Sanktion

wirtschaftliches Zwangsmittel

Als Sanktion wird in Strafrecht, Außenpolitik und Wirtschaft ein Zwangsmittel bezeichnet, durch das rechtsnormwidriges oder verhaltensnormwidriges Handeln dem so Handelnden Nachteile bringen soll, um ihn zur Einhaltung dieser Normen zu bewegen. Der Begriff hat in verschiedenen Wissenschaften jeweils eine modifizierte Bedeutung.

Etymologie

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Der Begriff Sanktion entstammt lateinisch sanctio, das ursprünglich „Heilung, Billigung“ bedeutete, daraus dann „geschärfte Verordnung, Festlegung durch Gesetz“ (speziell „Strafgesetz, Artikel eines Strafgesetzes“), aber auch „Vorbehalt, Klausel“. Sanctio selbst ist abgeleitet vom Verb sancire „heiligen, weihen, unverletzlich machen“ und davon „(als heilig und unverbrüchlich) festlegen, verordnen“ (mit dem Partizip Perfekt Passiv sanctus, daher Heiligenbezeichnung Sankt).

In seinem Ausführliches lateinisch-deutschen Handwörterbuch erläuterte Karl Ernst Georges 1869 die sanctio als den Paragrafen (wörtlich „Hauptartikel“) eines Gesetzes, der eine Strafandrohung bei Übertretung enthielt.[1] Der Begriff der Sanktion hat demnach etymologisch gesehen die Bedeutung eines Gesetzesbefehls bzw. einer Rechtsfolge oder Bestätigung und weitergehend einer Zwangsmaßnahme.[2]

Der Begriff der Sanktion wird heute in den Grundlagenwissenschaften und der Rechtswissenschaft nicht einheitlich verwendet, zudem unterscheiden sich die Sanktionsbegriffe des deutschen und europäischen Rechts.[3]

Der Begriff der Sanktion ist meist negativ konnotiert, besitzt jedoch nach folgender Unterscheidung auch eine positive Variante:

Völkerrechtlich sind nicht-militärische Sanktionen das letzte nicht-militärische Mittel, bevor der UN-Sicherheitsrat militärische Sanktionen beschließt.

In diesem Artikel wird der Begriffsinhalt auf die negative, repressive Sanktion begrenzt wie auch im überwiegenden Teil der Fachliteratur.[9] Sanktionen aus Rechtsnormen (wie aus dem Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht) werden ebenfalls nicht berücksichtigt.[10]

Form der Durchführung

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Verhängte Sanktionen können ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie mittels Beschlagnahme (Mobilien, Immobilien, Kontosperren), Blockade, Boykott, Desinvestition, Embargo (Exportverbot, Importverbot) oder Wirtschaftskrieg umgesetzt werden. Mit Hilfe einer – meist mit militärischen Mitteln durchgeführten – Blockade wird beispielsweise der Güter- oder Personentransport verhindert, sobald sie einer Sanktion unterliegen. Dabei ist jedoch zu erwähnen, dass die Abgrenzung dieser Begriffe in der Fachliteratur uneinheitlich vorgenommen wird. Die Maßnahmen gegen das ehemalige Südrhodesien im Jahre 1965 wurden beispielsweise als „Sanktionen“ und gleichzeitig als „Embargo-Maßnahmen“ bezeichnet[11] oder als „Embargo“ und zugleich „Boykott“.[12] Es gibt Begriffspaare wie „Boykottsanktion“ und „Sanktionsboykott“.[13] Sogar als Synonyme werden englisch Economic sanction, englisch boycott und englisch embargo betrachtet.[14]

Rechtsgebiete

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Mit Sanktionen sind in der Regel durch Gesetze angedrohte Strafmaßnahmen gemeint, die darauf ausgerichtet sind, konkretes Fehlverhalten zu unterbinden und damit Rechtsnormen durchzusetzen. Sanktionen gibt es sowohl im weltlichen als auch im kirchlichen Recht (Kirchenstrafen).

Der Begriff der Sanktion wird in der Rechtstheorie sehr weit gefasst und beinhaltet alle nachteiligen Rechtsfolgen, die gegen ein Rechtssubjekt ausgesprochen werden, das gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen hat.[17] Sanktionen sind die Rechtsfolge, die einer Rechtsnorm zur effektiven Geltung verhelfen soll.[18] Im schweizerischen Embargogesetz (EmbG) werden als Sanktionen internationale Maßnahmen verstanden, die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen sollen (Art. 1 EmbG).

