Murder, My Sweet

Spielfilm von Edward Dmytryk
(Weitergeleitet von Mord, mein Liebling)

Murder, My Sweet (Alternativtitel: Mord, mein Liebling und Leb wohl, Liebling) ist ein in Schwarzweiß gedrehter US-amerikanischer Film noir von Edward Dmytryk aus dem Jahr 1944. Der Film basiert auf dem Kriminalroman Farewell, My Lovely (deutsch Lebwohl, mein Liebling, früher Betrogen und gesühnt) von Raymond Chandler und ist der erste Filmauftritt von Chandlers Figur Philip Marlowe. Murder, My Sweet zählt neben Die Spur des Falken, Laura und Frau ohne Gewissen zu den frühen und wegbereitenden Vertretern des Film noir.

Film
Titel Murder, My Sweet
Produktionsland Vereinigte Staaten
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1944
Länge 95 Minuten
Altersfreigabe
Produktions­unternehmen RKO Pictures
Stab
Regie Edward Dmytryk
Drehbuch John Paxton
Produktion Adrian Scott
Musik Roy Webb
Kamera Harry J. Wild
Schnitt Joseph Noriega
Besetzung

Privatdetektiv Philip Marlowe erhält den Auftrag, die verschwundene Freundin eines Ex-Sträflings zu suchen. Zudem ermittelt er wegen eines geraubten wertvollen Jade-Halsbandes, an dessen Wiederbeschaffung gleich mehrere Personen Interesse zeigen, die dabei wenig zimperlich vorgehen. Marlowes Recherchen führen ihn in billige Spelunken und Absteigen, in eine dubiose Privatklinik und in die vornehmen Behausungen von Los Angeles’ Oberschicht, bis der Zusammenhang zwischen beiden Fällen erkennbar wird.

Handlung

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Privatdetektiv Philip Marlowe wird auf der Wache von Polizeileutnant Randall und seinen Männern verhört. Seine Augen, die bei einem Schusswechsel Verletzungen davontrugen, sind verbunden. In einer Rückblende erzählt Marlowe, wie es zu der Schießerei kam, die drei Menschen das Leben kostete:

Marlowe erhält von dem frisch aus dem Gefängnis entlassenen Hünen Moose Malloy den Auftrag, seine verschwundene Freundin Velma Valento zu suchen. Der Nachtclub, in dem Velma auftrat, hat zwischenzeitlich den Inhaber und das Personal gewechselt. Marlowe befragt Mrs. Florian, die Witwe des früheren Besitzers, diese behauptet, Velma sei gestorben. Beim Fortgehen bemerkt Marlowe, wie Mrs. Florian eilig einen Anruf tätigt, als wolle sie jemanden warnen.

Marlowe kehrt in sein Büro zurück, wo ihn der Dandy Lindsay Marriott erwartet. Marriott beauftragt Marlowe, ihn bei der Geldübergabe für den Rückkauf von gestohlenem Schmuck zu begleiten. Am Ort der Übergabe wird Marlowe niedergeschlagen und Marriott ermordet. Als Marlowe erwacht, sieht er, wie eine junge Frau vom Tatort flüchtet. Polizeileutnant Randall warnt den Privatdetektiv, sich aus dem Fall herauszuhalten und vor allem einen Bogen um den womöglich involvierten „Heiler“ Jules Amthor zu machen.

Ann Grayle erscheint in Marlowes Büro und fragt ihn zum Verbleib eines wertvollen Jade-Halsbandes aus. Er begleitet Ann zum Anwesen ihres Vaters Llewellyn Grayle, der mit der um viele Jahre jüngeren Helen, Anns Stiefmutter, verheiratet ist. Das Halsband wurde Helen bei einem Überfall gestohlen, und Marriott hatte sich bereiterklärt, dieses zurückzukaufen. Helen bittet Marlowe, das Halsband und Marriotts Mörder zu suchen. Überraschend taucht Jules Amthor im Haus der Grayles auf; Marlowe warnt ihn, dass die Polizei ihm auf den Fersen ist.

