Realismus

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Realismus (nach lateinisch realis ‚wirklich‘) ist ein Begriff, mit dem das Verhältnis des Menschen zur Wirklichkeit ausgedrückt wird. Handelt es sich um ein enges Verhältnis, nennt man einen solchen Menschen Realist. Als Synonym kennt der „Duden“ den Begriff „Wirklichkeitssinn“.[1]

Realismus – verwandte Begriffe
Realismus (Philosophie) Essentialismus, Gemäßigter Realismus, Konstruktiver Realismus, Kritischer Realismus, Hypothetischer Realismus, Modaler Realismus, Naiver Realismus, Neurealismus, Spekulativer Realismus
Wissenschaftlicher Realismus Entitätenrealismus, Modellabhängiger Realismus, Strukturenrealismus
Realismus in Recht, Politik und Wirtschaft Rechtsrealismus, Verfassungsrealismus, Realismus (Internationale Beziehungen), Metallismus
Sozialistischer Realismus Stilrichtung in Literatur, Malerei, Musik, Kunst, Architektur
Realismus (Literatur) Bürgerlicher Realismus, Heroischer Realismus, Magischer Realismus
Realismus (Kunst) Amerikanischer Realismus, Fotorealismus, Hyperrealismus, Kapitalistischer Realismus, Magischer Realismus, Phantastischer Realismus
Poetischer Realismus (Film) Epoche im europäischen Film

Im alltäglichen, umgangssprachlichen Sinn spricht man von Realismus im Unterschied zum Idealismus: Der Realismus ist eine Lebensauffassung, die „die Dinge und Menschen so nimmt, wie sie sind, statt […] in ihnen nur mehr oder weniger unvollkommene Erscheinungsformen eines Ideals zu sehen“.[2] Indem der Realismus das Seiende und das Sein-Sollende unterscheidet, kann er das Unvollkommene erkennen und Wege akzeptieren oder suchen, sich damit zurechtzufinden.

In der Variante des politischen Realismus kann Realismus als Gegenbegriff zu Optimismus gemeint sein, weil er beim Eintreffen pessimistischer Erwartungen zu besseren Lösungen führe als der Optimismus.

Als Detailrealismus werden künstlerische Bemühungen gekennzeichnet, Details wirklichkeitsgetreu wiederzugeben.

Wissenschaften

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Philosophie

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In der Philosophie stehen beim Thema Realismus die grundsätzlichen Fragen im Vordergrund, ob es überhaupt eine Wirklichkeit gebe, ob sie unabhängig vom Menschen existiere und wie sie erkannt und beschrieben werde. Der philosophische Realismus vertritt in allen Varianten die Existenz einer Wirklichkeit, aber nur der Naive Realismus ist der Meinung, dass sie so sei, wie wir sie wahrnehmen.

Der Universalienrealismus war ein Standpunkt in einem lange anhaltenden spätmittelalterlichen Streit, ob das Allgemeine oder das Einzelne wirklich seien (Universalienproblem). Im Gegensatz zur Kritik an idealistischen Verallgemeinerungen hielt dieser Realismus das Allgemeine für wirklich, während das Einzelne nur vorübergehend sei. Die Auffassung, dass es eine vom Menschen unabhängige und im Prinzip erkennbare Wirklichkeit gebe, wird in neuerer Zeit vom Kritischen Realismus und vom Wissenschaftlichen Realismus vertreten.

Naturwissenschaften

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In den Naturwissenschaften steht die Frage im Zentrum, ob Theorien eine Wirklichkeit erklären, die unabhängig von diesen Theorien existiere. Der wissenschaftliche Realismus sieht in der Bestätigung von Theorien einen Beweis für diese Wirklichkeit, weil solche Bestätigungen kein Wunder sein könnten (Miracle-Argument). Der Strukturenrealismus geht davon aus, dass die Wirklichkeit, der sich Theorien annähern, nur aus Strukturen bestehe. Gegen einen „Theorien-Realismus“ argumentiert ein Entitätsrealismus, der das Experiment über die Theorien stellt. Ein modellabhängiger Realismus vertritt die Auffassung, dass Wirklichkeit beobachterabhängig sei.

Rechtswissenschaften

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In den Rechtswissenschaften spricht man von Rechtsrealismus oder Verfassungsrealismus, wenn weder moralische noch schriftlich fixierte Grundsätze als Ideale gesehen werden, sondern das Recht ausschließlich auf der Erfahrung beruhen soll.

Kunst und Kultur

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In Kunst und Kultur drückt die Bezeichnung Realismus zumeist die Hinwendung zu einer „unschönen“ Wirklichkeit aus, die von höheren Gesellschaftsschichten oder von dominierenden Kunststilen gemieden wird. Alltag, Probleme oder Technik geraten damit ins Blickfeld.

