Satz von Mittag-Leffler
Der Satz von Mittag-Leffler ist ein nach dem Mathematiker Magnus Gösta Mittag-Leffler benannter Satz der Funktionentheorie. In seiner anwendungsorientierten Formulierung garantiert er die Existenz bestimmter meromorpher Funktionen.
Satz
BearbeitenSei eine diskrete Folge paarweise verschiedener komplexer Zahlen ohne Häufungspunkt in . Dann existiert eine auf holomorphe Funktion, die Pole genau an den Stellen hat und dort jeweils einen vorgegebenen Hauptteil aufweist. Das heißt, zu jedem dieser kann man ein Polynom ohne konstanten Term wählen, nach dem Satz von Mittag-Leffler existiert eine meromorphe Funktion, deren Laurententwicklung auf einer gelochten Kreisscheibe um gerade den Hauptteil besitzt. Insbesondere die Grade der Polynome und damit die Ordnungen der Polstellen können frei gewählt werden.
An Stelle von Polynomen können auch allgemeiner ganze Funktionen (also Potenzreihen, die auf ganz konvergieren) ohne konstanten Term gewählt werden. Die resultierende Funktion hat aber im Fall nicht abbrechender Potenzreihen wesentliche Singularitäten und ist daher nur für Polynome meromorph.
Methode der konvergenzerzeugenden Summanden
BearbeitenDer Fall endlich vieler Polstellen ist trivial, denn dann kann man einfach die endliche Summe der als Lösung nehmen.
Wir setzen daher für das Folgende voraus, dass die Anzahl der Polstellen unendlich ist, wählen (falls in 0 keine Polstelle vorliegt, setzen wir ) und ordnen die Polstellen so, dass für alle gilt. Da die Polstellenmenge diskret ist, folgt daraus .
Der oben betrachtete Fall endlich vieler Polstellen legt den Ansatz nahe, auch hier die Hauptteile einfach zu addieren, das heißt zu bilden. Es stellt sich dann die Frage nach der Konvergenz der Reihe bezüglich der kompakten Konvergenz. Das ist zunächst einmal ein geeigneter Konvergenzbegriff, denn zu jeder kompakten Menge in gibt es wegen einen Index , sodass alle mit außerhalb dieser kompakten Menge liegen und daher die gleichmäßige Konvergenz der Restsumme auf dieser kompakten Menge betrachtet werden kann. Es stellt sich nun heraus, dass obiger Ansatz im Allgemeinen nicht konvergiert.
Daher versucht man als Nächstes, die Summanden geeignet anzupassen. Für sind die Funktionen holomorph um 0 und haben daher eine Taylor-Reihe in 0. Sei das Taylor-Polynom vom Grad , das heißt der Anfang der Taylor-Reihe bis zur -ten Potenz. Die Idee besteht nun darin, die Summanden durch zu ersetzen, wobei die so gewählt werden, dass dadurch Konvergenz erzeugt wird. Da die als Polynome holomorph sind, ändert sich nichts an den Hauptteilen. Dies führt tatsächlich zum Erfolg und heißt in naheliegender Weise Methode der konvergenzerzeugenden Summanden. Mit den hier eingeführten Bezeichnungen gilt:[1]
- Es gibt Zahlen , sodass
- kompakt konvergiert. Die Funktion ist dann meromorph mit Polstellen genau in den vorgegebenen Punkten und hat dort die Hauptteile .
Es ist auch erlaubt, nämlich dann, wenn eine Anpassung des Summanden durch ein Taylor-Polynom nicht nötig ist.