Soziologie

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Noch 1909 definierte das Meyers Konversations-Lexikon als Sanktion im weiten Sinne die Bestätigung eines Beschlusses, Vertrags oder Gesetzes und im engen Sinne ein Akt der Staatsgewalt, der einem Gesetzentwurf die Gesetzeskraft verleiht.[19] Im soziologischen Kontext wird unter einer Sanktion „die von der Gesellschaft oder ihren einzelnen Gruppen getroffenen oder in Aussicht gestellten Maßnahmen zur Anerkennung, Bestätigung oder Korrektur des Verhaltens von Einzelnen oder Gruppen (verstanden) … und ist ein Mittel der sozialen Kontrolle“.[20]

Der Wortbedeutung nach, wie auch im soziologischen Verständnis, können Sanktionen grundsätzlich positiver oder negativer Art sein: Eine positive Sanktion ist eine – nicht zwangsläufig materielle – „Belohnung“; eine negative Sanktion eine „Bestrafung“. In der Soziologie werden Formen der Organisation von sozialen Prozessen damit bezeichnet. Hierbei unterteilt man die Sanktionen beispielsweise in sechs Schweregrade:[21]

  1. subliminale Sanktion: wer gegen eine Norm verstoßen hat, weiß nicht, wie dieser Verstoß aufgenommen wird und ist dadurch verunsichert;
  2. leichte Sanktion: Erwartung, dass ein Nichteinhalten der Norm missbilligt wird, führt zur Anpassung an die Norm;
  3. relativ leichte Sanktion: Missbilligung des Verhaltens wird ausgesprochen;
  4. relativ schwere Sanktion: Konsequenzen angesichts der Normüberschreitung, wie zum Beispiel Ausschluss oder Versetzung;
  5. schwere Sanktion: Strafe, wie zum Beispiel Haftstrafe oder Verbannung;
  6. ultimative Sanktion: Tötung.

Taxonomie

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Durch die Sanktionierung werden wissenschaftliche Namen von Pilzen gegenüber älteren, gleichlautenden Homonymen und konkurrierenden (anderslautenden) Synonymen geschützt. Dazu muss der Name in einem der drei im Internationalen Code der botanischen Nomenklatur genannten Werken vom jeweiligen Autor akzeptiert worden sein. Wurde der Name eines Rost- (Uredinales), Brand- (Ustilaginales) oder Bauchpilzes (Gasteromycetes) in C.H. Persoons „Synopsis methodica fungorum“ akzeptiert, so gilt dieser Name als sanktioniert. Für alle anderen Pilze sind die beiden Werke „Systema mycologicum“ und „Elenchus fungorum“ von E.M. Fries maßgeblich.

Wirtschaftliche Aspekte

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Der Erfolg von globalen Sanktionen hängt von ihrer Durchsetzbarkeit und Wirksamkeit ab. Zur Durchsetzbarkeit ist ein internationaler Konsens nötig, was nur selten gelingt. Einerseits finden sich andere Staaten oder einzelne Unternehmen, die Sanktionen nicht unterstützen und damit dem betroffenen Staat eine Ausweichmöglichkeit schaffen.[22] Andererseits können Sanktionen auch spürbare wirtschaftliche Nachteile im eigenen Land bis hin zur Rezession verursachen.[23] Die Wirksamkeit von Sanktionen kann allgemein bezweifelt werden. Der sanktionierte Staat kann fehlende Importe oder Exporte durch andere Güter/Dienstleistungen oder Staaten substituieren, die volkswirtschaftlichen Schäden halten sich dann in Grenzen:

Eine umfangreiche US-Studie aus dem Jahre 1990 untersuchte 120 Sanktionen zwischen 1914 und 1990 und kam zu dem Ergebnis, dass 65,8 Prozent (79 Fälle) ein Misserfolg waren, also das Sanktionsziel verfehlten. Lediglich 34,2 Prozent brachten den mit der Sanktion erhofften Erfolg. Eine erfolgreiche militärische Schwächung durch Waffenembargos gab es nur in 20 Prozent der Fälle, während Destabilisierungsstrategien mit Wirtschaftssanktionen zu 52 Prozent erfolgreich waren.[24] Von 80 untersuchten Handelsembargos verursachten lediglich in 37,5 Prozent der Fälle volkswirtschaftliche Schäden von mehr als 1 Prozent des Bruttosozialprodukts.