Epoche des Realismus

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Als Realismus im engeren Sinne werden Epochen in der Literatur sowie der bildenden Kunst bezeichnet, die beide ungefähr im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts angesiedelt sind. Dieser Zeitraum folgt auf die Romantik (die gesamteuropäisch etwas später angesetzt wird als die deutsche Romantik) und geht in den Naturalismus in Literatur und Theater über.

In der deutschen Literatur spricht man etwa vom bürgerlichen Realismus der Gesellschaftsromane bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Weil sich der Realismus der Volkssprache zuwendet, gibt es viele sprachspezifische Varianten wie den Verismus in Italien oder den Russischen Realismus. In Frankreich können Realismus und Naturalismus schwer voneinander abgegrenzt werden. Solche Epochengrenzen werden heute oft für fragwürdig und überholt gehalten, sind aber in vielen historischen Darstellungen nach wie vor zu finden.[3]

Fortwirkung

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Aus dem Realismus haben sich im 20. Jahrhundert etliche Varianten und Nachfolgestile entwickelt, die dem Begriff meist ein deskriptives Adjektiv voranstellen. Gemein ist ihnen die weltanschauliche Haltung, die sich gegen den Ästhetizismus um 1900 und gegen die abstrakte Kunst richten. Zu den wichtigsten davon gehören:

  • Amerikanischer Realismus hieß eine Strömung in der bildenden Kunst in den USA, die sich „einfachen“ Sujets wie Getreidespeichern oder Sportanlässen zuwandte.
  • Heroischer Realismus nannte sich eine pessimistische Strömung in der deutschen Literatur zwischen den Weltkriegen.
  • Der Poetische Realismus im europäischen Film beschäftigte sich mit den sozialen Problemen der Weltwirtschaftskrise.
  • Der Magische Realismus als Strömung der Neuen Sachlichkeit verfremdet der Wirklichkeit entnommene Gegenstände durch spezielle Perspektiven, Proportionen Form- und Farbgebung und erzeugt damit eine neue Wahrnehmung.
  • Der Phantastische Realismus dagegen stellt trotz seines Namens eher eine Weiterentwicklung des Surrealismus dar und befasst sich mit erdachten Gegenständen, Figuren und Vorgängen aus den Bereichen Mythologie, Religion, Traum etc.
  • Der Sozialistische Realismus verband die Hinwendung zur einfachen Bevölkerung und scheinbar banalen Sujets mit der Überzeugung, dass Wirklichkeit mit Hilfe der Naturwissenschaften zweifelsfrei erkannt werden könne. Als politisches Programm war er den Kulturschaffenden der Sowjetunion 1932–1991 verordnet. Als Feindbild dieses Realismus wurde der Formalismus betrachtet.
  • Der Kapitalistische Realismus stellt eine Reaktion auf den sozialistischen Realismus durch eine Düsseldorfer Künstlergruppe dar.

In der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts wird der Begriff Realismus auch im Zusammenhang mit dem Einfluss von Techniken oder Medien der Darstellung gebraucht. Schon der bildnerische Realismus des 19. Jahrhunderts hatte sich mit der Geschichte und Entwicklung der Fotografie auseinandergesetzt. Magischer Realismus und phantastischer Realismus nannten sich Stilrichtungen in der Malerei, die in der Frühzeit des Films aufkamen und seine Möglichkeiten der Überblendung oder Montage aufgriffen. Der Fotorealismus der Pop Art übernimmt fotografische Darstellungsweisen in die Malerei, der Hyperrealismus stellt Details absichtlich übertrieben dar.

Literatur

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  • Arnim Regenbogen, Uwe Meyer (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 1998, ISBN 978-3-7873-2500-9, S. 549–551, urn:nbn:de:101:1-201703104667.
  • Christoph Miething: „Realienklassifikation“ oder „Wirklichkeit“? Einige Anmerkungen zum logischen Status des Realismus-Begriffs. In: Germanisch-romanische Monatsschrift. Band 34, 1983, S. 1–7.
  • Karl Eibl: Das Realismus-Argument. Zur literaturpolitischen Funktion eines fragwürdigen Begriffs. In: Poetica. Band 15, 1983, S. 314–328.
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Wiktionary: Realismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Realismus – Zitate

Einzelnachweise

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  1. Vgl. auch W. Goetz: Die Entwicklung des Wirklichkeitssinnes vom 12. zum 14. Jahrhundert. In: Archiv für Kulturgeschichte. Band 27, 1937, S. 33–73.
  2. Realismus. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 16: Plaketten–Rinteln. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908, S. 648 (zeno.org).
  3. Vgl. Themenheft Epochen (= Mitteilungen des deutschen Germanistenverbandes. 49 Jg., Heft 3). Göttingen 2002, ISSN 0012-1061 und ISSN 0418-9426.