Richard Stahlmann
Richard Stahlmann (* 15. Oktober 1891, als Artur Illner, in Königsberg; † 25. Dezember 1974 in Berlin) war ein Funktionär der KPD/SED und stellvertretender Leiter des Auslandsnachrichtendienstes Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) der DDR.
Leben
BearbeitenDer aus einer Handwerkerfamilie stammende Illner absolvierte eine Tischlerlehre. Nach Kriegsdienst und britischer Gefangenschaft war er 1919 Mitglied des Soldatenrats in Königsberg und wurde Mitglied der KPD. Er machte eine rasche Karriere als Parteifunktionär und im militärpolitischen Apparat der Partei, seit 1923 im Militärischen Rat der KPD. 1924 emigrierte er in die Sowjetunion, nahm dort die sowjetische Staatsbürgerschaft an und wurde Mitglied der KPdSU. Nach weiterer militärpolitischer Ausbildung wurde er für einige Jahre als Agent der Kommunistischen Internationale (Komintern) und als Mitarbeiter in der GRU eingesetzt. Damit verbunden waren Auslandseinsätze in Frankreich, England, China, den Niederlanden und in der Tschechoslowakei. 1931/1932 war er Kursant der Internationalen Leninschule in Moskau und anschließend im illegalen Balkanbüro der Komintern in Berlin Sekretär von Georgi Dimitroff.
Im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte er als Bataillonskommandeur bei den Internationalen Brigaden. Seit dieser Zeit trug er den Kampfnamen Richard Stahlmann. Während des Zweiten Weltkrieges leitete er von Schweden aus mit Herbert Wehner den kommunistischen Widerstand in Deutschland.
Nach dem Krieg übernahm er bei der SED militärpolitische und nachrichtendienstliche Aufgaben. Im Parteisekretariat baute er eine geheime Abteilung auf, die zunächst seinen Namen trug. Seit 1948 firmierte sie als Abteilung Verkehr VK. In der Parteiführung der SED gehörte die Abteilung VK zum Bereich von Hermann Matern, Mitglied des Politbüros seit 1950. Mit dieser Abteilung organisierte Stahlmann unter anderem den illegalen Grenzverkehr zwischen SED und westdeutscher KPD einschließlich der Geldtransfers, organisierte bei Westreisen von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl deren Personenschutz. Im September 1952 wurde er als Nachfolger von Anton Ackermann für drei Monate amtierender Leiter des Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF), des Vorläufers der HVA. Ab Dezember 1952 war er unter Markus Wolf stellvertretender Leiter des Dienstes.[1] 1960 ging er als Oberst in den Ruhestand.
Stahlmann wurde mit mehreren Orden ausgezeichnet, unter anderem 1954 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber und 1966 mit dem Karl-Marx-Orden. Seine Urne wurde in der Grabanlage Pergolenweg des Berliner Zentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt.
Nachleben
BearbeitenStasiintern erschien 1986 in Leipzig die Schrift „Aus dem Leben eines Berufsrevolutionärs. Erinnerungen an Richard Stahlmann“, mit der Stahlmanns Verdienste um Partei und Staatssicherheitsdienst gewürdigt wurden. Mit dem Ende der DDR wurde die Schrift öffentlich zugänglich.
Peter Weiss gibt in der „Ästhetik des Widerstands“ ein ausführliches Porträt Stahlmanns. Stefan Heym machte Richard Stahlmann zum Vorbild seines in der DDR verbotenen Romans Collin.
Literatur
Bearbeiten- Aus dem Leben eines Berufsrevolutionärs. Erinnerungen an Richard Stahlmann. Offizin Andersen Nexö, Leipzig 1986.
- Jens Gieseke: Richard Stahlmann. In: Roger Engelmann, Bernd Florath, Helge Heidemeyer, Daniela Münkel, Arno Polzin, Walter Süß (Hrsg.): Das MfS-Lexikon. 4. aktualisierte Auflage, Ch. Links, Berlin 2021, ISBN 978-3-96289-139-8, S. 317 f., Online-Version.
- Michael Kubina: „Was in dem einen Teil verwirklicht werden kann mit Hilfe der Roten Armee, wird im anderen Teil Kampffrage sein.“ Zum Aufbau des zentralen Westapparates der KPD/SED 1945–1959. In: Manfred Wilke (Hrsg.): Die Anatomie der Parteizentrale: Die KPD/SED auf dem Weg zur Macht. Akademie-Verlag, Berlin 1998, ISBN 978-3-05-003220-7.
- Wilhelm Mensing: Zwischen Ost und West – Kuriere und Schleuser im Dienst von KPD und SED. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Ausgabe, 18/2005.
- Michael F. Scholz, Jens Gieseke: Stahlmann, Richard. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Matthias Uhl: Richard Stahlmann (1891–1974). Ein Handlanger der Weltrevolution im Geheimauftrag der SED. In: Dieter Krüger, Armin Wagner (Hrsg.): Konspiration als Beruf. Deutsche Geheimdienstchefs im Kalten Krieg. Ch. Links, Berlin 2003, ISBN 3-86153-287-5, S, 84–110.
- Michael Uhl: Die Internationalen Brigaden im Spiegel neuer Dokumente, in: IWK Heft 4/1999, S. 486–518.
- Hermann Weber, Andreas Herbst (Hrsg.): Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. Zweite, überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Karl Dietz Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6.
- Markus Wolf: Spionagechef im geheimen Krieg: Erinnerungen. Econ & List, München 1998, ISBN 3-612-26482-6.
- Erich Wollenberg: Der Apparat – Stalins fünfte Kolonne (Ost-Probleme, Nr. 19). Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn, 12. Mai 1951 (mit Abbildungen von Albert Schreiner, Wilhelm Zaisser, Hans Kippenberger, Arthur Illner = Richard Stahlmann, Wilhelm Pieck, Walter Ulbrich, Richard Steimer, Franz Dahlem, General Vinzens Müller, Karl Maron, Heinz Hoffmann, Max Reimann, Ernst Wollweber, Karl Schirdewan, Erich Glückauf).
Weblinks
Bearbeiten- Markus Wolf: Ansprache zur Premiere eines Films über Richard Stahlmann. In: Mediathek der Stasi-Unterlagen-Behörde. 14. Oktober 1981 (mit Erinnerungen an Stahlmann und die Gründungszeit der HVA; auch als mp3-Datei, 38,3 MB, 41:50 Minuten).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Hrsg.): Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen. (= Anatomie der Staatssicherheit – MfS-Handbuch). Berlin 2013, S. 26. Online (PDF; 3,2 MB).
Personendaten | |
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NAME | Stahlmann, Richard |
ALTERNATIVNAMEN | Illner, Artur |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Funktionär der KPD/SED und stellvertretender Leiter des Außenpolitischen Nachrichtendienstes in der DDR |
GEBURTSDATUM | 15. Oktober 1891 |
GEBURTSORT | Königsberg |
STERBEDATUM | 25. Dezember 1974 |
STERBEORT | Berlin |