Später treffen der Privatdetektiv und Moose Malloy in einem Nachtclub aufeinander. Moose zwingt ihn, ihn in Amthors Apartment zu begleiten. Dort beschuldigt Marlowe Amthor, gemeinsame Sache mit Marriott gemacht und einen Erpresserring betrieben zu haben; Amthor wiederum ist überzeugt, dass Marlowe vom Verbleib des Halsbandes weiß. Als Marlowe dies abstreitet, wird er niedergeschlagen, in Amthors Privatklinik geschafft und unter Drogen gesetzt. Nach drei Tagen Gefangenschaft kann Marlowe sich befreien und bei Ann untertauchen. Er erkennt in Ann die junge Frau wieder, die er am Ort von Marriotts gescheiterter Übergabe und Ermordung sah, aber Ann bestreitet jede Beteiligung an dem Verbrechen.

Marlowe fährt mit Ann zum Strandhaus der Grayles, wo Marriott zuletzt wohnte. Nach einer kurzen Annäherung zwischen den beiden kommt es zum Streit, sie wirft ihm vor, sie nur als Informantin zu benutzen. Als Helen auftritt, verlässt Ann das Haus. Helen gesteht Marlowe, dass sie Amthor ihr Halsband im Tausch gegen sein Schweigen zu ihrer ehelichen Untreue zu geben beabsichtigt habe, es aber vorher gestohlen worden sei. Sie verdächtigt Amthor, Marriott getötet zu haben, und versucht Marlowe zu überreden, ihr bei der Beseitigung Amthors zu helfen, indem er ihn ins Strandhaus lockt. Marlowe sucht Amthor in seinem Apartment auf und stößt auf dessen Leiche, offenbar wurde ihm von einem Mann mit großen Kräften das Genick gebrochen. Später erscheint Moose in Marlowes Büro. Marlowe verspricht ihm, ihn zu Velma zu bringen.

Am nächsten Abend fahren Marlowe und Moose zum Strandhaus. Marlowe schärft Moose ein, ihm erst auf sein Zeichen hin zu folgen, und geht voraus. Im Haus präsentiert Helen ihm das Halsband und erklärt, dass sie den Diebstahl nur vorgetäuscht habe, um Marriott, der sie erpresste, bei der Übergabe beseitigen zu können. Marlowe kombiniert, dass Helen auch ihn getötet hätte, wenn nicht Ann überraschend am Tatort aufgetaucht wäre. Kurz darauf erscheinen Ann und ihr Vater. Als Helen Marlowe töten will, erschießt Grayle sie. Moose, der den Schuss gehört hat, dringt in die Wohnung ein und erkennt in der toten Helen seine gesuchte Velma wieder. Moose und Grayle schießen aufeinander, Marlowe, der dazwischengehen will, wird von dem Mündungsfeuer geblendet.

Marlowe beendet seine Erzählung. Da sich diese mit der Aussage Anns, die die Schießerei unverletzt überstanden hat, deckt, wird er aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Seine Augenverletzung, so teilt man ihm mit, werde Monate brauchen, bis sie ausgeheilt ist. Auf der Taxifahrt vom Polizeirevier nach 1800 South Kingsley küssen sich Marlowe und Ann.

Hintergrund

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Literarisches Vorspiel: Der „Hard-boiled“-Detektivroman

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In den 1920er Jahren entwickelte sich mit den im Magazin „Black Mask“ veröffentlichten Geschichten ein neuer Typus Kriminalerzählung, die so genannte Hard-boiled-Detektivgeschichte. Stilbildend war in erster Linie Dashiell Hammett, der ein urbanes Milieu schilderte, das „mit Gangstern, Femme fatales, brutalen Polizisten und korrupten Reichen“ bevölkert war. Anfang der 1930er Jahre folgte ihm Raymond Chandler, dessen Protagonist, Privatdetektiv Philip Marlowe, das Pendant zu Hammetts Ermittler Sam Spade darstellte. 1939 erschien Chandlers erster Marlowe-Roman, The Big Sleep, 1940 Farewell, My Lovely.[1][2] Hammetts und Chandlers Bücher bildeten, zusammen mit den Romanen von James M. Cain und Cornell Woolrich, den literarischen Fundus, aus dem sich viele Film noirs bedienten.[3]

Buch und Film

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Regisseur des Films: Edward Dmytryk

