Leidener Wigalois-Handschrift
Die Leidener Wigalois-Handschrift ist das älteste, illuminierte Manuskript des Artusromans Wigalois des Wirnt von Grafenberg. Sie wird heute unter der Signatur LTK 537 in der Universitätsbibliothek Leiden aufbewahrt und ist in der Wigalois-Forschung auch als Handschrift B bekannt.
Beschreibung
BearbeitenKodikologie
BearbeitenEs handelt sich um eine Pergamenthandschrift aus 115 Blättern mit je einem vor- und nachgehefteten Blatt des Formats 241 × 167 mm. Die Seiten sind zweispaltig in einem Schriftspiegel der Größe 182 × 136 mm beschrieben.
Im Codex ist nur der Wigalois enthalten.
Schrift
BearbeitenDer Text besteht überwiegend aus einer gotischen Minuskelschrift und ist in Versen abgesetzt. Der Versbeginn wird mit einer rubrizierten Majuskel ausgezeichnet, ein neuer Textabschnitt durch eine zweizeilige rote oder blaue Lombarden.
Sprache
BearbeitenDer Schreiber scheint vornehmlich Niederdeutsch geschrieben zu haben, wie das von ihm verfasste Kolophon zeigt. Die von ihm verwendete Wigalois-Vorlage jedoch wird eine mitteldeutsche, vielleicht thüringische Handschrift gewesen sein.[1] Interessanterweise treten in den Spruchbändern der Miniaturen sprachliche Mischformen auf, wo Verse direkt aus dem Roman übernommen werden, wohingegen Mittelniederdeutsch bei Neuschöpfung der Spruchbandtexte begegnet.[2]
Miniaturen
BearbeitenLTK 537 enthält 47 zumeist halbseitige Miniaturen.
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Universitätsbibliothek Leiden, LTK 537, Vorblatt und fol. 1r
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Universitätsbibliothek Leiden, LTK 537, fol. 71v/72r
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Universitätsbibliothek Leiden, LTK 537, fol. 72v
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Universitätsbibliothek Leiden, LTK 537, fol. 79r
Entstehung
BearbeitenGeschrieben wurde das Buch nach Ausweis des Kolophons auf fol. 117v 1372 von einem Mönch aus dem Zisterzienserkloster Amelungsborn mit dem Namen Jan von Braunschweig. Die Handschrift entstand für Herzog Albrecht I. von Braunschweig-Grubenhagen, dessen Wappen auf einem nachgeschalteten Blatt neben der Schreiberminiatur zu sehen ist. Der Kolophontext lautet:
„Dit bok is ghescreven na godes bort dritteynhundert jar in deme twe unde Seventigesten jare in dem hilghen avende to twelften. unde heft ghescreven her jan von brunswik monek tho (ame)l(un)gesbo(rn) und dit bok hort hertzoghen alberte here tho brunswik [unleserlich].“
Provenienz
BearbeitenNach der Herstellung im Kloster Amelungsborn wird die Handschrift in den Besitz Herzog Albrechts übergegangen sein. Von Cyriacus Spangenberg ging die Handschrift an die Grafen von Mansfeld über, deren Schlossprediger Spangenberg war. Peter Ernst I. von Mansfeld, spanischer Statthalter Luxemburgs, könnte die Handschrift in diese Region mitgenommen haben.[3] Dort wird sie 1674 vom Gelehrten Alexander Wiltheim in seiner Schrift Vita venerabilis Yolandae als Bestand seiner Bibliothek geführt.[3] 1789 vermachte der Amsterdamer Zacharias Henric Alewijn die Handschrift der Maatschappij der Nederlandse Letterkunde, die sie als Langzeitdauerleihgabe an die Leidener Universitätsbibliothek stellt.
Literatur
Bearbeiten- Edward Schröder: Die Leidener Wigaloishs. In: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 45 (1901), S. 228.
- Victor Curt Habicht: Zu den Miniaturen der Leidener Wigalois-Handschrift. In: Der Cicerone 14 (1922), S. 471–475.
- Wolfgang Stammler: Zur Leidener Wigaloishandschrift. In: Der Cicerone 14 (1922), S. 699f.
- Johannes Marie Neele Kapteyn (Hrsg.): Wigalois der Ritter mit dem Rade von Wirnt von Gravenberc (= Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde. Band 9). Bonn 1926.
- Werner Fechter: Zu den Wigalois-Handschriften. In: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 71 (1934), S. 258.
