Rainer Blatt
Rainer Blatt (* 8. September 1952 in Idar-Oberstein) ist ein deutsch-österreichischer Experimentalphysiker. Er forscht auf dem Gebiet der Quantenoptik und Quanteninformation, seit 1995 an der Universität Innsbruck. Im Jahr 2004 führte er mit seinem Team als erster eine Quantenteleportation mit Atomen durch.
Leben
BearbeitenRainer Blatt studierte an der Universität Mainz Physik und schloss 1979 mit dem Diplom ab. 1981 promovierte er und war dann Forschungsassistent bei Günter Werth. 1982 ging Blatt mit einem Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für ein Jahr an das Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA), Boulder, zu John L. Hall (Nobelpreis 2005). 1983 wechselte er an die Freie Universität Berlin und ein Jahr später zur Arbeitsgruppe von Peter E. Toschek an die Universität Hamburg.
Nach einem weiteren Aufenthalt in den USA habilitierte sich Blatt 1988 im Fach Experimentalphysik. Von 1989 bis 1994 forschte er als Heisenberg-Stipendiat an der Universität Hamburg und verbrachte in dieser Zeit mehrere Forschungsaufenthalte am JILA in Boulder. 1994 wurde er zum Professor für Physik an die Universität Göttingen berufen. Ein Jahr später erfolgte die Berufung auf einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck. Blatt leitete von 2000 bis 2013 das Institut für Experimentalphysik und ist Mitglied des akademischen Senats. Seit 2003 ist er auch Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Von 2010 bis 2018 war Blatt Mitglied des Österreichischen Wissenschaftsrates.[1]
Rainer Blatt ist verheiratet und Vater von drei Kindern und lebt in Inzing.
Forschungsschwerpunkte
BearbeitenBlatt führte wegweisende Experimente auf dem Gebiet der Präzisionsspektroskopie, der Quantenmetrologie und der Quanteninformationsverarbeitung durch. Dabei arbeitet er mit in Ionenfallen gespeicherten Atomen, die mit Hilfe von Laserstrahlen manipuliert werden. Grundlage für diese Arbeiten waren Vorschläge der Theoretiker Ignacio Cirac und Peter Zoller Mitte der 1990er-Jahre.[2] In dem von ihnen vorgeschlagenen Aufbau ist es Blatts Arbeitsgruppe 2004 erstmals gelungen, die Quanteninformation eines Atoms in vollständig kontrollierter Weise auf ein anderes Atom zu übertragen (Quantenteleportation). Die Wissenschaftszeitschrift Nature berichtete darüber und widmete dem erfolgreichen Experiment eine Titelseite.[3] Während für dieses Experiment nur drei Teilchen in einer Ionenfalle angeordnet waren, gelang es der Arbeitsgruppe um Blatt zwei Jahre später, bis zu acht Atome kontrolliert miteinander zu verschränken.[4] Die Erzeugung des ersten „Quantenbytes“ (1 Qubyte besteht aus 8 Qubits) ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Quantencomputer.
Von Blatt und Kollegen stammt auch die experimentelle Realisierung von Fehlerkorrekturen bei Quantenrechnern (2011), ein wesentlicher Bestandteil von Quantencomputern, da diese sehr fehleranfällig sind und nie störungsfrei arbeiten werden. In der ersten experimentellen Anordnung von drei verschränkten Qubits als Kalziumionen in einer Ionenfalle dienten zwei der Qubits als Korrektur-Qubits und nur eines trug die Information.[5]
Bezüglich der Quantenverschränkung bei Qubits konnten Rainer Blatt und Kollegen 2011 ein System von 14 verschränkten Ionen nachweisen. Einem Team von Blatt, Nicolai Friis und Physikern der Universität Ulm gelang es 2018, 20 Kalziumatome zu verschränken.[6]
Auszeichnungen (Auswahl)
BearbeitenBlatt wurde 2000 Fellow der American Physical Society[7], 2008 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften[8] und 2019 ausländisches Mitglied der National Academy of Sciences[9] und 2020 ausländisches Mitglied der Königlichen Akademie der exakten, physikalischen und Naturwissenschaften in Spanien.[10] Im Jahr 2023 wurde Blatt als Mitglied der Sektion Physik in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen.