Chandlers Roman Farewell, My Lovely war bereits 1942 von dem Filmstudio RKO Pictures als The Falcon Takes Over verfilmt worden, jedoch, wie RKO-Produzent Adrian Scott und Regisseur Edward Dmytryk übereinstimmend befanden, ohne dessen Potenzial zu nutzen. The Falcon Takes Over hatte Grundzüge der Handlung des Romans übernommen, aber die Hauptfigur Marlowe durch RKOs Serienhelden „The Falcon“ ersetzt. Da RKO noch über die Filmrechte verfügte und die Nachricht von Chandlers Mitarbeit bei dem noch nicht gestarteten Frau ohne Gewissen in Hollywood die Runde machte, entschied man sich für eine Neuverfilmung. Chandler war eine Mitwirkung bei Scotts Projekt nicht möglich, da er bei Paramount Pictures unter Vertrag stand.[4]

Die Verfilmung nahm einige wenige Änderungen an der Romanvorlage vor. So wurde die Eingangsszene des Romans, in der Moose Malloy einen Mann in einer ausschließlich von Schwarzen besuchten Bar tötet, abgeschwächt, sowie eine Rahmenhandlung auf der Polizeiwache und ein Happy End zwischen Marlowe und Ann Grayle hinzugefügt. Getilgt wurde die Thematisierung von Korruption in den Reihen der Polizei und, im Falle von Amthor und Marriott, Anspielungen auf Homosexualität.[5][4] Trotz dieser Eingriffe gratulierte Chandler Drehbuchautor John Paxton nach Erscheinen des Films in einem Schreiben für die Adaption seines Romans, den er für unverfilmbar gehalten hatte.[4]

Produktion und Filmstart

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Murder, My Sweet entstand mit dem für einen A-Film[6] bescheidenen Budget von 450.000 US-Dollar und angesetzten 44 Drehtagen. Da viele Szenen nachts spielten, konnte Dmytryk mit oft in Dunkel getauchten, unaufwändigen Kulissen kostengünstig arbeiten.[4] Gedreht wurde überwiegend im Studio. Für die Außenaufnahmen fand unter anderem der Sunset Tower (heute Argyle Hotel) auf dem Sunset Boulevard Verwendung, der im Film das Apartment Amthors beherbergt.[7][8] Die Dreharbeiten endeten am 1. Juli 1944.[9][10]

Nach Anne Shirleys Angabe hatten sie und Claire Trevor vergebens versucht, Scott und Dmytryk von einer Besetzung der beiden Frauenrollen gegen das Image der Darstellerinnen – Trevor „böse und faszinierend“, Shirley „gut und doof“ – zu überzeugen. Anfang 1945 heiratete Shirley Scott und zog sich aus dem Filmgeschäft zurück (die Ehe wurde 1948 geschieden).[11] Auch gegen die Besetzung des Moose Malloy mit Mike Mazurki hatte Dmytryk sich zunächst gesträubt, bis RKO-Produktionschef Charles Koerner sich für Mazurki einsetzte.[12]

Der Film startete in den USA zunächst am 18. Dezember 1944 unter dem Romantitel Farewell, My Lovely und am 8. März 1945 unter dem neuen Titel Murder, My Sweet.[9] Die Titeländerung war nach negativen Publikumsreaktionen vorgenommen worden, da Farewell, My Lovely ein Musical mit Hauptdarsteller Dick Powell suggerierte. Powell war mit Gesangsrollen bekannt geworden und vollzog gerade einen Imagewechsel hin zu dramatischeren Rollen, der in der Werbung für Murder, My Sweet mit dem Slogan „der neue Dick Powell“ herausgehoben wurde. Chandler bekannte später, dass Powell seiner Vorstellung von Marlowe am nächsten gekommen sei.[4] Powells Marlowe „ist der raue aber verletzliche Held, der mit Chandlers bissigen Witzeleien um sich wirft, um seine berührbare Seite zu verdecken“. (Gene D. Phillips)[13] Nach der Titeländerung entwickelte sich Murder, My Sweet zu einem Kassenerfolg.[4][14] In Großbritannien startete der Film analog zum Buch als Farewell, My Lovely.

