Kalikokrebs

Art der Gattung Faxonius
(Weitergeleitet von Orconectes immunis)

Der Kalikokrebs (Faxonius immunis,[1] Syn.: Orconectes immunis) ist ein aus Nordamerika stammender Flusskrebs.

Kalikokrebs

Faxonius immunis Männchen (Form I)

Systematik
Unterordnung: Pleocyemata
Teilordnung: Großkrebse (Astacidea)
Überfamilie: Flusskrebse (Astacoidea)
Familie: Cambaridae
Gattung: Faxonius
Art: Kalikokrebs
Wissenschaftlicher Name
Faxonius immunis
(Hagen, 1870)
Junges weibliches Exemplar (1911)
Männliches Exemplar (1911)

Beschreibung

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Männliche Form II
(Walter Faxon, 1885)
 
Schere des Kalikokrebs mit roter Spitze, „Dorn“ am beweglichen Scherenfinger und Haaren am Ansatz des beweglichen Scherenfinger

Der Kalikokrebs besitzt einige Ähnlichkeiten mit dem – ebenfalls für Europa invasivenKamberkrebs. Beide Arten sind etwa gleich groß, Kalikokrebse erreichen meist etwa neun Zentimeter Körperlänge, sehr selten etwas mehr. Allerdings ist der Kalikokrebs gegenüber gleich großen Kamberkrebsen dominant. Charakteristisch für Kalikokrebse sind Haarbüschel auf der Innenseite des Scherengelenkes der großen Scheren und am ersten Laufbeinpaar. Der bewegliche Scherenfinger trägt einen Dorn mit einer Einkerbung. Er besitzt ein Paar Augenleisten. Die Rückenfurchen auf dem Carapax laufen eng zusammen, berühren sich aber nicht. Hinter den Nackenfurchen sitzt mindestens ein Dorn. Die Färbung ist meist beige-braun, selten auch blau oder rosa. Die Unterseite ist heller als der Rücken. Marmorfärbungen kommen vor. Wie beim Kamberkrebs sind die Spitzen der Scheren orange-rote gefärbt, jedoch fehlt dem Kalikokrebs die dunkle Binde hinter dieser Zeichnung.

Lebenszyklus

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Der Kalikokrebs ist im Gegensatz zu den europäischen Flusskrebsen ein ausgeprägter r-Stratege, also mit hoher Reproduktionsrate (bis zu 500 Eier pro Weibchen) und weist einen für mitteleuropäische Verhältnisse extrem raschen Lebenszyklus auf: Die Eier werden nach der Paarung im Spätherbst gelegt und die Jungtiere schlüpfen ab April, manchmal auch schon im März des Folgejahres. Bereits nach drei bis vier Monaten können die Jungtiere selbst geschlechtsreif werden. Die Lebenserwartung beträgt dabei für Flusskrebse verhältnismäßig geringe drei Jahre.[2]

 
Weibchen des Kalikokrebses mit Eiern. Der Krebs ist bekannt für seine hohe Reproduktionsrate.

Lebensweise

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Kalikokrebse werden als „sehr zäh“ bezeichnet: Sie überleben Wassertemperaturen bis 30 ° Celsius, kommen dabei auch mit niedrigen Sauerstoffgehalten in den Gewässern zurecht; trocknen diese aus, können sie sich bis zu zwei Meter tief in die Erde eingraben und dort längere Zeit überdauern – damit, mit ihrem tiefen Höhlenbau sowie ihrer Existenz auch in flachen Gewässerbereichen sind sie allen (in Deutschland) heimischen Arten überlegen.[3][4]

Lebensraum, Verbreitung

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Ursprünglich bewohnt der Kalikokrebs die Gewässer im Einzugsgebiet des Mississippis von Montana bis zur Mündung in den Golf von Mexiko. Eingeführt wurde er in die nordöstlichen Staaten der USA; in Europa wurde sie zuerst 1993 in Südwestdeutschland entdeckt.[5]

Deutschland

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Außerhalb seines ursprünglichen Verbreitungsgebiets tritt die Art als Neozoon mittlerweile wohl infolge von Aquarienaussetzungen oder als vergessener oder hinterlassener Angelköder[3] auch in der baden-württembergischen Rheinebene und in Rheinland-Pfalz auf und breitet sich sehr rasch aus.[6] Dabei erreicht er oft sehr hohe Populationsdichten und verdrängt z. B. den Kamberkrebs aus seinen bevorzugten Habitaten.[7] Durch Bewegung und Wanderung über Land dringt der Krebs auch in Teiche und Seen vor, die nicht direkt mit Gewässern des Rheinsystems verbunden sind; dabei kommen sie z. B. auf dem Landweg auf einer Wiese bis zu 30 m in einer Stunde voran.[4]

In Deutschland wurde die invasive Art erstmals im Südwesten 1993 in Sinzheim-Schiftung entdeckt.[5] Zeitweise kam sie auf etwa 100 Kilometern zwischen Mannheim und Achern im Rhein vor; inzwischen (2023) ist sie nach Norden bis Mainz, Düsseldorf und Wiesbaden vorgedrungen, sie lebt auch in Altarmen des Rheins, in benachbarten Kanälen und in Baggerseen. 2009 wurde ein Exemplar nordwestlich von Offenburg in Willstätt gefunden; bei Kehl existiert jenseits der Kinzig in einem Tümpel am Rhein ein isoliertes Vorkommen (2023); ausbreiten kann sie sich wohl im Zug menschlicher Verschleppung mittlerweile auch aus einem Teich in Böblingen, und so gibt es auch Funde im Schwarzwald.[4]

