Kaolinit

Mineral, Schichtsilikat
(Weitergeleitet von Kaolinitisierung)

Das Mineral Kaolinit ist ein sehr häufig vorkommendes Schichtsilikat aus der Kaolinit-Serpentin-Gruppe mit der kristallchemischen Zusammensetzung Al4[(OH)8|Si4O10]. Es ist ein typischer Vertreter der Zweischicht-Tonminerale. Kaolinit kristallisiert im triklinen Kristallsystem und entwickelt meist blättrige, schuppige, erdige oder massige Aggregate, selten aber auch pseudohexagonale Kristalle von überwiegend weißer Farbe. Durch Verunreinigungen kann seine Farbe aber auch ins rötliche, bräunliche oder bläuliche spielen. Seine Strichfarbe ist weiß. Kaolinit kann gesteinsbildend als Kaolin auftreten.

Kaolinit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1980 s.p.[1]

IMA-Symbol

Kln[2]

Chemische Formel Al4[(OH)8|Si4O10]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/H.23
VIII/H.25-010

9.ED.05
71.01.01.02
Ähnliche Minerale Dickit, Nakrit, Halloysit, Allophan, Imogolit
Kristallographische Daten
Kristallsystem siehe Kristallstruktur
Kristallklasse; Symbol siehe Kristallstruktur
Raumgruppe siehe Kristallstruktur
Gitterparameter siehe Kristallstruktur
Formeleinheiten Z = 1[3]
Häufige Kristallflächen {001}
Zwillingsbildung sehr selten
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 2,5[4][5]
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,61 bis 2,68; berechnet: 2,63[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}
Bruch; Tenazität uneben
Farbe weiß, auch mit rötlichem, braunem oder blauem Stich
Strichfarbe weiß
Transparenz durchscheinend bis undurchsichtig
Glanz erdig
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,553 bis 1,563[5]
nβ = 1,559 bis 1,569[5]
nγ = 1,560 bis 1,570[5]
Doppelbrechung δ = 0,007[5]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 24 bis 50° (gemessen); 44° (berechnet)[5]
Pleochroismus sehr schwach
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten nicht löslich in Säuren
Besondere Merkmale im Wasser plastisch verformbar

Kaolinit hat eine Mohs’sche Härte von 2 bis 2,5, eine Dichte von 2,61 bis 2,68 g/cm³. Im Wasser wird das Mineral plastisch verformbar.

Etymologie und Geschichte

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Der Name Kaolinit ist aus dem Gestein Kaolin abgeleitet, dessen Hauptbestandteil es ist. Kaolin wiederum leitet sich aus dem ersten Fundort ab, dem chinesischen Ort 高嶺 Gaoling (von chin.: gāo lĭng = hoher Hügel).

Obschon die Herstellung von Stein- und Tongut so alt ist wie das Sesshaftwerden der Menschen, hat die Herstellung von Porzellan aus Kaolinit und Feldspat in einer primitiven Form wahrscheinlich erst im siebten nachchristlichen Jahrhundert in China stattgefunden.

Verwendet wurde das Mineral dort aber bereits im Jahre 105 als Füllstoffmineral bei der Papierherstellung. 600 Jahre später wurde es dann nahe dem oben genannten Hügel als Rohstoff für die chinesische Keramik- und Porzellanindustrie verwendet. Die Entwicklung dieser Art von Keramik ging mit der Entwicklung von Hochtemperatur-Brennöfen einher, die eine ausreichend hohe Temperatur von 1450 °C für die Verglasung (Vitrifikation) von Kaolinit und Feldspat zur Verfügung stellen konnten. Chinaporzellan war denn auch anfangs eine der wichtigsten Handelswaren zwischen Europa und China. Seit 1707 wurde nahe Meißen die erste Kaolinit-Lagerstätte zur Porzellanherstellung in Europa ausgebeutet.