Murder, My Sweet wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 14. November 1972 als Mord, mein Liebling im Fernsehen gezeigt und lief 1988 erstmals in den deutschen Kinos unter seinem Originaltitel.[15] 2012 erschien der Film ebenfalls unter seinem Originaltitel in Deutschland auf DVD.[16]

Analyse und Nachwirkung

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Stil: Einflüsse und Auswirkungen

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Obwohl Filmhistoriker überwiegend John Hustons Dashiell-Hammett-Verfilmung Die Spur des Falken (1941) als ersten genuinen Film noir nennen, wird auch der erst drei Jahre später gestartete Murder, My Sweet zu den frühen und stilbildenden Beispielen dieser neuen Filmgattung oder -serie[17] gezählt. Der französische Filmkritiker Nino Frank, der 1946 den Begriff Film noir prägte, führte (neben Die Spur des Falken, Laura und Frau ohne Gewissen) Murder, My Sweet als Beispiel für eine neue Art von Kriminalfilmen an, deren Markenzeichen unter anderem ihr radikaler visueller Stil, ihre komplexe Erzählform und ihr Interesse an der Psychologie der Figuren sei.[18] Dem hielt Dmytryk in einem Interview entgegen: „Wir sahen Murder, My Sweet nicht als einen Film noir. Er war einfach ein Film, der von Anfang bis Ende dieser dunklen Stimmung bedurfte. […] Erst ein Jahr später oder so beschlossen die Franzosen, ihn als Film noir zu bezeichnen.“[19]

Alain Silver und Elizabeth Ward bezeichneten Murder, My Sweet in ihrem Film-noir-Kompendium als archetypisch für zahlreiche später gedrehte Filme: „Die Verwendung der Femme fatale, eine Atmosphäre der Paranoia, die Verletzbarkeit des Helden, das Motiv für die Gewalt, die Überzahl grotesker Charaktere und die bedrohliche Umgebung tragen alle zur Noir-Stimmung bei.“ Die „verwirrenden Aufnahmewinkel“ und „kontrastreiche Low-key-Beleuchtung“ verwiesen auf eine „zerrüttete und unheilvolle, außer Kontrolle geratene Welt“. Der Film sei „nicht nur ein stark stilisierter und komplexer Detektiv-Thriller, sondern auch eine kompromisslose Vision von Korruption und Verfall.“[20] Bruce Crowther wies in Film Noir. Reflections in a dark mirror auf zwei weitere Elemente hin, die in anderen Film noirs wieder auftauchen sollten, der Einsatz der Rückblende und der Erzählerstimme bzw. des Voice-over.[21] „In der tödlich instabilen Noir-Welt“, so Foster Hirsch in The Dark Side of the Screen: Film Noir, dient der Voice-over oft als Halt, er ist der „Wegweiser durch das Noir-Labyrinth“.[22]

Besondere Erwähnung verdiente für Foster Hirsch die Halluzinationsszene in Murder, My Sweet, die eines der ersten und besten Beispiele für den im Film noir allgemein sichtbaren Einfluss des deutschen Expressionismus darstellte. Dieser hatte nicht nur wegen seiner als „zweckdienlich“ betrachteten, schatten- und kontrastreichen Bildsprache Einzug in die düsteren Thriller der 1940er Jahre gehalten, sondern war auch der sichtbare Einfluss der aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierten deutschen Regisseure. „Ein beständiges Überbleibsel des Expressionismus im Film noir ist die Alptraumsequenz, in der für einen Moment, unter dem Schutz eines Traum-Zwischenspiels, der Film offen subjektiv wird und in das Bewusstsein des Helden eindringt, um dessen ungeordnete Fragmente aufzuzeigen.“ Gleichzeitig schränkte Hirsch ein, dass sich ein amerikanischer Thriller, auch mit Rücksicht auf sein Publikum, derart starke expressionistische Verzerrungen nur über kurze Strecken zu eigen machen konnte.[23]

Sozialkritik

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Murder, My Sweet war der erste von vier gemeinsamen Filmen von Produzent Scott, Regisseur Dmytryk und Drehbuchautor Paxton. Es folgten Cornered (1945, erneut mit Dick Powell) über den in Argentinien ausgetragenen Kampf zwischen untergetauchten europäischen Faschisten und Antifaschisten, Unvergessene Jahre (1947) und Im Kreuzfeuer (ebenfalls 1947), der antisemitische Tendenzen innerhalb der US-Streitkräfte beleuchtete. Das Augenmerk auf politische Themen kam nicht von ungefähr: Scott und Dmytryk waren während des Zweiten Weltkrieges der Kommunistischen Partei der USA beigetreten, den, so Dmytryk, „einzigen, die etwas tun“.[24]

