Plemelj-Smithies-Formeln

Die Plemelj-Smithies-Formeln (nach Josip Plemelj und Frank Smithies) sind Theoreme aus der Funktionalanalysis über die Darstellung von Operatordeterminanten wie der Fredholm-Determinante $\det(I+\lambda A)$ für Spurklasse-Operatoren $A\in {\mathcal {S}}_{1}$ und für den Spezialfall beschränkter linearer Operatoren mit endlichem Rang ${\mathcal {F}}({\mathcal {B}})$ auf einem Banachraum ${\mathcal {B}}$. Die Theoreme geben eine explizite Formel zur Berechnung der Koeffizienten der Taylorentwicklung von $\det(I+\lambda A)$ an.

Aussage

Sei $A\in {\mathcal {S}}_{1}$ ein Operator der Spurklasse und $\lambda \in \mathbb {C}$, dann ist die Determinante $\det(I+\lambda A)$ eine ganze Funktion und es gilt

$\det(I+\lambda A)=1+\sum _{k=1}^{\infty }C_{k}(A)\lambda ^{k}$

wobei sich die Koeffizienten $C_{k}(A)$ der Taylorentwicklung mit Hilfe von Determinanten

$C_{k}(A)={\frac {1}{k!}}\;{\begin{vmatrix}\operatorname {tr} A&k-1&0&\cdots &0\\\operatorname {tr} A^{2}&\operatorname {tr} A&k-2&\ddots &\vdots \\\vdots &\vdots &\ddots &\ddots &0\\\operatorname {tr} A^{k-1}&\operatorname {tr} A^{k-2}&\cdots &\operatorname {tr} A&1\\\operatorname {tr} A^{k}&\operatorname {tr} A^{k-1}&\cdots &\operatorname {tr} A^{2}&\operatorname {tr} A\end{vmatrix}}~.$

ausdrücken lassen.

Außerdem gilt für $|\lambda |<R$ und $R>0$ hinreichend klein die folgende Formel:

$\det(I+\lambda A)=\exp \left(\sum _{k=1}^{\infty }{\frac {(-1)^{k+1}}{k}}\operatorname {tr} (A^{k})\lambda ^{k}\right)$

Beweis-Skizze

Die Idee besteht darin, den Beweis zunächst für den oben erwähnten Spezialfall von beschränkten Operatoren mit endlichem Rang durchzuführen und dann den Gültigkeitsbereich durch einen geeigneten Grenzübergang auf ${\mathcal {S_{1}}}$ fortzusetzen.

Lemma zur Verkettung der Exponentialfunktion mit einer speziellen analytischen Potenzreihe

Als Vorbereitung benötigen wir noch folgendes Lemma (siehe Gohberg et al. und Reed / Simon):

Seien $f$ und $g$ Funktionen, die in einer Umgebung von $\lambda =0$ holomorph sind mit folgenden Taylorentwicklungen:

$f(\lambda )=\sum _{n=0}^{\infty }{\frac {a_{n}}{n!}}\lambda ^{n},\qquad g(\lambda )=\sum _{n=1}^{\infty }{\frac {(-1)^{n+1}}{n}}b_{n}\lambda ^{n}$

Sei weiterhin $f(\lambda )=\operatorname {exp} (g(\lambda ))$. Dann ist $a_{0}=1$ und für $n\geq 1$ gilt folgende Darstellung:

$a_{n}=\operatorname {det} {\begin{pmatrix}b_{1}&n-1&0&\cdots &\cdots &0\\b_{2}&b_{1}&n-2&\ddots &&\vdots \\\vdots &\vdots &\ddots &\ddots &\ddots &\vdots \\b_{n-2}&\cdot &\cdots &b_{1}&2&0\\b_{n-1}&b_{n-2}&\cdots &\cdots &b_{1}&1\\b_{n}&b_{n-1}&b_{n-2}&\cdots &\cdots &b_{1}\end{pmatrix}}$

Begründung:

Da in einer Umgebung von 0 die Gleichung $f'(\lambda )=g'(\lambda )f(\lambda )$ gilt, kann man die Cauchy-Produktformel auf das Produkt der Potenzreihen von $g'$ und $f$ anwenden:

$\sum \limits _{n=1}^{\infty }{\frac {a_{n}}{(n-1)!}}\lambda ^{n-1}=\sum \limits _{n=1}^{\infty }\lambda ^{n-1}\left(\sum \limits _{k=1}^{n}(-1)^{k+1}b_{k}{\frac {a_{n-k}}{(n-k)!}}\right)$