Klassifikation

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In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte Kaolinit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Schichtsilikatminerale (Phyllosilikate)“, wo es namensgebend zusammen mit Dickit, Halloysit-7Å und Nakrit die Kaolinit-Gruppe VIII/H.23 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kaolinit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Schichtsilikatminerale (Phyllosilicate)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der Schichtbildung, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate) mit Kaolinitschichten, zusammengesetzt aus tetraedrischen oder oktaedrischen Netzen“ zu finden ist, wo es namensgebend zusammen mit Dickit, Nakrit und Odinit die „Kaolinit-Gruppe“ mit der System-Nr. 9.ED.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kaolinit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Schichtsilikatminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Dickit, Nakrit, Halloysit, Endellit und Odinit in der „Kaolinitgruppe“ mit der System-Nr. 71.01.01 innerhalb der Unterabteilung der „71.01 Schichtsilikate: Schichten von sechsgliedrigen Ringen mit 1:1-Lagen“ zu finden.

Kristallstruktur

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Struktur von Kaolinit _ H der OH  _ O2−  _ Al3+  _ Si4+[6]

Die Kristallstruktur von Kaolinit besteht aus einer Tetraederschicht, die mit einer Oktaederschicht verknüpft ist. Erstere besteht aus Tetraedern, die über basale Sauerstoffe verknüpft (polymerisiert) und ausschließlich mit Silizium besetzt sind. Die Oktaederschicht besteht hingegen aus kantenverknüpften Oktaedern, die ausschließlich mit Aluminium besetzt sind. Diese, aus Tetraeder- und Oktaederschicht bestehende Struktur bezeichnet man als 1:1-Schichtpaket.

Kristallographische Daten der Kaolinit-Polytype[3]
Name Kaolinit-1A Kaolinit-1M
Kristallsystem triklin monoklin
Kristallklasse 1 nicht definiert
Raumgruppe C1 nicht definiert
Gitterkonstanten der
Elementarzelle
a = 5,15 Å
b = 8,94 Å
c = 7,39 Å
α = 91,9°
β = 105,0°
γ = 89,8°
a = 5,16 Å
b = 8,93 Å
c = 7,39 Å
β = 104,5°
Zahl der Formeleinheiten in der Elementarzelle 1 1

Kaolinit ist das am häufigsten auftretende Mineral der Kaolinitgruppe. Dickit und Nakrit sind Polytype von Kaolinit, das heißt, sie sind chemisch identisch mit Kaolinit, die Stapelung der 1:1-Schichtpakete erfolgt jedoch in unterschiedlichen regulären Abfolgen.

Dickit und Nakrit sind zum Beispiel „double-layer“ Polytype, das heißt, die Periodizität entlang der kristallographischen c-Achse beträgt 2 mal 7 Ångström, entsprechend zwei 1:1-Schichtpaketen. Halloysit, auch als 10-Å-Halloysit bezeichnet, ist ein hydratisierter Kaolinit, das heißt, zwischen den 1:1-Schichtpaketen befindet sich ein Zwischenschichtpaket aus Wassermolekülen. Diese können die Struktur spontan oder durch vorsichtiges Erwärmen allmählich, bereits bei Raumtemperatur, oder unter Vakuumbedingungen verlassen. Entwässerter 10-Å-Halloysit wird auch als 7-Å-Halloysit bezeichnet. Allophan und Imogolit sind schlecht geordnete, wasserhaltige Alumosilikate.

Strukturumwandlungen

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Die Struktur von Kaolinit ändert sich durch thermische Behandlung in Luft bei atmosphärischem Druck (Kalzinierung). Bei 550–600 °C beginnt eine Dehydratisierung, die zu amorphem Meta-Kaolinit (auch Metakaolin) mit der Summenformel Al2Si2O7 (Oxidformel Al2O3·2SiO2)[7] führt. Eine Dehydroxylierung wurde bis zu 900 °C beobachtet. Diese Phase ist nicht eine einfache amorphe Mischung aus SiO2 und Al2O3, sondern eine größere amorphe Struktur, die aufgrund ihrer hexagonalen Schichten eine gewisse Ordnung hat, ohne kristallin im engeren Sinn zu sein:

 

Bei weiterer Erhitzung auf 925–950 °C entsteht ein siliziumarmer Aluminium-Silizium-Spinell (Si3Al4O12), der manchmal als vom Typ γ-Aluminiumoxid bezeichnet wird:

 

Bei Kalzinierung auf 1050 °C wird die Spinellphase in Mullit und Cristobalit umgewandelt:

 

Meta-Kaolinit ist bisher nur synthetisch bekannt und konnte unter anderem bei Kohleverbrennungsexperimenten und in Keramik nachgewiesen werden. Es wird allerdings für möglich gehalten, dass die Verbindung auch in natürlicher Umgebungen entstehen kann.[7]

