Meeresspiegel

Höhen­niveau der Meeres­oberfläche
(Weitergeleitet von Meeresoberfläche)

Der Meeresspiegel ist das Höhen­niveau der Meeres­oberfläche. Er entspricht genähert einer Äquipotentialfläche des Erdschwerefeldes. Von einem langjährigen mittleren Meeresspiegel ist der momentane Meeresspiegel zu unterscheiden, der von Gezeiten, Wind und Wellen, Strömungen und Salzgehalt beeinflusst wird.

Mittlerer Meeresspiegel

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Auf dem Weg von Jerusalem zum Toten Meer passiert man mitten in der Wüste diesen Parkplatz auf der Höhe des Meeresspiegels

In der Geodäsie dient oft ein mittlerer Wasserspiegel (MW) als Nullniveau für Höhenangaben (Meereshöhen). Dazu werden die an Küstenpegeln (Mareografen) gemessenen Wasserstände über Jahrzehnte hinweg gemittelt, sodass jahreszeitliche Effekte und die Gezeiten praktisch eliminiert sind. Solche in verschiedenen Zeiträumen ermittelten Mittelwerte verschiedener Pegelstationen liegen jedoch nicht genau auf einer Äquipotentialfläche, weshalb sich die Nullniveaus der Höhensysteme verschiedener Länder etwas unterscheiden. Beispielsweise differieren die Mittelmeer-Pegel Triest und Genua zum Amsterdamer Pegel um etwa 30 cm.

Der mittlere Meeresspiegel entspricht weitgehend dem Geoid und wird auch als Bezugsfläche für ein Geodätisches Erdmodell benutzt. Die Abweichungen vom Geoid werden vor allem von Meeresströmungen bewirkt und können einige Dezimeter erreichen.

Momentaner Meeresspiegel

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Gezeiten und Wind

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An den meisten Orten schwankt der Meeresspiegel im Verlaufe des Tages durch die Gezeiten. Sie haben eine Periode von durchschnittlich 12½ Stunden und hängen vom Stand des Mondes und in schwächerem Ausmaße vom Sonnenstand ab. Hochwasser (als höchster Punkt der Flut) herrscht in dem Meeresgebiet, über dem der Mond steht, und auf der genau gegenüberliegenden Seite, während das Niedrigwasser dazwischen auftritt. Eine besonders starke Flut, die Springflut, entsteht, wenn Mond und Sonne auf derselben Seite der Erde stehen (zu Neumond, der Konjunktion von Sonne und Mond) oder wenn sie einander gegenüberstehen (zu Vollmond, der Opposition von Sonne und Mond).

Während der Gezeitenhub auf dem freien Meer höchstens ± 0,5 Meter ausmacht, ist er in Küsten­nähe aufgrund von Staueffekten oft merklich größer (Werte von mehreren Metern lassen sich durch Gezeitenkraftwerke nutzen). Wird der Hub durch auflandige Winde (Winde zum Land hin) verstärkt, kann eine Sturmflut entstehen. Als Nippflut bezeichnet man jene Flut, bei der Sonne und Mond von der Erde aus betrachtet in einem Winkel von 90° zueinander stehen (zunehmender oder abnehmender Halbmond) und die Flut deshalb schwächer ausgeprägt ist.

Durch die gezeitenbedingten Wasserstandsunterschiede und die damit verbundenen Verschiebungen riesiger Wassermassen entstehen in flachen Gewässern, an Kaps und an Engstellen zwischen Inseln starke Strömungen (siehe Gezeitenstrom).

Video: Regionale Unterschiede beim Meeresspiegelanstieg

Wind über größere Distanzen (Fetch) erzeugt durch kontinuierliche Adhäsion[Quelle?] an der Wasseroberfläche am ferneren Ende einer Wasserfläche eine Hebung des Wasserspiegels. Dabei bewegt sich Oberflächenwasser langsam in Windrichtung (Driftstrom). Am näheren Ende entsteht dadurch eine Absenkung. An Engstellen, beispielsweise zwischen Inseln, werden sowohl die Wasserstandsunterschiede als auch die Strömung verstärkt.