- 2006: Erwin Schrödinger-Preis
- 2008: „ERC Advanced Grant“ vom Europäischen Forschungsrat
- 2008: Kardinal-Innitzer-Preis
- 2009: Carl-Zeiss-Forschungspreis (gemeinsam mit Ignacio Cirac)
- 2011: Wissenschaftspreis für außergewöhnliche Forschungsleistungen der Stiftung Südtiroler Sparkasse
- 2012: Stern-Gerlach-Medaille für Arbeiten in der Quantencomputer-Forschung[11]
- 2013: Ehrenzeichen des Landes Tirol[12]
- 2013: Humboldt-Forschungspreis
- 2014: Tiroler Landespreis für Wissenschaft[13]
- 2015: John-Stewart-Bell-Preis der Universität Toronto[14]
- 2016: International Quantum Communication Award
- 2019: Micius-Preis der Micius Quantum Foundation[15]
- 2020: Ehrendoktorat der Universität Complutense Madrid[16]
- 2022: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse[17],
- 2022: Gutenberg Research Award des Gutenberg Forschungskollegs der Universität Mainz[18]
- 2023: Herbert-Walther-Preis[19]
Schriften (Auswahl)
Bearbeiten- Quantum information processing: Dream and Realization. In: Jürgen Audretsch (Hrsg.): Entangled World: The Fascination of Quantum Information and Computation. Wiley 2006, ISBN 978-3-527-40470-4 S. 235–270, doi:10.1002/9783527619092.ch9
- Ionen in Reih und Glied. In: Physik Journal, 11/2005, 37, Online
Weblinks
Bearbeiten- Rainer Blatt auf der Website der Universität Innsbruck
- Curriculum Vitae auf der Website der Universität Innsbruck (PDF, englisch)
- Veröffentlichungen von und über Rainer Blatt auf dem Dokumentenserver Researchgate
- Rainer Blatt im Mitgliederverzeichnis der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Ehemalige Räte. In: wissenschaftsrat.ac.at. Abgerufen am 22. April 2024.
- ↑ J. I. Cirac, P. Zoller: Quantum Computations with Cold Trapped Ions. In: Phys. Rev. Lett. Band 74, Nr. 20, 1995, S. 4091–4094, doi:10.1103/PhysRevLett.74.4091 (umd.edu [PDF]).
- ↑ M. Riebe, H. Häffner u. a.: Deterministic quantum teleportation with atoms. In: Nature. 429, 2004, S. 734–737, doi:10.1038/nature02570.
- ↑ H. Häffner, W. Hänsel u. a.: Scalable multiparticle entanglement of trapped ions. In: Nature. 438, 2005, S. 643–646, doi:10.1038/nature04279.
- ↑ Philipp Schindler, Julio T. Barreiro, Thomas Monz, Volckmar Nebendahl, Daniel Nigg, Michael Chwalla, Markus Hennrich, Rainer Blatt: Experimental repetitive quantum error correction. In: Science. Band 332, Nr. 6033, 2011, S. 1059–1061, doi:10.1126/science.1203329. Vgl. auch die Synopsis Wiederholte Fehlerkorrektur für den Quantenrechner. In: Pro Physik. 27. Mai 2011, abgerufen am 29. Oktober 2023.
- ↑ Robert Gast: 20 verschränkte Qubits. In: spektrum.de. 11. April 2018, abgerufen am 17. Mai 2024.
- ↑ APS Fellow Archive. Abgerufen am 9. Januar 2020.
- ↑ Rainer Blatt. In: oeaw.ac.at. Abgerufen am 22. April 2024.
- ↑ Member Directory: Rainer Blatt. In: nasonline.org. Abgerufen am 22. April 2024 (englisch).
- ↑ Foreign Members of the Royal Spanish Academy of Sciences. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 4. April 2016; abgerufen am 5. Februar 2020.
- ↑ Rainer Blatt erhält Stern-Gerlach-Medaille. In: science.orf.at. Abgerufen am 23. März 2012.
- ↑ Adlerorden für Diplomaten im Vatikan. In: tirol.orf.at:. Abgerufen am 5. Februar 2020.
- ↑ Tiroler Landespreis für Wissenschaft 2014. In: Land Tirol. Abgerufen am 31. Juli 2015.
- ↑ Innsbrucker Quantenphysiker Rainer Blatt erhält Bell-Preis. In: derStandard.at. Abgerufen am 18. August 2015.
- ↑ China zeichnet österreichische Quantenforscher aus. In: orf.at. Abgerufen am 26. April 2019.
- ↑ El físico Rainer Blatt, nuevo doctor honoris causa por la Complutense. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 5. Februar 2020; abgerufen am 5. Februar 2020.
- ↑ Physiker Blatt und Zoller erhielten in Tirol Ehrenkreuz. In: science.apa.at. 6. Juli 2022, abgerufen am 1. August 2022.
- ↑ 2022 – Rainer Blatt. In: uni-mainz.de. 15. Juni 2022, abgerufen am 1. August 2022.
- ↑ Deutsche Physikalische Gesellschaft: Übersicht der Preisträgerinnen und Preisträger. 17. November 2022, abgerufen am 17. November 2022.
Personendaten | |
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NAME | Blatt, Rainer |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker |
GEBURTSDATUM | 8. September 1952 |
GEBURTSORT | Idar-Oberstein |