Poincaré-Ungleichung

Ungleichung aus der Theorie der Sobolev-Räume

In der Analysis bezeichnet man als Poincaré-Ungleichung eine nach dem französischen Mathematiker Henri Poincaré benannte Ungleichung aus der Theorie der Sobolev-Räume. Die Ungleichung ermöglicht es, Schranken für eine Funktion aus Schranken der Ableitungen und der Geometrie des Definitionsbereichs herzuleiten. Solche Schranken spielen in der Variationsrechnung eine große Rolle.

Formulierung der Ungleichung

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Die klassische Poincaré-Ungleichung

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Sei   und   eine beschränkte zusammenhängende offene Teilmenge des  -dimensionalen euklidischen Raumes   mit Lipschitz-Rand (d. h.   ist ein Lipschitz-Gebiet). Dann gibt es eine Konstante  , die nur von   und   abhängt, so dass für jede Funktion   im Sobolev-Raum   die Ungleichung

 

gilt, wobei

 

der Mittelwert von   über   ist,   bezeichnet das Lebesgue-Maß des Gebietes  .

Mit Hilfe der Hölder-Ungleichung kann man zeigen, dass die  -Poincaré-Ungleichung aus der  -Poincaré-Ungleichung folgt. Allgemein: Wenn für ein Gebiet   die Poincaré-Ungleichung für ein   gilt, dann gilt sie auch für alle  , eventuell mit einer anderen Konstanten  .

Eindimensionales Beispiel

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Sei f eine stetig differenzierbare Funktion mit Fourierreihe

 ,

dann ist unter Benutzung der Parsevalschen Gleichung

 .

Mannigfaltigkeiten

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Für Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit nichtnegativer Ricci-Krümmung (zum Beispiel nichtnegativer Schnittkrümmung) gilt die Poincaré-Ungleichung. Es gibt eine nur von der Dimension n abhängende Konstante  , so dass für alle   gilt:

  [1]

Metrische Räume

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Bruce Kleiner bewies 2007 eine Poincaré-Ungleichung für die Cayley-Graphen endlich erzeugter Gruppen:

 

wobei   eine stückweise glatte Funktion,   ihr Mittelwert über den Ball   und   das den Cayley-Graphen definierende Erzeugendensystem ist. Mit Hilfe dieser Ungleichung gab er einen vereinfachten Beweis von Gromows Satz über Gruppen polynomialen Wachstums.[2]

Für metrische Räume mit nichtnegativer Ricci-Krümmung im Sinne von Lott-Villani-Sturm wurde die schwache lokale  -Poincaré-Ungleichung 2012 von Rajala bewiesen.[3]

Verallgemeinerungen

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Es gibt Verallgemeinerungen der Poincaré-Ungleichung für andere Sobolev-Räume, zum Beispiel die folgende Poincaré-Ungleichung[4] für den Sobolev-Raum  , d. h. den Raum der Funktionen   im  -Raum des Torus  , deren Fourier-Transformierte   die Bedingung

 

erfüllt: Es gibt eine Konstante  , so dass für jedes   mit   identisch 0 auf einer offenen Menge   folgende Ungleichung gilt:

 

wobei   die harmonische Kapazität von   als Teilmenge von   bedeutet.

Sobolev Slobodeckji-Räume und Poincaré-Ungleichung

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Sei   und  . Der Sobolev Slobodeckji-Raum   ist definiert als die Menge aller Funktionen  , für die gilt:   und die Seminorm   ist endlich. Die Seminorm   wird definiert durch:

 

Die Poincaré-Ungleichung in diesem Kontext kann wie folgt verallgemeinert werden:

 

wobei   der Mittelwert von   über   ist und   eine von   und   abhängige Konstante darstellt. Diese Ungleichung gilt für jedes beschränkte  .

Beweis der Poincaré-Ungleichung

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Der Beweis folgt dem Beweis von Irene Drelichman und Ricardo G. Durán[5]. Sei  . Durch Anwendung der Jensen-Ungleichung erhalten wir:

 
 

Durch Ausnutzung der Beschränktheit von   und weitere Abschätzungen folgt:

 
 

Hieraus ergibt sich, dass die Konstante   als   gegeben ist. Jedoch weist die Referenz [6] mit Theorem 1 darauf hin, dass dies nicht die optimale Konstante ist.

Die Poincaré-Konstante

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Die optimale Konstante   in der Poincaré-Ungleichung wird als Poincaré-Konstante des Gebietes   bezeichnet. Es ist im Allgemeinen sehr schwer, die Poincaré-Konstante zu bestimmen, abhängig von   und der Geometrie des Gebietes  . Gewisse Spezialfälle sind aber behandelbar. Zum Beispiel für beschränkte, konvexe Lipschitz-Gebiete   mit Durchmesser   ist die Poincaré-Konstante höchstens   falls  , und höchstens   falls  [7][8] und das ist die bestmögliche nur vom Durchmesser abhängende Abschätzung für die Poincaré-Konstante. Für glatte Funktionen erhält man das als eine Anwendung der isoperimetrischen Ungleichung auf die Levelmengen der Funktion.[9] Im Eindimensionalen ist das die Wirtinger-Ungleichung für Funktionen.

Es gibt Spezialfälle, in denen die Konstante   explizit bestimmt werden kann. Zum Beispiel für   ist bekannt, dass für das Gebiet des gleichschenkligen rechtwinkligen Dreiecks mit Katheten der Länge 1 die Poincaré-Konstante   ist (und damit kleiner als   für den Durchmesser  ).[10]

Einzelnachweise

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  1. Peter Buser: A note on the isoperimetric constant. In: Ann. Sci. École Norm. Sup., (4) 15, 1982, no. 2, S. 213—230
  2. Bruce Kleiner: A new proof of Gromov’s theorem on groups of polynomial growth. In: J. Amer. Math. Soc., 23, 2010, no. 3, S. 815–829, arxiv:0710.4593
  3. Tapio Rajala: Local Poincaré inequalities from stable curvature conditions on metric spaces. In: Calc. Var. Partial Differ. Equ., 44, No. 3-4, 2012, S. 477–494
  4. Adriana Garroni, Stefan Müller: Γ-limit of a phase-field model of dislocations. In: SIAM J. Math. Anal., 36, 2005, no. 6, S. 1943–1964
  5. Irene Drelichman, Ricardo G. Durán: Improved Poincaré inequalities in fractional Sobolev spaces. In: arXiv. 11. Mai 2017, abgerufen am 5. Mai 2024 (englisch).
  6. Jean Bourgain, Haïm Brezis, Petru Mironescu: Limiting embedding theorems for   when s ↑ 1 and applications. In: Journal d'Analyse Mathématique. Band 87, 2002, S. 77–101, doi:10.1007/BF02868470 (englisch).
  7. Gabriel Acosta, Ricardo Durán: An optimal Poincaré inequality in   for convex domains. In: Proc. Amer. Math. Soc., 132, 2004, no. 1, S. 195–202
  8. L.E. Payne, Hans F. Weinberger: An optimal Poincaré inequality for convex domains. In: Arch. Rational Mech. Anal., 5, 1960, S. 286–292.
  9. Nick Alger: L1 Poincaré Inequality. (Memento des Originals vom 3. März 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/maze5.net
  10. Fumio Kikuchi, Xuefeng Liu: Estimation of interpolation error constants for the P0 and P1 triangular finite elements. In: Comput. Methods Appl. Mech. Engrg., 196, 2007, no. 37-40, S. 3750–3758.