Beispiele
Bearbeiten- Im folgenden einfachen Beispiel erhält man die sogenannte Partialbruchzerlegung einer Funktion. Betrachte . besitzt genau in den ganzen Zahlen Pole zweiter Ordnung. Der Ansatz, als Polynome einfach und somit für die Hauptteile in gerade den Term zu wählen, führt zu . Es lässt sich zeigen, dass diese Summe schon konvergiert. Insbesondere werden keine konvergenzerzeugenden Summanden benötigt. Es stellt sich heraus, dass die Summe tatsächlich gegen konvergiert, das heißt, es gilt:[2]
- Gibt man für nur einfache Polynome mit Residuum 1 vor, so hat man die Hauptteile , deren Summe nicht konvergiert. Für ist das 0-te Taylor-Polynom zu und man kann zeigen, dass die Reihe tatsächlich konvergiert. Man kann dann sogar zeigen:[3]
Verallgemeinerung auf riemannsche Flächen
BearbeitenZur Verallgemeinerung auf riemannsche Flächen müssen wir eine verallgemeinerungsfähige Formulierung finden. Zu diesem Zweck werfen wir einen neuen Blick auf die Situation des Satzes.
Da die Folge in obigem Satz diskret ist, kann man um jeden Punkt eine offene Umgebung finden, die keine weiteren dieser Punkte enthält. Durch eventuelle Vergrößerung der oder durch Hinzunahme weiterer Punkte (mit geeigneten offenen Umgebungen), für die man die Hauptteil-Polynome 0 wählt, kann man annehmen, dass eine offene Überdeckung von ist und jedes aus der vorgegebenen Folge nur den Punkt enthält. Setzt man , so sind die Hauptteile meromorph und die Differenzen sind holomorph. Obiger Satz von Mittag-Leffler besagt nun, dass es eine (globale) meromorphe Funktion gibt, sodass alle Differenzen auf holomorph sind, genauer: holomorph ergänzt werden können (siehe riemannscher Hebbarkeitssatz). bezeichnet dabei die Einschränkung der Funktion auf die angegebene Menge. Das motiviert folgende Begriffsbildung.
Für eine riemannsche Fläche seien und die Garben der holomorphen bzw. meromorphen Funktionen. Eine Mittag-Leffler-Verteilung ist eine Familie meromorpher Funktionen auf offenen Mengen , sodass eine offene Überdeckung von ist und für alle gilt. Eine Lösung einer solchen Mittag-Leffler-Verteilung ist eine global definierte meromorphe Funktion , sodass alle holomorph auf ganz fortgesetzt werden können. Mit diesen Begriffsbildungen gilt:
- Auf einer nicht-kompakten riemannschen Fläche ist jede Mittag-Leffler-Verteilung lösbar.[4]
Auf kompakten riemannschen Flächen sind die Verhältnisse komplizierter, wie nun ausgeführt wird. In Fortführung obiger Begriffsbildungen ist klar, dass für eine Mittag-Leffler-Verteilung die Familie einen Kozykel aus und somit ein mit bezeichnetes Element in der Garbenkohomologiegruppe definiert. Das Kriterium
- Eine Mittag-Leffler-Verteilung einer riemannschen Fläche ist genau dann lösbar, wenn das Nullelement ist.[5]
ist vor dem Hintergrund dieser Begriffsbildungen nicht sehr tiefsinnig, zeigt aber den Unterschied zwischen kompakten und nicht-kompakten riemannschen Flächen. Für nicht-kompakte riemannsche Flächen gilt stets ,[6] weshalb obiger Satz für nicht-kompakte riemannsche Flächen gilt. Für kompakte riemannsche Flächen mit Geschlecht ist das nicht der Fall. In der Tat ist eine der möglichen äquivalenten Definitionen des Geschlechts für riemannsche Flächen, und daher kann man für kompakte riemannsche Flächen vom Geschlecht stets Mittag-Leffler-Verteilungen konstruieren, die nicht lösbar sind.
Literatur
Bearbeiten- Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. Springer, 2006, ISBN 3-540-31764-3.
- Klaus Jänich: Funktionentheorie. 6. Auflage. Springer, 2004, ISBN 3-540-20392-3.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 1.3 (Satz von Mittag-Leffler).
- ↑ Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 3.1.
- ↑ Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 3.2.
- ↑ Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 26.3.
- ↑ Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 18.01.
- ↑ Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 26.01.