Geringeren, aber messbaren Einfluss haben auch regionale Unterschiede in der Wassertemperatur und im Salzgehalt. Sie sind die Ursachen der meisten Meeresströmungen.

Regionale Unterschiede der Erdanziehungskraft

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Die geometrische Höhe der Wasseroberfläche (die als annähernd ellipsoidisch betrachtet werden kann) hängt auch von der Dichteverteilung im Erdinneren ab: Je dichter der regionale Erdmantel ist, umso höher ist an diesen Stellen die Schwerkraft. So liegt der Wasserspiegel im Indischen Ozean bei Sri Lanka bis zu 105 Meter tiefer als im Durchschnitt, nordöstlich von Australien bei Neuguinea ist der Meeresspiegel bis zu 80 Meter höher als im Durchschnitt. Der Wasserspiegel passt sich also dem lokalen Gravitationspotential der Erde an. Ein Schiff, das der beschriebenen Strecke folgt, verrichtet daher keine Arbeit zur Überwindung der Höhenunterschiede. Damit alle Punkte mit dem gleichen Schwerepotential (welche eine Äquipotentialfläche bilden) die gleiche Höhe besitzen, wird die Höhe auch physikalisch definiert (siehe auch Geoid).

Schwankungen des Meeresspiegels in geologischen Zeiträumen

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Rekonstruktionen des eustatischen Meeresspiegels vom Kambrium (rechts) bis heute (links)
Der schwarze Balken (links unten) stellt den Schwankungsbereich des eustatischen Meeresspiegels während des Pleistozäns dar
(zur besseren Lesbarkeit etwas vom linken Rand abgerückt).
 
Meeresspiegel von vor 20.000 Jahren bis heute

Mittel- bis langzyklische Schwankungen des globalen mittleren Meeresspiegels in Größenordnungen von mehreren zehner bis wenigen hundert Metern sind erdgeschichtliche Normalität. Diese werden als eustatische Meeresspiegelschwankungen bezeichnet. In den vergangenen 540 Millionen Jahren (Phanerozoikum) sind in der geologischen Überlieferung eine Vielzahl von Phasen mit hohem (insbesondere im Ordovizium und in der Oberkreide) und tiefem (insbesondere in Karbon, Perm, Trias und im jüngeren Känozoikum) eustatischem Meeresspiegel identifiziert worden. Schätzungen des mittleren eustatischen Meeresspiegels im Phanerozoikum zeigen, dass sich die Erde zurzeit in einer Phase mit sehr niedrigem eustatischem Meeresspiegel befindet. Neben den für den aktuell gemessenen eustatischen Meeresspiegelanstieg verantwortlich gemachten klimatischen Faktoren spielen in geologischen Zeiträumen auch die Geodynamik (speziell Schwankungen in der Ozeanbodenspreizungs­rate) und, sowohl klimatisch als auch geodynamisch beeinflusst, isostatische Vertikalbewegungen der ozeanischen Erdkruste eine Rolle.[1]

In geologischem Kontext, das heißt vor allem hinsichtlich des Einflusses des Meeresspiegels auf Sedimentation und Erosion, wird ein Anstieg des Meeresspiegels bzw. ein landeinwärtiges Wandern der Küstenlinien als Transgression und ein Fallen des Meeresspiegels bzw. ein seewärtiges Wandern der Küstenlinien als Regression bezeichnet. Ein sehr langsames, „tastendes“ Vordringen des Meeres wird Ingression genannt. Jedoch zeigen regional beobachtete Transgressionen bzw. Regressionen nicht zwangsläufig eine Änderung des eustatischen Meeresspiegels an, denn dass in einer bestimmten Region das Meer vordringt oder zurückweicht, kann auch mit einer regionalen Absenkung (Subsidenz) bzw. Hebung („Uplift“) der kontinentalen Erdkruste zusammenhängen.

