Naturschutzgebiet Zeiserlberg

Naturschutzgebiet bei Ottenthal, Niederösterreich, Österreich

Das Naturschutzgebiet Zeiserlberg, auch Zeiselbergen genannt, westlich von Ottenthal im Bezirk Mistelbach in Niederösterreich ist in Österreich der einzige bekannte Fundort des sehr seltenen Tátorján-Meerkohls. Das Areal wird von einem Lösstrockenrasen dominiert und ist aufgrund der vorkommenden seltenen Arten als biogenetisches Reservoir von internationaler Bedeutung.

Blick vom Zeiserlberg mit blühenden Individuen des Tátorján-Meerkohls (Crambe tataria)

Geologie

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Beim Zeiserlberg handelt es sich um einen mit Löss bedeckten westexponierten Prallhang, welcher während der letzten Eiszeit durch Bodenfließen geformt wurde. Die windexponierte Position ließ den Löss vielfach offen zutage treten und verhinderte zusammen mit der steilen Hanglage eine geschlossene Vegetationsdecke. Dies erlaubte es nur Trockenheitsspezialisten den Ort zu besiedeln.[1][2] Zudem konnte die steile Fläche nicht oder nur extensiv wirtschaftlich genützt werden, was die Überlebenschance seltener Arten erhöhte.[3]

Flora und Fauna

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Der Tátorján-Meerkohl (Crambe tataria) ist ein südsibirisch-pontisch-pannonisches Florenelement, das in Österreich und in Südmähren seine westliche Verbreitungsgrenze erreicht. Das nächste Vorkommen des Tatarischen Meerkohls, wie die Art auch genannt wird, befindet sich auf dem Hutberg bei Pouzdřany.[4] Das heutige Hauptverbreitungsgebiet der Art liegt im südukrainischen und südrussischen Steppengebiet nördlich des Schwarzen Meeres. Während und unmittelbar nach der letzten Eiszeit befanden sich auch in Mitteleuropa ausgedehnte Kältesteppen und somit geeignete Habitate für den Tátorján-Meerkohl. Die Art konnte sich dadurch bis an den Rand der vergletscherten Teile der Alpen ausbreiten. Nach dem Ansteigen der Temperaturen wurde sie wieder von anspruchsvolleren Arten verdrängt und konnte sich nur an wenigen, extremen Trockenstandorten, wie dem Zeiserlberg, behaupten.[1] Keimlinge der Art benötigen offene Bodenstellen, um aufzukommen. Das Habitat des Tátorján-Meerkohl sind tiefgründige Lösstrockenrasen wie am Zeiserlberg, die pflanzensoziologisch zum Hainsalbei-Furchenschwingel-Lösstrockenrasen gestellt werden.[3] 1909 wurden rund 150 Exemplare am Zeiserlberg gezählt.[5] Durch die kurz nach der Jahrtausendwende begonnenen Pflegemaßnahmen konnte der Meerkohl seinen Bestand auf rund 600 Individuen vergrößern.[6]

Im österreichischen Trockenrasenkatalog wurde der Zeiserlberg als „national bedeutend“ eingestuft.[7] Als weitere stark gefährdete und am Zeiserlberg auftretende Pflanzenarten wären das Knollen-Brandkraut (Phlomis tuberosa), der Steppen-Spitzkiel (Oxytropis pilosa), das Durchwachs-Hasenohr (Bupleurum rotundifolium), der Deutsche Alant (Inula germanica) und der Zotten-Lein (Linum hirsutum) zu nennen. Zudem gibt es attraktive Vorkommen des Diptams, des Frühlings-Adonis und des Helm-Knabenkrauts. Insgesamt konnten bisher 200 Pflanzenarten am Zeiserlberg nachgewiesen werden, von denen 36 auf der Roten Liste gefährdeter Pflanzen Österreichs geführt sind.[8][6]

