Nakrit, veraltet auch als Steinmark[2] bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Al4[(OH)8|Si4O10][4], ist also kristallchemisch gesehen ein Aluminium-Schichtsilikat mit Hydroxidionen ((OH)2−) als zusätzlichen Anionen.

Nakrit
Nakrit aus dem „Frohe Hoffnung“-Stollen bei Wildental, Erzgebirge
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Ncr[1]

Andere Namen

Steinmark[2]

Chemische Formel
  • Al2Si2O5(OH)4[3]
  • Al4[(OH)8|Si4O10][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate (und Germanate) – Schichtsilikate (Phyllosilikate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/E.10a
VIII/H.25-030

9.ED.05
71.01.01.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-domatisch; m[5]
Raumgruppe Cc (Nr. 9)Vorlage:Raumgruppe/9[4]
Gitterparameter a = 8,91 Å; b = 5,15 Å; c = 15,70 Å
β = 113,7°[4]
Formeleinheiten Z = 2[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 2,5[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,5 bis 2,7; berechnet: 2,582[6]
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}[6]
Bruch; Tenazität uneben
Farbe farblos, weiß, blassgelbbraun[7]
Strichfarbe weiß[7]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Perlmuttglanz[6]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,557[8]
nβ = 1,562[8]
nγ = 1,563[8]
Doppelbrechung δ = 0,006[8]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 40° (gemessen); 48° (berechnet)[8]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten löslich in H2SO4 bei Erwärmung

Nakrit entwickelt meist erdige, schuppige oder massige Aggregate, selten auch kleine, tafelige, unregelmäßig pseudohexagonale Kristalle von weißer, grauer oder gelblichbrauner Farbe und perlmuttartigem Glanz.

Etymologie und Geschichte

Bearbeiten
 
Nakrit-Mikrokristalle mit typischem Perlglanz aus der Mina Casualidad, Baños de Alhamilla, Andalusien, Spanien (Sichtfeld 2 mm)
 
Museum Huthaus Einigkeit, Brand-Erbisdorf

Erstmals entdeckt wurde Nakrit in der Grube Einigkeit, genauer „Einigkeit Fundgrube“ bei Brand-Erbisdorf im deutschen Landkreis Mittelsachsen und beschrieben 1807 durch Alexandre Brongniart, der das Mineral aufgrund seines Glanzes nach dem französischen Wort Nacre für Perlmutt benannte.

In der Montanlandschaft Brand-Erbisdorf wurde mindestens seit dem 17. Jahrhundert nach Silber geschürft und 1850 wurde der Hörnigschacht (1518 erstmals erwähnt) zusammen mit anderen Gruben zur „Einigkeit Fundgrube“ zusammengeschlossen. Von der mittlerweile geschlossenen Grubenanlage existiert nur noch das zu einem Museum umgebaute Huthaus.[9] Neben Silber und Nakrit wurden in der Typlokalität noch weitere 25 Minerale entdeckt wie unter anderem die Bleiminerale Galenit und Pyromorphit, die Antimonsilberblende Pyrargyrit, der Antimonglanz Stibnit, die Zinkblende Sphalerit sowie die Schmuckminerale Opal, Quarz, Rhodochrosit und Schörl. Daneben fand man als Quarz-Varietäten noch den Chalcedon und dessen Untervarietät Jaspis.[10]

Da der Nakrit bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Nakrit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[3] Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Nakrit lautet „Ncr“.[1]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist bisher nicht dokumentiert (Stand 2024).[11]

Klassifikation

Bearbeiten

Bereits in der zuletzt 1977 überarbeiteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Nakrit zur Mineralklasse der „Silikate“ und dort zur Abteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“, wo er gemeinsam mit Dickit und Kaolinit in der „Kaolinit-Reihe (dioktaedrisch)“ mit der Systemnummer VIII/E.10a steht.