Also

$a_{n}=\sum \limits _{k=1}^{n}(-1)^{k+1}b_{k}a_{n-k}{\frac {(n-1)!}{(n-k)!}}\;\;\;\;n=1,2,\ldots$

Die Aussage des Lemmas zeigt man nun durch Induktion über $n$. Mit der Annahme, dass die Aussage des Lemmas für $a_{j},1\leq j\leq n$ richtig ist, folgt die Gültigkeit für $a_{n+1}$ durch den Laplaceschen Entwicklungssatz, da die Summenformel für $a_{n+1}$ gerade der Entwicklung der Determinante für $a_{n+1}$ nach der ersten Spalte entspricht.

Beweis für Operatoren mit endlichem Rang

Mit Hilfe des obigen Lemmas können wir nun den Beweis für Operatoren mit endlichem Rang führen (vgl. Gohberg et al. und Reed / Simon):

Sei $A$ ein Operator aus der Algebra der beschränkten linearen Operatoren mit endlichem Rang ${\mathcal {F}}({\mathcal {B}})$ auf einem Banachraum ${\mathcal {B}}$.

Wenn wir die komplexen Eigenwerte von $A$ mit $\mu _{i}\;(i=1,\ldots ,n)$ bezeichnen, dann lässt sich die Determinante für $\lambda <1/{\bigl |}{\underset {i=1,\ldots ,n}{\operatorname {max} }}\mu _{i}{\bigr |}$ folgendermaßen darstellen:

${\begin{aligned}\det(I+\lambda A)=\prod _{i=1}^{n}(1+\lambda \mu _{i})=&\operatorname {exp} \left(\sum _{i=1}^{n}\operatorname {log} (1+\lambda \mu _{i})\right)\\=&\operatorname {exp} \left(\sum _{i=1}^{n}\sum _{k=1}^{\infty }{\frac {(-1)^{k+1}}{k}}\mu _{i}^{k}\lambda ^{k}\right)\\=&\operatorname {exp} \left(\sum _{k=1}^{\infty }{\frac {(-1)^{k+1}}{k}}\lambda ^{k}\left(\sum _{i=1}^{n}\mu _{i}^{k}\right)\right)\\=&\operatorname {exp} \left(\sum _{k=1}^{\infty }{\frac {(-1)^{k+1}}{k}}\lambda ^{k}\operatorname {tr} (A^{k})\right)\end{aligned}}$

Durch Anwenden des obigen Lemmas auf die gerade hergeleitete Darstellung von $\det(I+\lambda A)$ folgt unmittelbar die Gültigkeit der Plemlj-Smithies Formeln für Operatoren mit endlichem Rang.

Stetige Fortsetzung auf eingebettete Unteralgebren mit der Approximations-Eigenschaft

Wir bezeichnen mit

• ${\mathcal {L}}({\mathcal {B}})$ die Algebra aller beschränkten linearen Operatoren
• ${\mathcal {F}}({\mathcal {B}})$ die Algebra aller beschränkten linearen Operatoren mit endlichem Rang

auf einem komplexen Banachraum ${\mathcal {B}}$

Eine Unteralgebra ${\mathcal {D}}$ von ${\mathcal {L}}({\mathcal {B}})$ heißt stetig eingebettet in ${\mathcal {L}}({\mathcal {B}})$, falls es eine Norm $\|\cdot \|_{\mathcal {D}}$ auf ${\mathcal {D}}$ gibt, so dass

$1.\;\|A\|_{{\mathcal {L}}(B)}\leq C\|A\|_{\mathcal {D}}$

Zusätzlich fordern wir

$2.\;\|AB\|_{\mathcal {D}}\leq C\|A\|_{\mathcal {D}}\|B\|_{\mathcal {D}}$

• Der Einfachheit halber nennen wir eine Unteralgebra ${\mathcal {D}}$ eine eingebettete Unteralgebra, wenn die Norm auf ${\mathcal {D}}$ die Bedingungen 1. und 2. erfüllt.
• Falls zusätzlich ${\mathcal {F}}_{\mathcal {D}}={\mathcal {F}}\cap {\mathcal {D}}$ dicht in ${\mathcal {D}}$ bezüglich der Norm $\|\cdot \|_{\mathcal {D}}$ liegt, so sagen wir, dass ${\mathcal {D}}$ die Approximationseigenschaft hat.