Jennifer Langdon-Teclaw erkannte in Murder, My Sweet eine enge Verbindung des realistischen Film noir der Kriegsjahre und des Idealismus der linken Popular Front: „Chandlers hartgesottener Held Marlowe rang mit seinem Bedürfnis, die Unschuldigen und zu Boden Getretenen zu schützen, und nahm gleichzeitig mit Zynismus die Gewalt und elende Wirklichkeit der menschlichen Natur und kapitalistischen Machtverhältnisse wahr.“[25] M. Keith Booker sah in der Gegenüberstellung der Welt Malloys und der Grayles zudem einen Kommentar zu bestehenden Klassenschranken.[26] Das verzweifelte Bedürfnis, der eigenen Klasse und deren sozialen Nachteilen zu entkommen, deutete Dan Flory auch als Triebfeder für Velma/Mrs. Grayle, wie überhaupt der meisten Femme fatales des klassischen Film noir.[27] „Wie «The Glass Key» war auch «Murder, My Sweet» von einer latenten gesellschaftskritischen Tendenz durchzogen, wie sich überhaupt an den Filmen, mehr noch aber an den an ihnen beteiligten Personen belegen lässt, dass das Genre der private eye-Filme durchaus ein Derivat einer «linken» Strömung in Hollywood sein mochte, der mit dem McCarthyismus der Garaus gemacht worden war.“ (Georg Seeßlen)[28] Scotts und Dmytryks Karrieren endeten jäh während der McCarthy-Ära. Beide wurden 1947 wegen ihrer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei vorgeladen, zu Haftstrafen verurteilt und fanden keine Beschäftigung mehr in der US-Filmwirtschaft (siehe Hollywood Ten).

Eine der wenigen anderslautenden Stimmen war die von John Paul Athanasourelis, der Chandlers Roman in Dmytryks Filmversion jeder Sozialkritik beraubt sah.[29] Eine seltene und ungewöhnliche Deutung gab Robert Miklitsch dem Film, der das Ende mit einem Märchen verglich, in dem Moose Malloy die Rolle des Riesen, Helen Grayle die der bösen Stiefmutter, ihr Mann die des gütigen aber unwissenden Vaters und Marlowe die des Ritters innehabe, der, auf die Probe gestellt, den „bösen Gral“ (das Jadehalsband und Helen) zurückweist und sich für den „guten“ (Ann) entscheidet.[30]

Nachfolger

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Murder, My Sweet war zwar bereits der dritte nach Chandlers Büchern entstandene Film, doch war es der Erfolg von Dmytryks Umsetzung, der eine große Nachfrage nach Werken des Autors auslöste. So entstanden in kurzer Zeit drei weitere Verfilmungen: Tote schlafen fest von Howard Hawks, Die Dame im See von Robert Montgomery und The Brasher Doubloon (nach The High Window) von John Brahm. Den größten Nachhall fand der zuerst veröffentlichte Tote schlafen fest,[28] der Murder, My Sweet „in der öffentlichen Wahrnehmung ungerechterweise aus dem Rennen schlug“ (Bruce Crowther).[31] Erst 30 Jahre später erschien mit Fahr zur Hölle, Liebling die dritte Leinwandversion von Farewell, My Lovely.

Rezeption

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Murder, My Sweet erhielt zum Filmstart herausragende Kritiken.[25] Hervorgehoben wurden ebenso die Regie und die Dialoge wie die darstellerischen Leistungen, allen voran von Dick Powell und Claire Trevor. Variety lobte den Film als „ebenso clever wie packend“ und Dmytryks Regie als „schroff und unerbittlich“ und fügte hinzu: „Die darstellerischen Leistungen sind auf einer Höhe mit der Produktion. Dick Powell ist eine Überraschung.“[32] Bosley Crowther von der New York Times bezeichnete Murder, My Sweet als „herausragendes hartes Melodram“, das dank Paxton und Dmytryk „Chandlers beißende Dialoge“ und „das rasende Tempo des Romans“ bewahre. Zwar fehle Powell „die eiserne Kälte und der Zynismus von Humphrey Bogart“, zu entschuldigen brauche er sich dafür aber nicht.[33]

