In der Statistik ist die Operationscharakteristik, auch OC-Kurve (OC: englisch für operating characteristic) oder OC-Funktion[1] genannt, ein Konzept aus der Theorie statistischer Tests, mit dem ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers 2. Art und der tatsächlichen Lage des unbekannten Parameters einer Verteilungsfunktion hergestellt wird.

Abhängigkeit des Risikos 2. Art von der wahren Lage des Gegenparameters µ1 (im nebenstehenden Text θ1 genannt) bei einem ein- sowie zweiseitigen Hypothesentest.

Definition

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Einfluss des Stichprobenumfangs auf die Gütefunktion bzw. Teststärke eines rechts-einseitigen Tests
 
Einfluss des Stichprobenumfangs auf die Gütefunktion bzw. Teststärke eines zweiseitigen Tests

Gegeben ist eine Zufallsvariable   mit einer Verteilungsfunktion  , die von einem unbekannten Parameter   abhängt. Für die Schätzung des Parameters werden   Beobachtungen der Zufallsvariablen gemacht. Der Parameter kann dann durch eine Schätzfunktion

 

geschätzt werden. Es soll eine Vermutung bezüglich des wahren, unbekannten Parameters statistisch überprüft werden. Es wird also eine Hypothese bezüglich dieses Parameters aufgestellt, die sogenannte Nullhypothese  . Man geht nun davon aus, dass bei Wahrheit der Nullhypothese der Schätzwert   in der Nähe des wahren Parameters   liegen müsste, und lehnt   ab, wenn die Distanz zu groß ist, wenn also   in den Ablehnungsbereich des Tests fällt. Der Ablehnungsbereich   wird so festgelegt, dass von allen Stichproben selbst dann, wenn   wahr wäre, ein Anteil von   (häufig wählt man  ) abgelehnt würde.

Man kann im Hypothesentest zwei Arten von Fehlern begehen:

  • Man lehnt   ab, obwohl   der wahre Parameter ist. Es handelt sich also um einen Fehler, den sogenannten α-Fehler oder Fehler 1. Art.
  • Man lehnt   nicht ab, obwohl ein anderer Parameter   der wahre Parameter ist. Das ist der β-Fehler oder Fehler 2. Art.

  wird vor der Testprozedur festgelegt,   dagegen hängt vom wahren Parameter   ab, der in der Regel unbekannt ist. Man kann für die Risikoabschätzung einer falschen Entscheidung die β-Fehler für verschiedene alternative Parameterwerte   berechnen. Der β-Fehler für einen alternativen Parameter   berechnet sich als Wahrscheinlichkeit, dass   in den Nichtablehnungsbereich   der Nullhypothese   fällt, wenn bzw. obwohl in Wahrheit   die Verteilung von   regiert:

 .

  hängt also von   ab und kann daher auch als Funktion des alternativen Parameters   dargestellt werden:

 .

Diese Funktion wird als Operationscharakteristik, häufig auch   geschrieben, bezeichnet. Die Gegenwahrscheinlichkeit zu   ist die Wahrscheinlichkeit, dass   abgelehnt und dafür   akzeptiert wird, wenn   der wahre Parameter ist. Hier ist die Ablehnung von   zu Gunsten von   also erwünscht, weshalb die entsprechende Funktion   auch Gütefunktion (und ihr Funktionswert für gegebenes   Trennschärfe oder Teststärke) genannt wird.

Gütefunktion und Operationscharakteristik stellen damit beide vollständige Charakterisierungen des zugehörigen Tests dar. Man erkennt an ihnen bspw., ob der Test mit wachsender Beobachtungszahl immer besser wird (Konsistenz) und ob die Wahrscheinlichkeit,   abzulehnen, größer ist, wenn   zutrifft, als wenn   zutrifft (Unverfälschtheit).

