Landschaftsleistungen bezeichnen Eigenschaften von Landschaften, die für Einzelpersonen und die Gesellschaft einen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nutzen haben. Der Begriff Landschaftsleistungen beruht auf einem interdisziplinären Forschungsansatz, mit welchem die Funktionen von Landschaften beschrieben werden.[1] Wird auch – beziehungsweise vorrangig – der ökologische Nutzen betrachtet, spricht man eher von Ökosystemdienstleistungen.

Zyklisches Modell «Landschaftsleistungen stärken Landschaftsqualitäten»

Beschreibung

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Landschaften bilden die räumlichen Grundlagen des Lebens. Um die Vielzahl an Eigenschaften und Funktionen, die Landschaften für die Menschen haben, zu beschreiben, wurde der partizipative Ansatz der Landschaftsleistungen entwickelt.[2] Der Ansatz soll die Grundlagen für die Ausgestaltung der Landschaften schaffen. Partizipativ ist der Ansatz, da das Zusammenspiel von Öffentlichkeit, Politik und Forschung eine entscheidende Rolle für die nachhaltige Entwicklung von Landschaften und bei der Planung und Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen spielt.

Vier Landschaftsleistungen

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Das transdisziplinäre Projekt des Bundesamtes für Umwelt “Landschaften zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung”, in welchem der Begriff Landschaftsleistungen erstmals für die Schweiz definiert wurde, unterscheidet vier verschiedene Bereiche von Landschaftsleistungen.[3]

Identifikation und Verbundenheit

Landschaften können ein Gefühl von Verbundenheit hervorrufen. Wichtig sind dabei natürliche Gegebenheiten, die Geschichte, die menschliche Nutzung und die Baukultur. Emotionale Aspekte wie Vertrautheit, Geborgenheit, Sicherheit und soziale Strukturen wie Familie, Freunde und Vereine sowie gemeinschaftsstiftende Elemente wie Tradition, Bräuche und Sprache bilden eine wichtige Grundlage für die Identifikation. Diese wird oft auch mit dem Begriff “Heimat” umschrieben.[4][5]

Ästhetischer Genuss

Das Erleben von ästhetisch ansprechenden Landschaften löst positive Gefühle aus. Welche Arten von Landschaften dabei besonders geschätzt und genossen werden, ist über die Zeit ziemlich stabil, kann sich aber individuell und kulturell unterscheiden.[6][7]

Erholung und Gesundheit

Vielfältige und qualitativ hochwertige Landschaften locken die Menschen nach draußen. Der positive Einfluss des Genusses von Landschaften sowohl auf die Psyche als auch auf den Körper konnte in verschiedenen Studien nachgewiesen werden.[8][9][10]

Standortattraktivität

Auch aus ökonomischer Sicht haben Landschaften einen Wert. Attraktive Landschaften sind nicht nur bevorzugte Wohn- und Ferienorte. Sie sind auch ein entscheidendes touristisches Kapital. Somit können Landschaften einen wesentlichen Teil zur Wertschöpfung beitragen.[11]

Anwendung

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Das Konzept der Landschaftsleistungen kann in Projekten der Raum- und Landschaftsplanung dafür verwendet werden, Potenziale von Landschaften zu benennen und so gezielt Qualitäten von Landschaften zu stärken. Zu Projektbeginn werden dafür Befragungen und Gespräche mit der lokalen Bevölkerung und anderen Beteiligten durchgeführt. Die für sie wichtigen Landschaftsleistungen werden so ermittelt. Bei diesem Prozess wird erörtert, welche landschaftlichen und baukulturellen Eigenschaften diesen Leistungen zugrunde liegen und welche Qualitäten der jeweiligen Landschaft in Zukunft gezielt gefördert werden sollen. Anschließend werden Maßnahmen eingeleitet, die diese Landschaftsqualitäten stärken bzw. entwickeln sollen. Ein zentraler Aspekt des Ansatzes ist es, dass die lokale Bevölkerung bei jedem Schritt dieses Prozesses einbezogen wird.[1]

Die folgenden Schritte werden in der Forschungsliteratur als Teil des Prozesses beschrieben:[1][12]

Identifizieren der Landschaftsleistungen    

Die lokale Bevölkerung lernt die vertraute Landschaft mit ihren natürlichen und baukulturellen Qualitäten besser zu lesen und identifiziert die Landschaftsleistungen. Erwünschte landschaftliche Verbesserungen und Landschaftsleistungen werden im Gespräch oder in Workshops angesprochen.

Erkennen der Potenziale

Bei diesem Schritt wird entweder gemeinsam in einer Projektgruppe bestimmt oder von den Strategien und Zielen des Projekts abgeleitet, welche Leistungen eine Landschaft erbringen kann.

