Museum Reinhard Ernst

Museum für abstrakte Kunst in Wiesbaden, Hessen, Deutschland

Das Museum Reinhard Ernst, abgekürzt mre, ist ein Museum für abstrakte Kunst in Wiesbaden. Es wurde am 23. Juni 2024 eröffnet.[1][2] Trägerin ist die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung. Seit dem 1. Dezember 2021 leitet der Kunsthistoriker Oliver Kornhoff das Museum als Gründungsdirektor.[3]

Das Museum, dessen Eröffnung in der Wilhelmstraße 1 im Stadtzentrum von Wiesbaden ursprünglich für 2023 geplant war,[4] zeigt auf drei Etagen die private Sammlung abstrakter Kunst des Wiesbadener Unternehmers und Stifters Reinhard Ernst sowie Sonderausstellungen. Das Projekt ist Ergebnis eines 2010 begonnenen Planungsprozesses sowie der langjährigen Freundschaft zwischen Reinhard Ernst und dem japanischen Architekten und Pritzker-Preisträger Fumihiko Maki (1928–2024). Maki war am 6. Juni 2024, wenige Tage vor Eröffnung des Museums, gestorben.[5] Das Museum erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 9000 m², wobei die Ausstellungsfläche 2000 m² beträgt. Auf zwei Etagen sollen ausgewählte Werke der über 900 Positionen umfassenden Sammlung Reinhard Ernst das Publikum für abstrakte Kunst begeistern. Die Baukosten für das leuchtend weiße, würfelförmige Gebäude mit seinem zentralen Atrium beliefen sich auf rund 80 Millionen Euro.

2016 schlug die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung der Stadt Wiesbaden vor, aus eigenen Mitteln ein Museum zu errichten und zu betreiben. Auf Basis eines Bürgerbeteiligungsverfahrens[6] wurde mit breiter, parteiübergreifender Zustimmung ein in zentraler Lage gelegenes Grundstück für 99 Jahre an die Stiftung verpachtet. Während dieses Zeitraums ist die Stiftung für den Bau und Unterhalt des Gebäudes und die Finanzierung des Museumsbetriebs zuständig.

Sammlung Reinhard Ernst

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Die Sammlung abstrakter Kunst, die der Wiesbadener Unternehmer Reinhard Ernst seit den 1980er Jahren aufgebaut hat, umfasst Stand 2023 über 900 Werke. Da er die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, entstand die Idee eines Museums für abstrakte Kunst, in dem Werke aus der „Sammlung Reinhard Ernst“ sowie – je nach Themenschwerpunkt der Ausstellung – Leihgaben aus anderen Museen zu sehen sein werden.

Die Schwerpunkte der Sammlung liegen im Bereich der abstrakten deutschen und europäischen Nachkriegskunst, abstrakter japanischer Kunst und des amerikanischen abstrakten Expressionismus. Darüber hinaus ergänzen zeitgenössische Positionen die Sammlung, u. a. speziell für das Museum angefertigte Auftragsarbeiten von Mad C, Tony Cragg, Katharina Grosse, Karl-Martin Hartmann und Bettina Pousttchi.

Architektur

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Das Museumsgebäude ist ein Entwurf des japanischen Architekten Fumihiko Maki. Mit der Umsetzung wurde das Frankfurter Architekturbüro Schneider+Schumacher beauftragt. In seiner äußeren Gestalt nimmt das Museum, von Einheimischen wegen seiner leuchtend weißen Granitverkleidung „Zuckerwürfel“ genannt, die Linien und Versprünge der umliegenden Gebäude auf. Ebenso folgt der Bau den Vorgaben der Stadt Wiesbaden, die Grenzbebauung entlang der Wilhelmstraße und Rheinstraße wieder als „Eingang“ zur Wilhelmstraße herzustellen, so, wie vor dem Zweiten Weltkrieg das an dieser Stelle stehende Grand Hotel „Victoria“.

Das Museum besitzt einen rechteckigen Grundriss mit den Außenabmessungen von ca. 46 × 65 Meter. Die Traufhöhe von 20 Meter orientiert sich ebenfalls an der Umgebung. Das Untergeschoss erreicht eine Tiefe von 8,5 Metern. Der Haupteingang für die Besucher des Museums ist fußläufig über eine Freitreppe bzw. barrierefrei über eine Rampe an der Wilhelmstraße erreichbar. Das gesamte Grundstück wird eingefasst durch eine immergrüne Laubhecke. Das Museum verfügt über Behindertenparkplätze.

Für das Museum schuf Maki and Associates ein dreigeschossiges Gebäude, das sich in die historische Umgebung der Wiesbadener Innenstadt einfügt und dennoch eigenständig und modern ist. Das Erdgeschoss mit dem Eingangsbereich wird von einem vollverglasten, nach oben offenen Atrium geprägt, durch das Tageslicht ungehindert ins Gebäude fällt. Um diesen Innenhof herum sind die weiteren Quadranten angeordnet, in welche der Bau unterteilt wurde. Diese schlichten, mit weißem Stein verkleideten Baukörper scheinen über dem verglasten Erdgeschoss zu „schweben“. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Bollinger und Grohmann gelang es dem Planungsteam, beinahe alle freistehenden Säulen aus dem Gebäude zu entfernen und so die großzügigen, miteinander verbundenen Räume zu ermöglichen. Beim Museumsrundgang fällt der unterschiedliche Raumrhythmus auf – jeder Ausstellungsraum ist unterschiedlich hoch und hat unterschiedliche Dimensionen – der größte Raum misst rund 340 Quadratmeter, der höchste Raum erreicht eine Höhe von 14 Metern.