Siehe auch

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Literatur

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  • Gerd Spittler: Norm und Sanktion. Untersuchungen zum Sanktionsmechanismus. Walter, Olten-Freiburg 1967.
  • Norberto Bobbio: Sanzione. Novissimo Digesto, UTET, XVI, Turin 1969, S. 530–540.
  • Ota Weinberger: Der Sanktionsbegriff und die pragmatische Auswirkung gesellschaftlicher Normen. In: Hans Lenk (Hrsg.): Normenlogik. Verlag Dokumentation, Pullach bei München 1974, ISBN 3794026373, S. 89–111.
  • Vilhelm Aubert: On Sanctions. In: “European Yearbook in Law and Sociology”, 1977, S. 1–19.
  • Francesco D’Agostino: Sanzione. "Enciclopedia del diritto", XLI, Giuffrè, Mailand 1989, S. 303–328.
  • Charles-Albert Morand: Sanction. “Archives de Philosophie du droit”, XXXV, 1990, S. 293–312.
  • Heike Jung: Sanktionensysteme und Menschenrechte. Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 1992, ISBN 9783258046419.
  • Juan Carlos Bayon: Sanction. Dictionnaire encyclopédique de théorie et de sociologie du droit. L.G.D.J., Paris 1993, S. 536–540.
  • Realino Marra: Sanzione. Digesto delle discipline privatistiche. Sezione civile. UTET, XVIII, Turin 1998, S. 153–61.
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Wiktionary: Sanktion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Karl Ernst Georges, sanctio, in: Karl Ernst Georges (Hrsg.), Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Band II, 1869, Sp. 1473 (Digitalisat, Google Books); auch in der 8. Auflage, 1918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Sp. 2477 (Digitalisat, Zeno.org).
  2. Stephan Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union: Der Begriff und seine Funktion im europäischen Rechtsschutzsystem, 2011, S. 12 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Philipp Florian Irmscher, Öffentlichkeit als Sanktion, 2019, S. 360 (eingeschränkte Ansicht in der Google-Buchsuche).
  4. Karl Ebert, Politik: Lehrtexte und Arbeitsmaterialien, 1982, S. 34 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Siegfried Lamnek, Sanktion, in: Gerd Reinhold (Hrsg.), Soziologie-Lexikon, 1992, S. 545; ISBN 3486223402
  6. Stefan Burger, Untreue (§ 266 StGB) durch das Auslösen von Sanktionen zu Lasten von Unternehmen, 2007, S. 5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Stephan Bitter, "Sanction" as legal term in the law of the European Union, 2011, S. 33
  8. Noah Birkhäuser, Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gegen Individuen, 2007, S. 8f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Philipp Florian Irmscher, Öffentlichkeit als Sanktion, 2019, S. 360
  10. Noah Birkhäuser, Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gegen Individuen, 2007, S. 6.
  11. Per Fischer, in: Hans Peter Ipsen (Hrsg.), Außenwirtschaft und Außenpolitik: Rechtsgutachten zum Rhodesien-Embargo, 1967, § 58 Rn. 16
  12. Alfred Verdross, Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 1984, § 232; ISBN 9783428132966.
  13. Georg Erler, Boykott (wirtschaftlicher), in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 240.
  14. Donald L Losman, International Economic Sanctions: The Case of Cuba, Israel and Rhodesia, 1979, S. 1.
  15. Katrin Osteneck: Die völkerrechtliche Verpflichtung der EG zur Umsetzung von UN-Sanktionen. In: Zeitschrift für Europarechtliche Studien 1, 1998, S. 104.
  16. Georg Ress, The Interpretation of The Charter of the United Nations, Band I, 2002, S. 10 f.
  17. Klaus Adomeit, Rechtstheorie für Studenten, 1998, S. 17; ISBN 9783811433694
  18. Carl Creifelds, Creifelds Rechtswörterbuch, 16. Auflage, 2000, S. 1134; ISBN 3406464114
  19. Stichwort Sanktion, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17, 1909, S. 563
  20. Bibliographisches Institut (Hrsg.), Meyers Konversations-Lexikon, Stichwort: Sanktionen, Band 14, 1986, S. 1295
  21. Talcott Parsons, The principal Structures of Community, in: Talcott Parsons (Hrsg.), Structures and Process in Modern Societies, 1960, S. 260
  22. Thomas Plümper, Lexikon der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen, 1996, S. 137 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  23. Thomas Plümper, Lexikon der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen, 1996, S. 138.
  24. Gary Clyde Hufbauer, Jeffrey J. Schott, Kimberley Ann Elliott, Economic Sanctions Reconsidered: History and current policy, Band 1, 1990, S. 92 ff.