In späteren Jahren konnte Murder, My Sweet seinen Klassiker-Status festigen. Geoff Andrew vom Londoner Time Out Film Guide beurteilte den Film rückblickend als „gelungene Adaption“, die „gleich einer Beschwörung eine elende, heruntergekommene Welt der wechselnden Loyalitäten und des unsichtbaren Bösen“ erschaffe. Powells Interpretation des Marlowe sei „sicherlich näher an der Vorstellung des Autors als Bogart in Der große Schlaf“ und Harry J. Wilds Kameraarbeit „echter Noir“.[34] Für Phil Hardys BFI Companion to Crime schufen Dmytryk und Kameramann Wild „einen der dunkelsten und schönsten Filme“ der 1940er Jahre. Hervorgehoben wurde insbesondere der „expressionistische Horror“ der „meisterhaften Halluzinationsszene“.[35] Leonard Maltin befand kurz und bündig, der Film teile „immer noch mächtig aus“.[36]

In Deutschland erfuhr Murder, My Sweet aufgrund seiner um rund 30 Jahre verspäteten Premiere im Fernsehen wenig Beachtung, und auch die Kinoaufführung 1988 fand kein Presseecho. Das Lexikon des internationalen Films urteilte knapp: „Ausdrucksstark durch den virtuosen Einsatz filmischer Mittel“.[15]

Auszeichnungen

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Drehbuchautor John Paxton erhielt 1946 den Edgar Allan Poe Award für das beste Drehbuch.

Literatur

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  • Raymond Chandler: Farewell, My Lovely. Alfred A. Knopf, New York 1940
  • Raymond Chandler: Betrogen und gesühnt. Desch Verlag, München 1958. WA: Lebwohl, mein Liebling. Diogenes, Zürich 1980; Verlag Volk und Welt, Berlin 1980
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Einzelnachweise