Museum Reinhard Ernst als „Dritter Ort“

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Im Unterschied zu „Ersten Orten“ (private Räumlichkeiten) und „Zweiten Orten“ (Arbeitsplatz) umschreibt der „Dritte Ort“ einen öffentlich zugänglichen Raum des Zusammentreffens: Er bietet Menschen die Möglichkeit der Begegnung mit Kunst und Kultur. Einen solchen Ort zu schaffen, der allen zugänglich ist und zur Beschäftigung mit Kunstwerken einlädt – das war eine Leitidee des Bauherrn Reinhard Ernst und des Architekten Fumihiko Maki. Ein weiterer Leitgedanke des Stifters ist es, Berührungsängste abzubauen und Kinder und Jugendliche frühzeitig an Kunst heranzuführen, um ihre Kreativität zu fördern.[1]

So ist das Museum an Vormittagen ausschließlich für Schulklassen und Bildungseinrichtungen geöffnet; Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren haben freien Eintritt. Das Foyer des Museums steht allen Gästen kostenfrei offen. Ohne ein Museumsticket zu erwerben, können Besucherinnen und Besucher hier schon unterschiedliche zeitgenössische Kunstwerke sehen, die teilweise eigens für das Museum entstanden sind: z. B. die großformatige Glasarbeit von Katharina Grosse, ein tonnenschweres Kunstwerk mit dem Titel Ein Glas Wasser, bitte, eine Bronzeskulptur von Eduardo Chillida, eine leuchtend rot lackierte Skulptur aus vertikalen Leitplanken von Bettina Pousttchi oder eine neue Arbeit des Wiesbadener Künstlers Karl-Martin Hartmann. Vom Foyer aus kann man den Museumsshop besuchen oder sich in der Museumsgastronomie verköstigen. Auch für Vorträge, Konzerte, Lesungen oder private Feiern gibt es einen Raum: Das Maki-Forum, das bis zu 250 Personen fasst. Im Untergeschoss des Museums werden leuchtende Glasarbeiten von Mad C (Claudia Walde) gezeigt. Verantwortlich für den Aufbau des Museumshops und die digitale Marketingstrategie ist die Kunsthistorikerin Ines Gutierrez, die vorher in London tätig war, sie arbeitet hier seit Herbst 2021.[7]

Ausstellungen

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  • Farbe ist alles! (Sammlungspräsentation): ab der Eröffnung am 23. Juni 2024[8]
  • Fumihiko Maki und Maki & Associates: Für eine menschliche Architektur: Sonderausstellung (Retrospektive) ab Eröffnung bis 9. Februar 2025[9]

Literatur

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  • Kerstin Feireiss (Hrsg.): Making the Museum Reinhard Ernst Wiesbaden. Maki and Associates. Katalog im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung im Aedes Architektur-Forum, 14. Mai–29. Juni 2022, 2022. Aedes, Berlin, 2022, ISBN 978-3-943615-75-3.
  • Falk Jäger: Fumihiko Maki und das Museum Reinhard Ernst. Architekturband. Verlag Av Edition. Stuttgart, 2024, ISBN 978-3-89986-398-7.
  • Reinhard &. Sonja Ernst Stiftung (Hrsg.): Abstrakter Expressionismus – und mehr. Amerikanische Malerei in der Sammlung Reinhard. Hirmer, Wiesbaden, 2024, ISBN 978-3-7774-3874-0.
  • Reinhard &. Sonja Ernst Stiftung (Hrsg.): Faszination Farbe. Abstrakte Malerei – Die Sammlung Reinhard Ernst. Hirmer, Wiesbaden, 2024, ISBN 978-3-7774-3233-5.
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Einzelnachweise

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  1. a b Sandra Werner: Museum Reinhard Ernst: Neues Museum in Wiesbaden: Das ist geplant. merkurist.de, 18. Januar 2023, abgerufen am 22. Mai 2023.
  2. Museum Reinhard Ernst eröffnet. tagesschau.de, abgerufen am 23. Juni 2024.
  3. Katharina Deschka: Oliver Kornhoff ist erster Direktor des Museums Ernst in Wiesbaden. faz.net, 10. März 2022, abgerufen am 30. Mai 2023.
  4. Museum Reinhard Ernst. wiesbaden.de, abgerufen am 24. April 2023.
  5. Stararchitekt Fumihiko Maki gestorben. 12. Juni 2024, abgerufen am 25. Juni 2024.
  6. Freunde des Museums Wiesbaden. freunde-museum-wiesbaden.de, abgerufen am 25. April 2023.
  7. Anja Baumgart-Pietsch: Ausgewandert für neues Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden. wiesbadener-kurier.de, 16. Februar 2023, abgerufen am 22. Mai 2023.
  8. Farbe ist alles! Museum Reinhard Ernst, abgerufen am 21. Juni 2024.
  9. Fumihiko Maki und Maki & Associates: Für eine menschliche Architektur. Museum Reinhard Ernst, abgerufen am 21. Juni 2024.

Koordinaten: 50° 4′ 42,2″ N, 8° 14′ 43,6″ O