Kalikokrebse fressen Insekten wie Libellen sowie Froschlaich bzw. Kaulquappen,[8] darüber hinaus Algen, Insekten- sowie kleine Fischlarven und Wasserpflanzen, an Land auch Schnecken. Dabei sind sie geschickt, kleinere mobile Beuten zu fangen, um ihren im Vergleich zu heimischen Arten übergroßen Hunger zu stillen; bei Nahrungsmangel fressen sie auch Exemplare der eigenen Art (Kannibalismus).[4]

Ökologische Schäden

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Aufgrund ihrer massenhaften Vermehrung sowie der qualitativ wie quantitativ sehr vielfältigen bzw. umfangreichen Nahrungsaufnahme wird die Art auch als „biologischer Staubsauger“ bezeichnet – in entsprechend befallenen Tümpeln „hinterlassen sie nach kurzer Zeit eine braune Brühe“[4] – in einem lediglich 40 Meter langen Tümpel wurden z. B. über 60.000 Kaliko-Krebse gefunden. Als Neozoon dringt die Art aufgrund ihrer Mobilität und Vermehrung in Bereiche vor, in denen sonst keine Krebse vorkommen und hat dort keine natürlichen Feinde; dabei leiden vor allem Amphibien und Libellen.[3]

In Berg in der Pfalz (Hinweis: das Projekt befindet sich in Neuburg am Rhein, RLP, sowie im elsässischen Lauterbourg – jedoch nicht Berg) gefährden Kalikokrebse ein Wiederansiedlungsprojekt der am Rhein ausgestorbenen Sumpfschildkröten des Senckenberg-Forschungsinstituts, weil sie einen Teil der entsprechend wichtigen Lebensräume zerstören.[3]

Forschung

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Seit 2017 erforschen Biologen an der PH Karlsruhe (darunter Andreas Stephan, Alexander Herrmann und Prof. Andreas Martens),[4] ob bzw. wie man die Bestände des Kalikokrebses wieder reduzieren[5] bzw. deren Ausbreitung eindämmen könnte, z. B. mittels mechanischer Barrieren.[4] 2020 wurden Maßnahmen als erfolgreich beschrieben.[9] Die von Andreas Martens und seinen Mitarbeitern gesammelten Kalikokrebse werden im Zoo Karlsruhe verfüttert.[10]

Politische Debatte

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In den Jahren 2018 und 2019 gab es eine kleine Anfrage[11] und einen Antrag[12] der AfD, den Kalikokrebs in die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ aufzunehmen. Der NABU hingegen zitiert Robin Wegner vom Kalikoteam der Universität Karlsruhe mit der Aussage: „Langfristig müssen wir den Kalikokrebs als neuen Mitbewohner akzeptieren lernen.“[13] Außer dem Kalikokrebs befinden sich bereits alle derzeit in Deutschland etablierten gebietsfremden Flusskrebse auf der sogenannten Unionsliste[14].

Siehe auch

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Commons: Kalikokrebs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kalikokrebs – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. K. A. Crandall & S. De Grave: An updated classification of the freshwater crayfishes (Decapoda: Astacidea) of the world, with a complete species list. In: Journal of Crustacean Biology, Band 37, Nummer 5, 2017, S. 615–653, doi:10.1093/jcbiol/rux070.
  2. C. Chucholl (2012): Understanding invasion success: life-history traits and feeding habits of the alien crayfish Orconectes immunis (Decapoda, Astacida, Cambaridae) in Knowl. Managt. Aquatic Ecosyst. Number 404, 2012. 22 Seiten.
  3. a b c d Pascal Kiss SWR: Invasive Art: Können die Kalikokrebse noch gestoppt werden? Abgerufen am 21. August 2023.
  4. a b c d e f g Badische Zeitung: Dieser invasive Krebs erweist sich auch in Südbaden als Überlebenskünstler und Ökokatastrophe. 16. August 2023, abgerufen am 21. August 2023.
  5. a b c Gefahr für die heimische Tierwelt: Amerikanischer Killerkrebs breitet sich am Rhein weiter aus | ka-news. 1. Juni 2018, abgerufen am 21. August 2023.
  6. Jürgen Orr (2014): Der Kalikokrebs Orconectes immunis (Hagen, 1870) - ein noch wenig beachtetes Neozoon (AIS) mit erheblichem Gefährdungspotenzial für die aquatischen Lebensgemeinschaften der Rheinaue (Crustacea, Decapoda, Cambaridae). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Bd. 12, Heft 4: 1403-1416.
  7. Chucholl, C. & Dehus, P. (2011): Flusskrebse in Baden-Württemberg. Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg (FFS), Langenargen, 92 Seiten
  8. Ines Alender: Warum ist der Kalikokrebs gefährlich? - Erklär's mir, in: Badische Zeitung. (badische-zeitung.de [abgerufen am 24. Juli 2018]).
  9. Nadja Podbregar: Erfolgreicher Kampf gegen den Kalikokrebs. 31. Juli 2020, abgerufen am 21. August 2023 (deutsch).
  10. Rüdiger Soldt: Ungebetene Gäste, in: F.A.S., 11. Juli 2021, S. 4.
  11. Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit — Kleine Anfrage — hib 717/2018 03.01.2023. Abgerufen am 2. März 2024 (deutsch).
  12. Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit — Antrag — hib 4/2020 03.01.2023. Abgerufen am 2. März 2024 (deutsch).
  13. Kaliko-Team im Einsatz gegen invasiven Krebs | Biodiversitätsbotschafter/-innen engagieren sich. Abgerufen am 2. März 2024.
  14. Neobiota: Art. 4: Die Unionsliste. Abgerufen am 14. März 2024.