Man kann zunächst allgemein nachweisen, dass sich unter gewissen Voraussetzungen die Funktion $\operatorname {det} (I+\lambda A)$ für eingebettete Unteralgebren ${\mathcal {D}}$ mit Approximationseigenschaft setig von ${\mathcal {F}}_{\mathcal {D}}$ nach ${\mathcal {D}}$ fortsetzen lässt (siehe z. B. Gohberg et al.).

Speziell lässt sich nun zeigen, dass

• die Menge ${\mathcal {S}}_{1}$der Operatoren der Spurklasse eine Unteralgebra von ${\mathcal {L}}({\mathcal {B}})$ mit der Approximationseigenschaft ist (vgl. Gohberg et al.)
• sich $\operatorname {det} (I+\lambda A)$ von ${\mathcal {F}}\cap {\mathcal {S}}_{1}$ stetig nach ${\mathcal {S}}_{1}$ fortsetzen lässt vgl. Gohberg et al.

Alternative Formulierung der Plemelj-Smithies-Formeln mit Hilfe von Bell-Polynomen

Ein Spezialfall der Formel von Faà di Bruno besagt, dass sich die Exponentialfunktion einer formalen Potenzreihe mit Hilfe von vollständigen Bell-Polynomen ausdrücken lässt:

$\exp \left(\sum _{n=1}^{\infty }{\frac {a_{n}}{n!}}x^{n}\right)=\sum _{n=0}^{\infty }{\frac {B_{n}(a_{1},\dots ,a_{n})}{n!}}x^{n}$

Wenn man dies anstelle des obigen Lemmas auf die Darstellung von $\operatorname {det} (I-\lambda A)$ anwendet, so erhält man folgende alternative Darstellung für die Taylorkoeffizienten $C_{k}(A)$:

$C_{k}(A)={\frac {1}{k!}}\;{\mathcal {B}}_{k}{\Bigl (}0!~\operatorname {tr} A,-1!~\operatorname {tr} A^{2},2!~\operatorname {tr} A^{3},\ldots ,(-1)^{k-1}(k-1)!~\operatorname {tr} A^{k}{\Bigr )}.$

Korollar: Charakteristisches Polynom einer endlich-dimensionalen Matrix

Ein besonders einfaches Anwendungsbeispiel sind endlich-dimensionale Matrizen $A\in \mathbb {C} ^{n\times n}$, da man für diese mit Hilfe der Plemlj-Smithies-Formeln unmittelbar explizite Formeln für die Koeffienten $c_{k}$ des durch

$\chi _{A}(\lambda )=\det \left(\lambda I-A\right)=\sum _{k=1}^{n}c_{k}\lambda ^{k}$

definierten charakteristischen Polynoms der Matrix ableiten kann:

${\frac {1}{\lambda ^{n}}}\det \left(\lambda I-A\right)=\det \left(I+\left(-\;{\frac {1}{\lambda }}\right)A\right)=1+\sum _{k=1}^{\infty }C_{k}(A)(-1)^{k}{\frac {1}{\lambda ^{k}}}$.

Da das charakteristische Polynom vom Grad $n$ ist, muss $C_{k}(A)=0$ sein für $k>n$, d. h. die Laurententwicklung reduziert sich zu einer endlichen Summe von Termen, die Potenzen von $\lambda$ mit nicht-negativen Exponenten haben:

$\det \left(\lambda I-A\right)=\sum _{k=0}^{n}(-1)^{k}C_{k}(A)\lambda ^{n-k}$.

Durch Koeffizientenvergleich erkennt man:

$c_{n-k}=(-1)^{k}C_{k}(A)$.

Literatur

• Israel Gohberg, Seymour Goldberg, Nahum Krupnik : Traces and Determinants of Linear Operators, Operator Theory Advances and Applications Vol. 116, Springer Basel AG, ISBN 978-3-0348-9551-4, doi:10.1007/978-3-0348-8401-3
• Michael Reed, Barry Simon : IV: Analysis of Operators, Methods of Modern Mathematical Physics, Academic Press INC., ISBN 0-12-585004-2
• J. Plemelj : Zur Theorie der Fredholmschen Funktionalgleichung, Monat. für Math. und Phys 15, 1904, 93–128 doi:10.1007/BF01692293
• F. Smithies : Integral Equations, Cambridge University Press, Cambridge, UK, 1965, ISBN 978-0-521-10003-8

Einzelnachweise

siehe auch: Fredholm-Determinante, Approximationseigenschaft, Banachalgebra, Spurklasse