exciting progress in Artificial Intelligence – Joscha Bach – Science, Technology & the Future. 11. August 2020, abgerufen am 12. November 2022.
  4. Joscha Bach: AI Researcher and Cognitive Scientist. In: AI Foundation. Abgerufen am 11. November 2022.
  5. Joscha Bach: Publications. Abgerufen am 12. November 2022.
  6. Joscha Bach: Principles of Synthetic Intelligence: An Architecture of Motivated Cognition. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-537067-6.
  7. AI Research at Harvard. Abgerufen am 12. November 2022.
  8. MIT Media Lab. Abgerufen am 12. November 2022.
  9. About. Abgerufen am 12. November 2022.
  10. Cognitive Architectures. Abgerufen am 12. November 2022.
  11. The MicroPsi Project. Abgerufen am 12. November 2022.
  12. Bach, J.: Designing Agents with MicroPsi Node Nets. In: Proceedings of KI 2003. 2003, S. 164–178.
  13. Joscha Bach: Principles of Synthetic Intelligence: An Architecture of Motivated Cognition. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-537067-6.
  14. Consciousness and AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  15. Limitations of AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  16. AI Paradigms. Abgerufen am 12. November 2022.
  17. Joscha Bach: Consciousness and Free Will - Lex Fridman Podcast. Abgerufen am 22. Oktober 2023.
  18. Philosophical Perspectives on AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  19. Bach, J.: The Influence of Philosophy on AI Research. In: AI & Society. 33. Jahrgang, 2018, S. 437–445.
  20. The Illusion of Self. Abgerufen am 12. November 2022.
  21. Meta-Cognition in AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  22. Consciousness and AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  23. Joscha Bach on AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  24. The Limitations of Current AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  25. Ethics and AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  26. Joscha Bach Talks. Abgerufen am 12. November 2022.
  27. TEDx Talks by Joscha Bach. Abgerufen am 12. November 2022.
  28. Lex Fridman Podcast #101 - Joscha Bach: Artificial Consciousness and the Nature of Reality. Abgerufen am 12. November 2022.
  29. Public Understanding of AI. Abgerufen am 12. November 2022.
  30. Joscha Bach: Principles of Synthetic Intelligence: An Architecture of Motivated Cognition. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-537067-6.
  31. MicroPsi Project. Abgerufen am 12. November 2022.
  32. Bach, J.: Designing Agents with MicroPsi Node Nets. In: Proceedings of KI 2003. 2003, S. 164–178.