Quantenüberlegenheit

Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber klassischen Supercomputern bei der Lösung eines komplexen Problems

Mit Quantenüberlegenheit (englisch Quantum Supremacy) wird die Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber klassischen Supercomputern bei der Lösung eines komplexen Problems bezeichnet. Gemeint ist der Zeitpunkt, ab dem ein Quantencomputer eine Aufgabe in akzeptabler Zeit lösen kann, für die ein Computer, dessen Technik auf herkömmlicher Digitaltechnik basiert, eine nicht realisierbare Rechenzeit benötigen würde, unabhängig von der Nützlichkeit des Problems.[1][2]

Bezeichnung und Funktionsweise

Bearbeiten

Geprägt wurde der Begriff durch den theoretischen Physiker John Preskill (2012),[3][4] die Idee, dass es eine solche Überlegenheit geben könnte, geht aber auf den Mathematiker Yuri Manin (1980) und den Physiker Richard Feynman (1981) zurück.[5]

„Der Quantencomputer kann bestimmte, besonders schwierige und komplexe Aufgaben in einer annehmbaren Zeit lösen, für die ein klassischer Rechner unpraktikabel lange Zeit benötigt. Er kann Lösungen finden, die bislang trotz Supercomputer unzugänglich blieben.“

Christian J. Meier: Eine kurze Geschichte des Quantencomputers: Wie bizarre Quantenphysik eine neue Technologie erschafft, Verlag Heinz Heise, Hannover 2020, ISBN 978-3-95788-105-2, S. 10

Bei bestimmten Aufgaben steigt bei klassischen Computern mit zunehmender Anzahl an Möglichkeiten die Rechenzeit exponentiell, bei Quantencomputern hingegen eher linear. Quantencomputer sind beispielsweise beim Grover-Algorithmus (Suche in riesigen unsortierten Datenmengen) klassischen Computern prinzipiell überlegen. Möglich wird die hohe Rechenleistung einerseits durch Superposition von Qubits, also der Überlagerung von Zuständen von Teilchen[6] und andererseits durch Quantenverschränkung.

Die Leistungsfähigkeit von Quantenschaltungen im Vergleich zur herkömmlichen Informationsverarbeitung beruht darauf, dass n eintretende Qubits gleichzeitig 2n mögliche Zustände auf Grund der Superposition speichern zu können. Das bedeutet, dass sich Informationen mit exponentiell weniger Ressourcen speichern und verarbeiten lassen, als dies bei herkömmlichen Rechenprozessen möglich ist. Die Quantenüberlegenheit liegt genau in dieser Tatsache begründet.[7]

50 Qubits galten lange als die Mindestgröße, ab der Quantencomputer Berechnungen durchführen könnten, die auf klassischen Computern eine undurchführbar lange Zeit benötigen würden.[8]

Geschichte

Bearbeiten

Am 23. Oktober 2019 behaupteten Google-Forscher in einem in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Artikel, Quantenüberlegenheit erreicht zu haben.[9] Der von Google entwickelte Quantenprozessor Sycamore, der funktionierende 53 Qubits enthält, habe ein Problem in 200 Sekunden gelöst, für das der fortschrittlichste Supercomputer Summit von IBM etwa 10.000 Jahre gebraucht hätte.[9][10] Der Konkurrent IBM bezweifelt das. Googles Rechnung enthalte einen Fehler. IBM zufolge könnten klassische Systeme dieses Problem in etwa 2,5 Tagen lösen.[11][4]

Im Dezember 2020 verkündeten chinesische Forscher, dass ihr Quantencomputer-System Jiuzhang Quantenüberlegenheit erreicht hat. Als photonisches System mit bis zu (Peak) 76 Qubits weist es eine Reihe von Vor- und Nachteilen gegenüber dem elektronischen Sycamore auf.[12][13][14]

Literatur

Bearbeiten
  • Durchbruch bei Quantenrechnern. (Titelthema) In: Technology Review (deutsche Ausgabe), Nr. 12/2019, S. 44–53; mit mehreren Artikeln zum Thema
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. John Preskill: Quantum computing and the entanglement frontier. In: arXiv:1203.5813 [cond-mat, physics:quant-ph]. 10. November 2012, arxiv:1203.5813.
  2. John Preskill: Quantum Computing in the NISQ era and beyond. In: Quantum. Band 2, 6. August 2018, ISSN 2521-327X, S. 79, doi:10.22331/q-2018-08-06-79, arxiv:1801.00862.
  3. John Preskill: Quantum computing and the entanglement frontier. 2012, arxiv:1203.5813.
  4. a b Edwin Pednault, John Gunnels, Dmitri Maslov, Jay Gambetta: On “Quantum Supremacy”. In: IBM Research > IBM Research Blog > Topics > Quantum Computing. ibm.com, 22. Oktober 2019, abgerufen am 27. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
  5. Richard P. Feynman: Simulating physics with computers. In: International Journal of Theoretical Physics. Band 21, Nr. 6-7. Plenum Publishing Corporation, Juni 1982, ISSN 0020-7748, S. 467–488, doi:10.1007/BF02650179 (online auf den Seiten der Wuhan University [PDF]).
  6. Johanna Michaels: FAZ.net: Was bedeutet die Überlegenheit von Googles Quantencomputer, abgerufen am 4. November 2019
  7. Valeria Saggio, Philip Walther: Quantenrechnen mit Licht: Photonische Quantencomputer In: Physik in unserer Zeit 1. März 2022
  8. Philip Ball: Quantencomputer: Weitere Aussichten: Durchwachsen. In: Spektrum der Wissenschaft. 3. Juli 2018, abgerufen am 12. Mai 2024.
  9. a b c Frank Arute, Kunal Arya, Ryan Babbush, Dave Bacon, Joseph C. Bardin, John M. Martinis et al.: Quantum supremacy using a programmable superconducting processor. In: Nature. Band 574, Nr. 7779, Oktober 2019, ISSN 0028-0836, S. 505–510, doi:10.1038/s41586-019-1666-5 (nature.com).
  10. Arne Grävemeyer: Jetzt auch offiziell: Googles Quantencomputer beweist „Quantum Supremacy“. In: heise online > News 10/2019. Heise Medien, 23. Oktober 2019, abgerufen am 27. Oktober 2019.
  11. Kai Schmerer: IBM vs Google: Streit um „Quanten-Vorherrschaft“. In: ZDNet > Innovation. NetMediaEurope Deutschland, 23. Oktober 2019, abgerufen am 27. Oktober 2019 (deutsch).
  12. Chinese team unveils exceedingly fast quantum computer In: China Daily (englisch). 
  13. China Stakes Its Claim to Quantum Supremacy In: Wired (englisch). 
  14. Han-Sen Zhong, Hui Wang, Yu-Hao Deng, Ming-Cheng Chen, Li-Chao Peng, Yi-Han Luo, Jian Qin, Dian Wu, Xing Ding, Yi Hu, Peng Hu, Xiao-Yan Yang, Wei-Jun Zhang, Hao Li, Yuxuan Li, Xiao Jiang, Lin Gan, Guangwen Yang, Lixing You, Zhen Wang, Li Li, Nai-Le Liu, Chao-Yang Lu, Jian-Wei Pan: Quantum computational advantage using photons. In: Science. 370. Jahrgang, Nr. 6523, ISSN 0036-8075, S. 1460–1463, doi:10.1126/science.abe8770, PMID 33273064, arxiv:2012.01625, bibcode:2020Sci...370.1460Z (englisch, sciencemag.org).