In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer VIII/H.25-030. Dies entspricht der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Schichtsilikate“, wo Nakrit zusammen mit Dickit, Halloysit-7Å und Kaolinit die „Kaolinitgruppe“ mit der Systemnummer VIII/H.25 bildet.[7]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Nakrit in die erweiterte Klasse der „Silikate und Germanate“, dort aber ebenfalls in die Abteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate) mit Kaolinitschichten, zusammengesetzt aus tetraedrischen und oktaedrischen Netzen“ zu finden, wo es zusammen mit Dickit und Kaolinit die „Kaolinitgruppe“ mit der Systemnummer 9.ED.05 bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Nakrit die System- und Mineralnummer 71.01.01.03. Auch dies entspricht der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Schichtsilikatminerale“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Schichtsilikate: Schichten von sechsgliedrigen Ringen mit 1:1-Lagen“ in der „Kaolinitgruppe“, in der auch Dickit, Kaolinit, Halloysit-7Å, Endellit und Odinit eingeordnet sind.

Kristallstruktur

Bearbeiten

Nakrit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem in der Raumgruppe Cc (Raumgruppen-Nr. 9)Vorlage:Raumgruppe/9 mit den Gitterparametern a = 8,91 Å, b = 5,15 Å, c = 15,70 Å und β = 113,7° sowie 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle[4].

Modifikationen und Varietäten

Bearbeiten

Eine grobschuppige Varietät von Nakrit wird als Pholerit bezeichnet.[13]

Bildung und Fundorte

Bearbeiten
 
Pseudomorphose von Nakrit nach Feldspat aus dem Saubachtal, Vogtland

Nakrit bildet sich in Hohlräumen hydrothermaler Lagerstätten. Begleitminerale sind unter anderem Calcit, Dolomit, Fluorit, Quarz und Topas.

Als seltene Mineralbildung konnte Nakrit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 130 Vorkommen dokumentiert sind (Stand 2024).[14] Neben seiner Typlokalität Grube Einigkeit bei Brand-Erbisdorf trat das Mineral in Deutschland noch in einigen weiteren Bergwerken im sächsischen Erzgebirge zutage. Weitere Fundorte sind unter anderem Schweighausen im Schwarzwald in Baden-Württemberg; Bad Berneck, Joditz und Wölsendorf (Schwandorf) in Bayern, Sankt Andreasberg im niedersächsischen Harz, die Zechen Zollverein, Julia und Wilder Mann in Nordrhein-Westfalen, Bad Ems und Dannenfels in Rheinland-Pfalz, die Grube Korb bei Eisen (Nohfelden) im Saarland sowie Ronneburg und im Steinbruch Henneberg bei Weitisberga in Thüringen.

In Österreich fand sich Nakrit bisher nur am Katschberg, genauer in Gesteinsproben, die beim Bau des Katschbergtunnels für die Tauern Autobahn zwischen Kärnten und Salzburg entnommen wurden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, China, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, der Demokratischen Republik Kongo, Mexiko, Namibia, Polen, Schweden, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Südkorea, Tschechien, Ukraine, Ungarn, in Großbritannien (UK) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[15]

Auch in Mineralproben vom Schlotfeld „Seven Sisters“ am Kolbeinsey-Rücken nahe dem gleichnamigen vulkanischen Felsen nördlich von Island konnte Nakrit nachgewiesen werden.[15]

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Nacrite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 841.
  3. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  4. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 675 (englisch).
  5. David Barthelmy: Nacrite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 3. Mai 2019 (englisch).
  6. a b c d Nacrite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 75 kB; abgerufen am 6. Juli 2024]).
  7. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  8. a b c d e Nacrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. Juli 2024 (englisch).
  9. Bergbaulandschaft Freiberg. In: montanregion-erzgebirge.de. Welterbe Montanregion Erzgebirge e.V., abgerufen am 6. Juli 2024 (siehe auch Bergbaulandschaft Brand-Erbisdorf).
  10. Typlokalität Grube Einigkeit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 6. Juli 2024.
  11. Catalogue of Type Mineral Specimens – N. (PDF 160 kB) Commission on Museums (IMA), 10. Februar 2021, abgerufen am 6. Juli 2024.
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  13. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 565.
  14. Localities for Nacrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. Juli 2024 (englisch).
  15. a b Fundortliste für Nakrit (Nacrite) beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 6. Juli 2024.