Parabolische partielle Differentialgleichung

spezielle Klasse von Differenzialgleichungen

Parabolische partielle Differentialgleichungen sind eine spezielle Klasse partieller Differentialgleichungen (PDG) zweiter oder höherer Ordnung, die bei der Beschreibung einer breiten Palette wissenschaftlicher Probleme zur Anwendung kommen. Es handelt sich dabei um sogenannte Evolutionsprobleme, in denen eine „Zeitvariable“ auftaucht und die Entwicklung in der „Zeit“ über eine Ableitung erster Ordnung beschrieben wird. Die Lösungen parabolischer Differentialgleichungen verhalten sich häufig wie die Lösungen der Wärmeleitungsgleichung, die die Wärmeleitung in Festkörpern oder die Diffusion in Flüssigkeiten und Gasen beschreibt.

Verallgemeinert man die Wärmeleitungsgleichung, erhält man die wichtige Klasse linearer parabolischer PDG zweiter Ordnung. Diese finden außer bei der Wärmeleitung zusätzlich Anwendung zum Beispiel bei der Berechnung der Ausbreitung von Schall im Meer oder der Entwicklung von Aktienoptionen (Black-Scholes-Modell). Im Folgenden werden nur parabolische Differentialgleichungen zweiter Ordnung betrachtet.

Definition im linearen Fall

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Zwei Dimensionen

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Die allgemeine lineare partielle Differentialgleichung 2. Ordnung mit zwei Variablen

 

heißt parabolisch im Punkt  , wenn die Koeffizientenfunktionen der höchsten Ableitungen im Punkt   die Bedingung

 

erfüllen. Dies bedeutet, dass die Determinante der Koeffizienten-Matrix

 

im Punkt   den Wert 0 annimmt. Der Ursprung der Bezeichnung parabolisch kommt von der Analogie der obigen Koeffizientenbedingung zu der allgemeinen Kegelschnittgleichung

 .

Gilt bei dieser Gleichung  , dann repräsentiert die Gleichung eine Parabel. Analoge Einteilungen existieren für elliptische und hyperbolische Differentialgleichungen.

n Dimensionen

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Eine Verallgemeinerung auf mehrere Variablen ist die lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung

 .

In Verallgemeinerung des zweidimensionalen Falls bezeichnet man die Differentialgleichung als parabolisch im Punkt  , falls die Koeffizientenmatrix   positiv semidefinit und singulär ist. Dies bedeutet, dass alle Eigenwerte der Koeffizientenmatrix nichtnegativ sind und ein Eigenwert verschwindet.

Zeitabhängige Schreibweise

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Im letzten Abschnitt wurde die abstrakte Klassifikation als parabolische Differentialgleichung erklärt. In vielen Anwendungen hat die singuläre Richtung der Koeffizientenmatrix die Bedeutung der Zeit  . Dann ist die Lösung eine Funktion  , die von der Zeit   und   Ortsvariablen   abhängt. Da die Typeinteilung nur von den Koeffizienten der höchsten Ableitungen abhängt, kann man auch einfach nichtlineare Abhängigkeiten bei den niederen Ableitungen zulassen. Mit Koeffizientenfunktionen   und einer Funktion   stellt die Gleichung

 

eine semilineare parabolische Differentialgleichung dar, wenn die Matrix der Koeffizienten   überall positiv definit ist. Die obige Form der parabolischen Differentialgleichung wird Divergenzform (in Anlehnung an den Divergenz-Operator) genannt. In Nicht-Divergenzform wird ein parabolischer Differentialoperator durch

 

notiert, wobei   überall positiv definit ist.[1] Die rechte der Seite der parabolischen Differentialgleichung   ist ein elliptischer Differentialoperator.

Beispiele

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Wichtige Beispiele und Klassen parabolischer Differentialgleichungen sind

Wärmeleitungsgleichung

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Der wichtigste Vertreter der linearen parabolischen Differentialgleichung ist die Wärmeleitungsgleichung. In einer Raumdimension lautet sie

 .

Hierbei ist   die Temperatur am Ort   zur Zeit  , die Konstante   bezeichnet die Temperaturleitfähigkeit. In mehreren Dimensionen wird die Gleichung durch

 

notiert. Setzt man nämlich in der Divergenz-Form der parabolischen Differentialgleichung für   die Einheitsmatrix ein, dann ist der Hauptteil dieser Gleichung   gerade der Laplace-Operator. Dieser ist das Standardbeispiel eines elliptischen Differentialoperators.

