Die Selbstbezeichnungen „kritische Psychologie“ und – international – „critical psychology“ werden von recht unterschiedlichen akademischen Richtungen verwendet. Die einzige Gemeinsamkeit dieser Ansätze, zu denen z. B. der soziale Konstruktionismus in der Psychologie, die phänomenologische Psychologie oder die psychoanalytische Sozialpsychologie zählen, liegt in einer Abgrenzung vom naturwissenschaftlich orientierten Mainstream der Disziplin, der methodisch ein experimentell-statistisches Vorgehen zum Ideal erhebt.
Mit der Bezeichnung „Kritische Psychologie“ (die Großschreibung dient – seit den frühen 1970er Jahren – der Unterscheidung) ist hingegen ein bestimmter wissenschaftlicher Arbeitszusammenhang gemeint. Ausgehend von marxistischen Positionen in Philosophie und Gesellschaftstheorie wurden hier Grundbegriffe („Kategorien“) erarbeitet, um ein „historisches Paradigma“ für die Psychologie zu entwickeln und deren „vorparadigmatischen“ Zustand zu überwinden.
Diese Grundbegriffe sollen „subjektwissenschaftlicher“ Forschung dienen, d. h. einer Analyse von subjektiven Problemen, die vom Standpunkt der Betroffenen ausgeht und den konkreten Zusammenhang psychischer, sozialer und gesellschaftlicher Momente erfasst. Eine solche Analyse ist im Gegensatz zu einer „kontrollwissenschaftlichen“ nicht darauf aus sicherzustellen, dass Menschen sich den Anforderungen und Zumutungen fügen, die mit der Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer spezifischen Macht- und Herrschaftsverhältnisse einhergehen. Vielmehr soll sie eine „soziale Selbstverständigung über Handlungsbegründungen“ ermöglichen, die im Blick behält, dass gesellschaftliche Verhältnisse von Menschen geschaffen und daher veränderbar sind – und entsprechende Handlungsmöglichkeiten eröffnen. mehr