- Heribert A. Hilgers: Materialien zur Überlieferung von Wirnts Wigalois. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 93 (1971), S. 228–288.
- Ingeborg Henderson: Manuscript Illustrations as Generic Determinants in Wirnt von Gravenberg’s Wigalois. In: Hubert Heinen (Hrsg.): Genres in Medieval German Literature (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 439). Göppingen 1986, S. 59–73.
- Hans-Jochen Schiewer: Ein ris ich dar vmbe abe brach / Von sinem wunder bovme. Beobachtungen zur Überlieferung des nachklassischen Artusromans im 13. und 14. Jahrhundert. In: Volker Honemann, Nigel F. Palmer (Hrsg.): Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Tübingen 1988, S. 222–278.
- Antonia Gräber: Bild und Text bei Wirnts von Gravenberg Wigalois. Magisterarbeit Freiburg im Breisgau 2001.
- Anja Becker: Dialogszenen in Text und Bild. Beobachtungen zur Leidener Wigalois-Handschrift. In: Nine Miedema, Franz Hundsnurscher (Hrsg.): Formen und Funktionen von Redeszenen in der mittelhochdeutschen Großepik (= Beiträge zur Dialogforschung. Band 36). Tübingen 2007, S. 19–41.
- Kristina Domanski, Margit Krenn: Liebesleid und Ritterspiel. Mittelalterliche Bilder erzählen große Geschichten. WBG, Darmstadt 2012, S. 66–76.
- James H. Brown: Imagining the Text. Ekphrasis and Envisioning Courtly Identity in Wirnt von Grafenberg’s Wigalois (= Visualising the Middle Ages. Band 10). Brill, Leiden/Boston 2016.
- Gesine Mierke, Christoph Schanze: Wigalois am Rande des Paradieses. Zum Bildprogramm des Leidener ›Wigalois‹-Codex. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 143 (2021), S. 596–631.
- Manuel Hoder: Text – Wappen – Bild. Ikonographie und Poetik des Heraldischen im Wigalois Wirnts von Grafenberg und im Bildprogramm der Leidener Handschrift. In: Cora Dietl, Christoph Schanze, Friedrich Wolfzettel (Hrsg.): Artusroman und Bildlichkeit (= Schriften der Internationalen Artusgesellschaft. Band 17). De Gruyter, Berlin/Boston 2023, S. 71–120.
- Christoph Schanze: Ritter und Damen mit Hündchen. Zu einem rekurrenten Bildmotiv im Leidener Wigalois-Codex. In: Cora Dietl, Christoph Schanze, Friedrich Wolfzettel (Hrsg.): Artusroman und Bildlichkeit (= Schriften der Internationalen Artusgesellschaft. Band 17). De Gruyter, Berlin/Boston 2023, S. 151–182.
- Martin Baisch, Anabel Recker: Ein Traum von arthurischer sælde. Die Leidener Wigalois-Handschrift (Leiden, Universiteitsbibliotheek, Ltk. 537, Sigle B). In: Martin Baisch, Malena Ratzke, Regina Toepfer (Hrsg.): Von Widukind zur ‚Sassine‘. Prozesse der Konstruktion und Transformation regionaler Identität im norddeutschen Raum (= Forschungen zu Kunst, Geschichte und Literatur des Mittelalters. Band 4). Böhlau, Wien/Köln 2023, S. 99–130.
Weblinks
Bearbeiten- Eintrag im Handschriftencensus
- Digital Collections der Universitätsbibliothek Leiden
- Wigalois, a German Arthurian Hero
- Arthurian Hero Meets Cistercian Monks in Bonn
- Hans Jürgen Scheuer: Ritter Wigalois und der Graue Rock. Zur Strahlkraft der Farbe Grau in vormoderner Dichtung, Miniatur und Tafelmalerei (Wirnt von Grafenberg – Jan von Brunswick – Hans Holbein der Ältere)
- Programm der Tagung zur Leidener Wigalois-Handschrift im Oktober 2023
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Johannes Marie Neele Kapteyn (Hrsg.): Wigalois der Ritter mit dem Rade von Wirnt von Gravenberc (= Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde. Band 9). Bonn 1926, S. 31.
- ↑ Edward Schröder: Die Leidener Wigaloishs. In: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 45 (1901), S. 228.
- ↑ a b Werner Fechter: Zu den Wigalois-Handschriften. In: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 71 (1934), S. 258.