Beispiel

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β-Fehler: Die rote Normalverteilungskurve gibt an, wie der Stichprobenmittelwert X verteilt wäre, wenn μ = 260 g ist. Die rote Fläche repräsentiert den α-Fehler von 5 %. Die blaue Kurve zeigt die Verteilung von X, wenn μ in Wahrheit 255 g betrüge. Die blaue Fläche ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass X ≥ 256,7 ist und H0 damit nicht abgelehnt wird, obwohl die Forellen im Durchschnitt untergewichtig sind. Entsprechendes gilt für die grüne Kurve, bei der das wahre Durchschnittsgewicht der Forellen sogar nur noch 252 g beträgt – wie zu sehen, ist das Risiko 2. Art, sie dennoch als normalgewichtig einzustufen, nun wesentlich kleiner.
 
Operationscharakteristik: Der Ordinatenwert der Grafik gibt den β-Fehler in Abhängigkeit vom unbekannten Parameter μ1 an. Für μ = 260 ist der Wert 0,95, also gerade 1 - α.

Ein Forellenzüchter liefert seinem Großabnehmer Forellen, die im Durchschnitt mindestens 260 g wiegen sollen. Bei Lieferung wird getestet, ob das Durchschnittsgewicht mindestens 260 Gramm beträgt. Wird die Hypothese abgelehnt, wird die Lieferung beanstandet. Es sei bekannt, dass das Gewicht   der Forellen normalverteilt ist mit der Varianz   und einem unbekannten Erwartungswert  . Es werden in einer Stichprobe   Forellen gewogen, wobei die  -te Forelle   wiegt. Das Durchschnittsgewicht

 

dieser Forellen wird ermittelt. Da der Mittelwert bei jedem Versuch anders ausfällt, ist diese Größe ebenfalls eine Zufallsvariable   und normalverteilt mit den Parametern

  und  .

Die Hypothesen lauten nun   und  .

Soll der Fehler erster Art beispielsweise   betragen, ergibt sich der kritische Wert für die Prüfgröße   als

 

mit   als  -Quantil der Standardnormalverteilung.

  wird also abgelehnt, wenn   ist, der Ablehnungsbereich ist  . Ist jetzt tatsächlich   wahr, würde in 5 % aller Stichproben   in den Ablehnungsbereich fallen, es würde die Lieferung zu Unrecht zurückgeschickt werden, was dem α-Fehler entspricht.

Es kann aber beispielsweise auch vorkommen, dass das Durchschnittsgewicht in Wahrheit   beträgt, dass aber zufällig   ist. Das ist der β-Fehler für  . Die Prüfgröße   ist nun bei unveränderter Varianz in Wahrheit normalverteilt wie

 .

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nullhypothese nicht abgelehnt wird, ist dann

 

und berechnet sich mit Hilfe der Normalverteilung als

 
 ,

wobei   der Wert der Normalverteilungsfunktion mit den Parametern 255 und 2 an der Stelle 256,7 ist und   der entsprechende Wert der Standardnormalverteilung. Es würde also in ca. 20 % aller Stichproben die Lieferung akzeptiert werden, obwohl die Forellen im Durchschnitt untergewichtig sind. Beträgt dagegen in Wahrheit  , ergibt sich der β-Fehler als

 ;

hier ist die Gefahr einer falschen Entscheidung nur noch sehr gering. Die Grafik der Operationscharakteristik zeigt, wie mit wachsender Entfernung von   der β-Fehler sinkt. Man ist bestrebt, möglichst schnell in den Bereich eines kleinen β-Fehlers zu kommen. Mit der Erhöhung des Stichprobenumfangs kann man den β-Fehler reduzieren. Einen Test mit kleinem β-Fehler nennt man auch trennscharf, weil hier die Verteilungen stark getrennt sind.

Siehe auch

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Literatur

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  • Hartung, Joachim/Elpelt, Bärbel/Klösener, Karl-Heinz: Statistik – Lehr- und Handbuch der angewandten Statistik. 9., durchges. Aufl., Oldenbourg, München 1993, insbesondere Seite 135ff und 381ff.
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Commons: Operating characteristics – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Bernd Rönz, Hans G. Strohe (1994), Lexikon Statistik, Gabler Verlag, S. 268