Anfangs- und Randwerte

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Meist betrachtet man parabolische Differentialgleichungen entsprechend ihrer Struktur in „Raum“- und „Zeit“-Variablen als ein kombiniertes Anfangs- und Randwertproblem. Wird die Lösung   im Innern eines räumlichen Gebiets   für Zeiten   gesucht, so gibt man die Anfangswerte zur Zeit   durch eine Funktion  

 

vor, die Randwerte auf dem Rand   des räumlichen Gebiets   werden für Zeiten   durch eine Funktion   (oder deren erste räumliche Ableitung)

 

vorgegeben. Insgesamt erhält man das Anfangs- und Randwertproblem

 

wobei   der räumliche Teil des parabolischen Differentialoperators ist.

Harnack-Ungleichung

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Sei   der räumliche Teil des parabolischen Differentialoperators und   eine klassische Lösung der parabolischen Differentialgleichung

 

mit   in  . Sei außerdem   eine echte zusammenhängende Teilmenge. Dann existiert für   eine Konstante  , so dass

 

gilt. Die Konstante ist abhängig von  ,  ,   und den Koeffizienten von  .[2]

Maximumprinzip

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Sei   ebenfalls wieder der räumliche Teil des parabolischen Differentialoperators, die Funktion   sei nicht negativ in   also   und   sei eine klassische Lösung der parabolischen Differentialgleichung

 

Außerdem sei   zusammenhängend.

  • Falls
 
gilt und   ein nicht negatives Maximum über   im Punkt   annimmt, dann ist   konstant in  .
  • Analog, falls
 
gilt und   ein nicht positives Maximum über   im Punkt   annimmt, dann ist   konstant in  .[3]

Numerische Verfahren für parabolische Anfangs-Randwert-Probleme

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Wenn sich das Definitionsgebiet   der Gleichung mit der Zeit nicht verändert, stellt das parabolische Anfangs-Randwert-Problem in Zeitrichtung   ein Anfangswertproblem und in Ortsrichtung ein Randwertproblem für eine elliptische Differentialgleichung dar. Bei der numerischen Behandlung kann man diese beiden Probleme i. w. getrennt angehen. Dabei gibt es zwei Ansätze:

  • Linienmethode (engl. MOL=method-of-lines): man diskretisiert zuerst im Ort, indem man Standardverfahren für elliptische Randwertprobleme einsetzt, wie das Differenzenverfahren oder Finite-Elemente-Methoden. Dadurch erhält man ein gewöhnliches Anfangswertproblem sehr großer Dimension für die Freiheitsgrade der Diskretisierung. Dieses ist aber ein steifes Anfangswertproblem und sollte mit impliziten oder linear-impliziten Verfahren, wie Rosenbrock-Wanner-Verfahren oder BDF-Verfahren gelöst werden. Der Vorteil dieses Zugangs ist, dass man für die Zeitintegration die genannten Standard-Verfahren einsetzen kann. Der Nachteil ist, dass die Ortsdiskretisierung fest ist, und daher lokale, zeitabhängige Verfeinerungen nicht möglich sind.
  • Rothe-Methode: Man diskretisiert zuerst in der Zeit mit einem der gerade genannten Verfahren für steife Anfangswertprobleme. Dadurch erhält in jedem Zeitschritt ein elliptisches Randwertproblem für die aktuelle Lösung   auf dem Gebiet  . Zur Lösung dieses Randwertproblems können jetzt auch z. B. Finite-Elemente-Verfahren mit adaptiver Gitteranpassung eingesetzt werden. Die Programmierung ist aber viel aufwändiger als bei der Linienmethode.

Ein einfaches numerisches Verfahren für parabolische Probleme ist das Crank-Nicolson-Verfahren. Dieses verwendet einerseits für die Ortsdiskretisierung die Finite-Differenzen-Methode mit festem Gitter und als Zeitdiskretisierung die implizite Trapez-Methode.

Literatur

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  • Gerhard Dziuk: Theorie und Numerik partieller Differentialgleichungen. de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-014843-5, S. 183–253.

Einzelnachweise

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  1. Lawrence C. Evans: Partial Differential Equations. Reprinted with corrections. American Mathematical Society, Providence RI 2008, ISBN 978-0-8218-0772-9, S. 350.
  2. Lawrence C. Evans: Partial Differential Equations. Reprinted with corrections. American Mathematical Society, Providence RI 2008, ISBN 978-0-8218-0772-9, S. 370f.
  3. Lawrence C. Evans: Partial Differential Equations. Reprinted with corrections. American Mathematical Society, Providence RI 2008, ISBN 978-0-8218-0772-9, S. 376f.