Während der letzten Kaltzeit sank der Meeresspiegel ab und lag an seinem Tiefpunkt über 100 Meter tiefer als heute. Durch die vergrößerte Landfläche entstanden vielerorts Landbrücken zwischen Gebieten, die vorher – und auch später wieder – durch Meerwasser voneinander getrennt waren. In dieser Zeit war Doggerland eine fruchtbare Landschaft auf dem Gebiet der heutigen Nordsee. Vor etwa 10.000 Jahren, als der Meeresspiegel im Norden Europas rund 60 Meter tiefer als heute lag, verband Doggerland die Insel Großbritannien mit dem westeuropäischen Festland und Skandinavien.[2]

Globaler Anstieg des Meeresspiegels ab dem 19. Jahrhundert

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Von 1870 bis 2009 stieg der mittlere Meeresspiegel um etwa 25 cm

Seit etwa 1880 gibt es einen messbaren Meeresspiegelanstieg. Auswertungen von Pegelmessungen und Messungen mittels Satellitenaltimetrie haben ergeben, dass zwischen 1901 und 2018 der Meeresspiegel im globalen Mittel um ca. 20 cm (±5 cm) angestiegen ist. Hauptursache, mindestens seit den 1970er-Jahren, ist die anthropogene Globale Erwärmung, die Gletscher und Eisschilde in der Westantarktis und auf Grönland schmelzen lässt sowie zur thermischen Ausdehnung des Meerwassers führt. Der Meeresspiegelanstieg beschleunigt sich: Der durchschnittliche Anstieg im Zeitraum von 1901 bis 1971 wird im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC mit 1,3 mm/Jahr angegeben, im Zeitraum 1971 bis 2006 waren es 1,9 mm/Jahr, zwischen 2006 und 2018 3,7 mm/Jahr.[3] Von einem langfristigen Anstieg wären besonders tief liegende Küstengebiete und -städte sowie Inseln betroffen.

Diese Änderungen fallen regional unterschiedlich aus. Zwar stieg der Meeresspiegel zwischen 1992 und 2018 auf 98 % der Meeresoberfläche an, die Beschleunigung war jedoch uneinheitlich. Regionale Abweichungen vom mittleren Meeresspiegelanstieg sind vor allem auf Abweichungen von Driftströmungen, unterschiedliche Süßwassereinträge und die räumliche Variabilität atmosphärischen Wärmetransports zurückzuführen. In Regionen, die während der letzten Kaltzeit von Eisschilden bedeckt waren, spielt auch postglaziale Landhebung eine Rolle. Manche Städte und Flussdeltas sind vom Absinken durch Grundwasserentnahme, der Extraktion fossiler Brennstoffe oder neuen Staudämme betroffen. Das Abschmelzen der Eisschilde in Arktis und Antarktis bedeutet Massenverlagerungen, die das Geoid ändern: Die Gravitationskraft, die die Eisschilde auf das Meerwasser ausüben, nimmt ab und dadurch steigt der Meeresspiegel in niedrigen Breiten rascher als in hohen.[4]

Siehe auch

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Commons: Meeresspiegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Meeresspiegel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Steven Holland: Accomodation. An Online Guide to Sequence Stratigraphy. University of Georgia (UGA) Stratigraphy Lab, 2008 (abgerufen am 17. Juni 2013).
  2. Alexander Freund: Doggerland: Wie versank das Atlantis der Nordsee? Deutsche Welle, 27. November 2020
  3. IPCC (Hrsg.): Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2023, A.2.1, B.3.1, B.3.2, B.3.3, doi:10.59327/IPCC/AR6-9789291691647.
  4. B. Fox-Kemper, H. T. Hewitt, C. Xiao, G. Aðalgeirsdóttir, S. S. Drijfhout, T. L. Edwards, N. R. Golledge, M. Hemer, R. E. Kopp, G. Krinner, A. Mix, D. Notz, S. Nowicki, I. S. Nurhati, L. Ruiz, J.-B. Sallée, A. B. A. Slangen, Y. Yu: Ocean, Cryosphere and Sea Level Change. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. S. 1289–1290, 1318, doi:10.1017/9781009157896.011.