Finden der relevanten Gruppen

Die für das Projekt relevanten Akteurs- und/oder Zielgruppen, also Personen, die sich mit dem Potenzial der Landschaft auseinandersetzen wollen oder sollen, werden gesucht und eingeladen, sich bei der Entwicklung des Projekts zu beteiligen. Dabei werden Schlüsselpersonen identifiziert und zur Mitwirkung motiviert.

Aufbau von Strukturen

Anfänglich informelle Strukturen werden in bereits bestehende oder neue formellere Strukturen für die Weiterführung der Umsetzungsprojekte überführt.

Entwicklung der Projekte

Projektideen zur Stärkung der Landschaftsqualitäten werden gemeinsam skizziert. Dabei werden auch noch fehlende Akteursgruppen identifiziert und eingeladen, beim Projekt mitzuwirken.

Projektumsetzung

Die relevanten Zielgruppen und Akteure werden einbezogen und die landschaftspolitischen Instrumente werden für die Umsetzung genutzt.[13]

Stärkung der Qualitäten

Die relevanten und gewünschten Qualitäten der Landschaft werden durch konkrete Projekte gestärkt.

Wirkungskontrolle

Nach dem Prozess wird überprüft, ob die definierten Ziele erreicht wurden oder ob weitere Maßnahmen nötig sind.

Beispiele

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  • Im Gebiet um das Hudelmoos, ein Naturschutzgebiet auf dem Gebiet der thurgauischen Gemeinden Zihlschlacht-Sitterdorf und Amriswil und der St. Galler Gemeinde Muolen, wurde ein Projekt durchgeführt, das sich auf den Ansatz der Landschaftsleistungen stützt. Das Projekt wurde als Mitwirkungsprozess gestaltet. Dafür wurden die Behörden umliegender Gemeinden, Mooskorporationen, Bürgergemeinden, Jäger, Försterinnen, Naturschützer, Schulen und Landwirte eingebunden. Ziel des Projektes war es, die Wertschätzung für das Gebiet zu steigern.[14]
  • Im September und Oktober 2020 wurde im Val d’Hérens der so genannte "Mois du paysage" (Dt. “Monat der Landschaften”) organisiert. Bei dem von der Universität Lausanne durchgeführten Projekt wurden verschiedene Exkursionen, Workshops und weitere Veranstaltungen angeboten, bei denen die Landschaftsleistungen des Tals erlebbar gemacht wurden.[15]
  • Für das Unesco-Weltkulturerbe Lavaux im Kanton Waadt wurde ein Managementplan mit Hilfe des Ansatzes der Landschaftsleistungen entwickelt. Der Managementplan legt fest, wie der außergewöhnliche universelle Wert einer Welterbestätte erhalten wird. Der Verein «Lavaux Patrimoine mondial», der für die Verwaltung des Welterbegebietes verantwortlich ist, hat den Managementplan für das «Lavaux, vignoble en terrasses» im Jahr 2007 entwickelt.[16] Bei dessen Überarbeitung im Jahr 2021 wurde ein Forschungsteam der Universität Lausanne beteiligt, das gemeinsam mit dem Verein eine Methode zum Einbezug der Landschaftsleistungen entwickeln sollte.[14]
  • Die Plattform landschaftswissen.ch hat in Kooperation mit der Universität Zürich und der Pädagogischen Hochschule Zürich eine Informationsbroschüre entwickelt. Zusammen mit der Webseite soll diese Lehrpersonen unterstützen, Landschaftsleistungen im Unterricht zu thematisieren.[17]

Stärken und Grenzen des Ansatzes

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Die Stärken des Ansatzes liegen darin, dass damit anschaulich aufgezeigt werden kann, welchen Nutzen Landschaften für Menschen erbringen. Das Konzept bietet somit eine Grundlage für den Dialog zwischen verschiedenen Interessensgruppen bei der Gestaltung von Landschaften. Der Ansatz unterscheidet sich somit von anderen partizipativen Planungsprozessen, bei denen die verschiedenen Interessen und Ansprüche evaluiert und koordiniert werden. Die Beteiligten werden durch den Fokus auf Leistungen direkt angesprochen und können sich Gedanken über die gewünschte landschaftliche Entwicklung machen. Somit macht das Konzept der Landschaftsleistungen eine fundierte Diskussion über die Qualitäten von Landschaften möglich.[18]

Indem der Mehrwert der Landschaft für die Menschen vor Ort genau benannt wird, kann zudem auch die Akzeptanz für Maßnahmen zum Schutz und zum schonenden Umgang mit den Landschaftsqualitäten gesteigert werden.[19]