Bildung und Fundorte

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Kaolinit besteht aus submikroskopischen Kristallen mit blättrigem Habitus (Erscheinungsbild). Er ist zumeist Bestandteil derjenigen Tonmineralfraktion eines Sediments, der per Definition ein Korndurchmesser unterhalb von zwei Mikrometern zugeordnet wird. Das Mineral ist ein allgegenwärtiges Aluminiumsilikat in den Böden feuchtwarmer Regionen und ein typisches Produkt der chemischen Verwitterung anderer Aluminiumsilikate durch Säure oder partielle Hydrolyse, im Besonderen von Mineralen der Feldspat-Gruppe. Kaolinit ist Bestandteil verschiedener diagenetischer Abfolgen und kann als Füllmineral in Porenräumen von Sedimenten angetroffen werden. Es wird bei Temperaturen unterhalb von 300 °C, niedrigem Druck und bei pH-Werten zwischen 3 und 5 sowie bei geringen Kalium-Konzentrationen gebildet. Bei höheren Konzentrationen entsteht stattdessen das Phyllosilikat Illit.

Das Ausgangsgestein ist zumeist ein saurer Magmatit wie zum Beispiel Granit oder Rhyolith. Ausgangsminerale sind sowohl Feldspäte als auch Muskovit. Die Umsetzung von Kalifeldspat zu Kaolinit unter Oberflächenbedingungen wird bei einem pH-Wert unter 5 als Säurehydrolyse oder partielle Hydrolyse bezeichnet:

 
Kalifeldspat setzt sich mit Wasser zu Kaolinit, Quarz und Kaliumhydroxidlösung um.

Kalium muss abtransportiert werden, da sich sonst anstelle von Kaolinit Illit bildet. Unter tropischen Bedingungen mit hohen Niederschlagsraten, schneller Entwässerung, niedrigem Grundwasserstand und adäquatem Wasserfluss zum Abtransport der löslichen Komponenten sind Granit und Rhyolith leicht zu Kaolinit und Quarz verwitterbar. Die immobilen Komponenten sind Aluminium und Silizium, während hingegen die Alkali- und Erdalkalielemente als mobil bezeichnet werden können. Bei noch intensiverer Verwitterung wird aus Kaolinit Silizium gelöst und Gibbsit (Hydrargillit) gebildet. Plagioklase verwittern im Allgemeinen vor Kalifeldspat und Muskowit.

Verwendung

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Kaolinit respektive Kaolin findet überwiegend in der Herstellung von Porzellan, als Füllmaterial in Farben und Plastik, als Füllmaterial und Appretur in der Papierherstellung, sowie bei der Ziegelherstellung und als feuerfestes Material Anwendung. Wichtigstes Verwendungsgebiet ist heutzutage die Beschichtung von Papier, wofür rund 60 % des Kaolins aufgewendet werden.

Siehe auch

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Literatur

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  • Steffen Guggenheim, A. Alietti, V. A. Drits, Milton L. L. Formoso, Emilio Galan, H. M. Köster, H. Paquet, T. Watanabe u. a.: Report of the Association Internationale Pour L’Étude des Argiles (AIPEA) Nomenclature Committee for 1996. In: Clays and Clay Minerals. Band 32, Nr. 3, September 1997, S. 493–495, doi:10.1180/claymin.1997.032.3.11 (englisch).
  • Haydn H. Murray, Wayne M. Bundy, Colin C. Harvey: Kaolin Genesis and Utilization. Special Publication No. 1. The Clay Minerals Society, 1993, ISBN 978-1-881208-38-9, S. 341 ff., doi:10.1346/CMS-SP-1 (englisch).
  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 257.
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Commons: Kaolinite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 675 (englisch).
  4. a b Kaolinite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 78 kB; abgerufen am 4. Juni 2019]).
  5. a b c d e f Kaolinite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. Juni 2019 (englisch).
  6. David L. Bish: Rietveld refinement of the kaolinite structure at 1.5 K Locality: Keokuk, Iowa, USA. In: Clays and Clay Minerals. Band 41, Nr. 6, 1993, S. 738–744 (englisch, pdfs.semanticscholar.org [abgerufen am 4. Juni 2019]).
  7. a b Meta-Kaolinite (Metakaolin). In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. Juni 2019 (englisch).