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  1. David Levinson (Hrsg.): Encyclopedia of Crime and Punishment, Volume 1. Sage Publications, Thousand Oaks, Kalifornien, 2002, ISBN 0-7619-2258-X, S. 1016.
  2. Gene D. Phillips: Out of the Shadows: Expanding the Canon of Classic Film Noir. Scarecrow Press/Rowman & Littlefield, Lanham, Maryland 2012, ISBN 978-0-8108-8189-1, Seite x.
  3. Bruce Crowther: Film Noir. Reflections in a dark mirror. Virgin, London 1988, ISBN 0-86287-402-5, S. 14.
  4. a b c d e f Gene D. Phillips: Creatures of Darkness: Raymond Chandler, Detective Fiction, and Film Noir. University Press of Kentucky, Lexington 2000, ISBN 0-8131-9042-8, S. 32–41.
  5. James Naremore: More than Night: Film Noir in Its Contexts. University of California Press, Berkeley/Los Angeles/London 1998, ISBN 0-520-21294-0, S. 234.
  6. „A-Film“ bezeichnet, in Abgrenzung zu einem billigen B-Movie, einen Film, der mit einem größeren Budget und Aufwand produziert wird.
  7. Alain Silver, James Ursini: L.A. Noir: The City as Character. Santa Monica Press, Santa Monica 2005, ISBN 1-59580-006-9, S. 82.
  8. Landmark hotel towers over Sunset Strip--and Hollywood lore. Owners hope new name will revive its glory, Artikel in der Los Angeles Times vom 2. Oktober 1994, abgerufen am 14. Februar 2013.
  9. a b Alain Silver, Elizabeth Ward (Hrsg.): Film Noir. An Encyclopedic Reference to the American Style, Third Edition. Overlook/Duckworth, New York/Woodstock/London 1992, ISBN 978-0-87951-479-2, S. 192–193.
  10. Murder, My Sweet auf Turner Classic Movies, abgerufen am 12. Februar 2013.
  11. James Robert Parish: The RKO Gals. Arlington House, New Rochelle 1974, S. 367.
  12. William Hare: Early Film Noir: Greed, Lust and Murder Hollywood Style. McFarland & Co., Jefferson 2003, ISBN 0-7864-1629-7, S. 51.
  13. „Beneath Marlowe’s tough exterior, Powell neatly implies in his superbly underplayed performance, is a humanity that can be reached. He is the tough-but-vulnerable hero, tossing off the biting Chandler wisecracks to cover up his tender spots.“ – Gene D. Phillips: Creatures of Darkness: Raymond Chandler, Detective Fiction, and Film Noir. University Press of Kentucky, Lexington 2000, ISBN 0-8131-9042-8, S. 41.
  14. Richard B. Jewell: The Golden Age of Cinema: Hollywood 1929–1945. Blackwell, Malden/Oxford/Carlton 2007, ISBN 978-1-4051-6372-9, S. 263.
  15. a b Murder, My Sweet im Lexikon des internationalen Films.
  16. Eintrag zur DVD-Veröffentlichung in der Online-Filmdatenbank.
  17. Charles Higham und Joel Greenberg bezeichnen den Film noir als Genre, Raymond Borde und Étienne Chaumeton dagegen als Serie. Charles Higham, Joel Greenberg: Hollywood in the Forties. A.S. Barnes, London, New York 1968; Raymond Borde, Étienne Chaumeton: Panorama du film noir Américain. Les Éditions de Minuit, Paris 1955.
  18. Andrew Spicer: Film noir. Pearson Education, Essex 2002, ISBN 978-0-582-43712-8, S. 2.
  19. „We didn’t think of Murder, My Sweet as film noir. It was a picture that simply demanded that dark mood from beginning to end. […] It wasn’t for another year or so that the French decided to call it film noir.“ – Gene D. Phillips: Creatures of Darkness: Raymond Chandler, Detective Fiction, and Film Noir. University Press of Kentucky, Lexington 2000, ISBN 0-8131-9042-8, S. 40.
  20. „The disorienting angles, low-key and high-contrast lighting […] point to a disordered and ominous world beond control. […] Ultimately Murder, My Sweet is the archetype for a number of films made later. The use of the femme fatale, an atmosphere of paranoia, the vulnerability of the hero, the motivation of violence, the predominance of grotesque characters, and the threatening environment all contribute to this noir ambience. There is nothing sweet in Murder, My Sweet, a film that remains not only a highly stylized and complex detective thriller but also an uncompromising vision of corruption and decay.“ – Alain Silver, Elizabeth Ward (Hrsg.): Film Noir. An Encyclopedic Reference to the American Style, Third Edition. Overlook/Duckworth, New York/Woodstock/London 1992, ISBN 978-0-87951-479-2, S. 192–193.
  21. Bruce Crowther: Film Noir. Reflections in a dark mirror. Virgin, London 1988, ISBN 0-86287-402-5, S. 32.
  22. „In the fatally unstable noir world, voice-over narration often serves as an anchor. […] the voice-over narrator is our guide through the noir labyrinth.“ – Foster Hirsch: The Dark Side of the Screen: Film Noir. Da Capo Press, New York 2001, ISBN 0-306-81039-5, S. 75.