Die Grenze des Ansatzes liegt darin, dass Wert und Nutzen von Landschaften nicht unmittelbar ökonomisch erfasst werden können. Das Genießen einer Landschaft mit allen Sinnen oder Gefühlen der Verbundenheit kann nicht in finanzielle Werte umgewandelt werden. Zwar existieren Methoden und Studien, die den wirtschaftlichen Mehrwert einzelner Landschaftsteile bewerten, aber solche Bewertungen sind aus mehreren Gründen umstritten. Einerseits gibt es aus ethischer Sicht Kritik an solchen Methoden, den Wert von Natur und Landschaft ökonomisch zu benennen. Andererseits werden die verwendeten Methoden und die Zuverlässigkeit der generierten Zahlen kritisiert. Zudem ist Landschaft ein öffentliches Gut, während monetäre Werte entweder privatisiert sind (z. B. höhere Grundstückspreise wegen attraktiver Lage) oder lediglich fiktiv (z. B. Zahlungsbereitschaft für Waldspaziergang) angegeben werden können.[11]

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Einzelnachweise

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  1. a b c Roger Keller, Mélanie Clivaz, Norman Backhaus, Emmanuel Reynard, Peter Lehmann, Ursula Schüpbach: Leistungen von Landschaften fassbar machen. In: Swiss Academies Factsheets 17 (1). Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), 2022, abgerufen am 25. Mai 2022.
  2. Roger Keller, Norman Backhaus: Landschaft zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung – Wie sich zentrale Landschaftsleistungen stärker in Politik und Praxis verankern lassen. Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2017, abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).
  3. Roger Keller, Norman Backhaus: Landschaft zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung – Wie sich zentrale Landschaftsleistungen stärker in Politik und Praxis verankern lassen. Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2017, S. 31, abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).
  4. Roger Keller, Norman Backhaus: Landschaft zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung – Wie sich zentrale Landschaftsleistungen stärker in Politik und Praxis verankern lassen. Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2017, S. 19, abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).
  5. Marcel Hunziker: Beurteilung der Landschaft durch die Bevölkerung - theoretische Grundlagen und empirische Beispiele. In: Institut für Landschaft und Freiraum (Hrsg.): Landschaftsqualität im urbanen und periurbanen Raum. Haupt, Bern 2016, S. 17 – 24.
  6. G.H. Orians: Habitat selection: General theory and applications to human behavior. In: J. S. Lockard (Hrsg.): The evolution of human social behavior. Elsevier, Amsterdam 1980, S. 49 – 63.
  7. Rachel Kaplan, Stephen Kaplan: The experience of nature : a psychological perspective. Cambridge University Press, 1989.
  8. Andrea Abraham, Kathrin Sommerhalder, Heinz Bolliger-Salzmann, Thomas Abel: Landschaft und Gesundheit. Das Potential einer Verbindung zweier Konzepte. Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern, 2007, abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).
  9. Mathias Hofmann, Christopher Young, Tina Binz, Markus Baumgartner, Nicole Bauer: Contact to Nature Benefits Health: Mixed Effectiveness of Different Mechanisms. In: International Journal of Environmental Research and Public Health. Band 15, Nr. 1, 25. Dezember 2017, ISSN 1660-4601, S. 31, doi:10.3390/ijerph15010031, PMID 29295586, PMC 5800131 (freier Volltext) – (mdpi.com [abgerufen am 5. April 2022]).
  10. Biodiversität, eine Garantie für Gesundheit? Abgerufen am 14. April 2022.
  11. a b Chantal Cartier, Jürg Schmid: Chance Landschaft – Eine touristische Potenzialbetrachtung. Schmid Pelli & Partner AG im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Januar 2021, abgerufen am 14. April 2022 (deutsch).
  12. Roger Keller, Mélanie Clivaz, Norman Backhaus, Emmanuel Reynard: Landschaftsleistungen in Landschaften von nationaler Bedeutung – Forschungsbericht mit Handlungsempfehlungen für Bund, Kantone, Gemeinden, NGOs und Bewirtschaftende. Geographisches Institut der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU, 2019, abgerufen am 14. April 2022 (deutsch).
  13. Urs Steiger: Den Landschaftswandel gestalten. Überblick über landschaftspolitische Instrumente. Bundesamt für Umwelt BAFU, 2016, abgerufen am 7. April 2022 (deutsch).
  14. a b Landschaftsleistungen. Abgerufen am 5. April 2022.
  15. Mois du paysage dans le Val d'Hérens. Abgerufen am 14. April 2022 (französisch).
  16. Lavaux, vignoble en terrasses - Lavaux Patrimoine mondial de l’UNESCO. Abgerufen am 14. April 2022 (französisch).
  17. landschaftswissen.ch. Abgerufen am 14. April 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  18. Karina Liechti, Laura Ebneter: Landschaftsqualität in der Welterbe-Region - Beispiele aus dem Wallis. 2017, doi:10.7892/BORIS.99076 (unibe.ch [abgerufen am 5. April 2022]).
  19. Roger Keller: Landschaften kennen und wertschätzen lernen. In: www.zh.ch/umweltpraxis. ZUP Zürcher Umweltpraxis, April 2021, abgerufen am 8. April 2022 (deutsch).