Der Tátorján-Meerkohl wurde Ende Mai 1902 von Alois Teyber für das damalige Kronland Niederösterreich auf einem grasigen Abhang neu aufgefunden.[9] Bei dem genannten Abhang dürfte es sich um den Zeiserlberg bei Ottenthal handeln. Bereits 1910 pachtete die k.u.k. zoologisch-botanische Gesellschaft zwei rund 0,2 Hektar große Grundstücke am Zeiserlberg um das darauf befindliche einzige Vorkommen des Tatarisches Meerkohls in Österreich zu erhalten.[5] 1932 wurde das Gebiet zum „gesetzlichen Banngebiet“ erklärt und 1978 zum Naturschutzgebiet aufgewertet. 1995 wurde der Schutz auf den gesamten Südwesthang und insgesamt 3,2 ha ausgedehnt um so das Überleben der seltenen Pflanzen- und Tierarten langfristig abzusichern. Da die Nutzung auf den neuen Flächen schrittweise aufgegeben wurde, konnte sich der Lösstrockenrasen wie auch die Population des Meerkohls ausbreiten. Im Zuge eines 2004 bis 2008 durchgeführten LIFE-Projekts, konnten am Zeiserlberg, der in das Natura-2000-Gebiet „Weinviertler Klippenzone“ aufgenommen wurde, umfangreiche Verbesserungsmaßnahmen vorgenommen werden. Regelmäßige Pflegemaßnahmen, wie kleinräumige Mahd und die Entfernung von Gebüschen sowie eine begleitende Überwachung der Maßnahmen, sind nötig, um den Trockenrasen dauerhaft zu erhalten.[6][2][8]

Einzelnachweise

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  1. a b Heinz Wiesbauer (Hrsg.): Die Steppe lebt, Felssteppen und Trockenrasen in Niederösterreich, St. Pölten 2008, ISBN 3-901542-28-0, S. 62 f, 69 f Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 19. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.steppe.at (PDF; 775 kB)
  2. a b Gustav Wendelberger: Aus den Anfängen des Naturschutzes in Niederösterreich: Die frühen Pachtgebiete der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft, Ein Rückblick im Europäischen Naturschutzjahr 1970, in: Verhandlung der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, Bd. 110/111 (1971/72), S. 126 ff (zobodat.at [PDF; 1,2 MB]).
  3. a b Manfred A. Fischer: Relikte der eiszeitlichen bis frühnacheiszeitlichen Lössvegetation, in: Heinz Wiesbauer und Herbert Zettel: Hohlwege und Lössterrassen in Niederösterreich, Wien 2014, ISBN 3-901542-42-6
  4. Harald Niklfeld: Zur xerothermen Vegetation im Osten Niederösterreichs, in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, 103/104, Wien 1964, S. 158 f (zobodat.at [PDF; 2,3 MB]).
  5. a b c August Ginzberger: Bericht der Sektion für Botanik - Sprechabend am 27. Juni 1913 - Herr Dr. August Ginzberger erstattete nachstehenden Bericht über die Exkursion zu den pflanzengeographischen Reservationen bei Nikolsburg und Ottenthal (am 22. Mai 1913), in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, 63, 1913, S. (143)-(149) (zobodat.at [PDF; 24,3 MB]).
  6. a b c Heinz Wiesbauer und Manuela Zinöcker: Naturschutzgebiet „Zeiserlberg“, Pflege im Rahmen des LIFE-Natur-Projektes „Pannonische Steppen und Trockenrasen“, ohne Datum, Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.steppe.at (PDF; 603 kB)
  7. Wolfgang Holzner et al.: Österreichischer Trockenrasenkatalog. „Steppen“, „Heiden“, Trockenwiesen, Magerwiesen: Bestand, Gefährdung, Möglichkeiten ihrer Erhaltung. In: Grüne Reihe des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz, Band 6, Wien 1986, ISBN 3-900-649-065, Objekt ÖK 10/3
  8. a b Heinz Wiesbauer: Vielfalt im Ödland, Schutz und Pflege pannonischer Steppen- und Trockenrasen im Rahmen eines LIFE-Natur-Projektes, St. Pölten 2009, ISBN 3-901542-30-2, S. 19 Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.steppe.at (PDF; 4,57 MB)
  9. A. Teyber: LIV. Bericht der Section für Botanik - Versammlung am 17. October 1902 - Herr A. Teyber demonstrirte und besprach eine Reihe sehr interessanter floristischer Funde in Niederösterreich, in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, 52, S. 590–594 (zobodat.at [PDF; 2 MB]).
  10. a b c d e f g h Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
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Commons: Zeiserlberg (Ottenthal) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 45′ 47,7″ N, 16° 33′ 52,8″ O