  23. „Expressionist motifs filtered into film noir, in diluted but nonetheless significant ways, because the German style offered an appropriate iconography for the dark vision of the forties thriller and also because a number of German directors fled to Hollywood from a nightmare society, bringing with them the special sensibility that permeated their early work. Adjusted to the taste of American producers and their audiences, Expressionist elements in noir are more muted than those in the German films. […] A consistent vestige of Expressionism throughout noir is the nightmare sequence, where for a few moments, under the protection of a dream interlude, the film becomes overtly subjective, entering into the hero’s consciousness to portray its disordered fragments. One of the earliest and best of these Expressionist nightmares occurs in Murder, My Sweet (1944), where a short sequence dramatizes Marlowe’s drug-induced delirium. […] An American thriller can accommodate Expressionist distortion at this pitch in short spurts only.“ – Foster Hirsch: The Dark Side of the Screen: Film Noir. Da Capo Press, New York 2001, ISBN 0-306-81039-5, S. 57.
  24. Brian Neve: Film and Politics in America. A Social Tradition. Routledge, Oxon 1992, S. 95.
  25. a b „Chandler’s hardboiled hero Philip Marlowe grappled with his desire to be a knight-protector for the innocent and downtrodden, while cynically recognizing the violence and sordid realities of both human nature and capitalist power relations. Neatly combining the realism of wartime noir and the idealism of the Popular Front progressives, Murder, My Sweet received stellar reviews and earned a tidy profit for RKO.“ – Jennifer Langdon-Teclaw in: Frank Krutnik: "Un-American" Hollywood: Politics and Film in the Blacklist Era. Rutgers University Press, 2008, S. 154.
  26. „[…] the film’s dialogue between the world of Moose Molloy and that of the Grayles suggests a broader critique of the class differences upon which capitalist society is built.“ – M. Keith Booker: Film and the American Left. A Research Guide. Greenwood Publishing Group, Westport 1999, S. 129.
  27. Even some of the worst fatal women, including […] Velma Valento (Claire Trevor) in Murder, My Sweet […] have backstories that imply a certain depth to their actions because through these details the workings of the femme fatale become clearer as desperate efforts to overcome the disadvantages of class. – Dan Flory: Philosophy, Black Film, Film Noir. The Pennsylvania State University Press, University Park 2008, S. 119.
  28. a b Georg Seeßlen: Mord im Kino. Geschichte und Mythologie des Detektiv-Films. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-17396-4, S. 231.
  29. „In Dmytryk’s film all of Chandler’s social criticism is erased.“ – John Paul Athanasourelis: Raymond Chandler’s Philip Marlowe: The Hard-Boiled Detective Transformed. McFarland & Co., Jefferson 2012, S. 167.
  30. „Hence the fairy-tale ending where Moose is the giant, Mrs. Grayle the wicked stepmother, Mr. Grayle the benign but benighted father, and Marlowe the Chandlerian knight who, although tested and even tarnished, renounces the bad grail (the jade necklace and Helen) for the good one, Ann.“ – Robert Miklitsch: Siren City: Sound and Source Music in Classic American Noir. Rutgers University Press, New Brunswick 2011, S. 52.
  31. „[…] the movie was unfairly overtaken in the public consciousness a couple of years later when Humphrey Bogart played Marlowe in The Big Sleep.“ – Bruce Crowther: Film Noir. Reflections in a dark mirror. Virgin, London 1988, ISBN 0-86287-402-5, S. 32–33.
  32. „Murder, My Sweet, a taut thriller about a private detective enmeshed with a gang of blackmailers, is as smart as it is gripping. […] Director Edward Dmytryk has made few concessions to the social amenities and has kept his yarn stark and unyielding. […] Performances are on a par with the production. Dick Powell is a surprise […] Claire Trevor is as dramatic as the predatory femme […]“ – Rezension in Variety aus dem Jahr 1945 (nur Jahresangabe), abgerufen am 12. Februar 2013.
  33. „[…] a superior piece of tough melodrama […] This is a new type of character for Mr. Powell. And while he may lack the steely coldness and cynicism of a Humphrey Bogart, Mr. Powell need not offer any apologies. […] Whole passages of Mr. Chandler's pungent sardonic dialogue were preserved by John Paxton, the script writer, and Edward Dmytryk's direction maintains the racy pace of the novel.“ – Rezension in der New York Times vom 9. März 1945, abgerufen am 11. Februar 2013.
  34. „Fine adaptation of Chandler’s novel […] evocatively creating a seedy, sordid world of shifting loyalties and unseen evil […] Powell is surprisingly good as Marlowe, certainly more faithful to the writer’s conception than Bogart was in The Big Sleep […] And Harry Wild’s chiaroscuro camerawork is the true stuff of noir.“ – Rezension im Time Out Film Guide, Seventh Edition 1999. Penguin, London 1998, S. 286, online abgerufen am 12. Februar 2013.
  35. „[…] Dmytryk and cameraman Wild make this among the darkest, most beautiful films of the 40s. There is a bravura hallucination with Marlowe under the influence of drugs […] but this expressionist horror hardly seems any different from the rest of the movie […]“ – Phil Hardy (Hrsg.): The BFI Companion to Crime. University of California Press, Berkeley/Los Angeles 1997, ISBN 0-520-21538-9, S. 235.
  36. „Still packs a wallop.“ – Leonard Maltin’s 2008 Movie Guide. Signet/New American Library, New York 2007, S. 941.