Sayed Ahmad Shah Sadaat

afghanischer Politiker

Sayed Ahmad Shah Sadaat (* 3. Januar 1971 in Dschalalabad)[1][2] ist ein ehemaliger afghanischer Politiker und war von 2016 bis 2018 afghanischer Minister für Kommunikations- und Informationstechnologie unter Staatspräsident Aschraf Ghani.

Sadaat wuchs im Dorf Qala Shahi nördlich der Großstadt Dschalalabad unweit der Grenze zu Pakistan auf.[1] 1988 floh er mit seinen Eltern vor dem afghanisch-sowjetischen Krieg nach Großbritannien.[3] Sadaat hält zwei Master-Abschlüsse in IT- und Kommunikationstechnik von der University of Oxford[4] und besitzt neben der afghanischen auch die britische Staatsbürgerschaft.[3] Er spezialisierte sich auf die Arbeit an SIM-Karten und arbeitete für die Telekommunikationsfirmen Swisscom in Lausanne, für Telecom Italia in Mailand und Motorola in Großbritannien.[5]

Unter seiner Ägide als Minister wurden rund 45.000 Festnetzanschlüsse geschaffen und rund 10 Millionen Afghanen an das Mobilfunknetz angeschlossen.[6] Nachdem er diese Funktion für zwei Jahre ausgeführt hatte, gab Sadaat seinen Posten im Jahr 2018 vorzeitig auf. Grund dafür waren interne Meinungsverschiedenheiten[7] über die Verwendung von Geldern. Eigenen Angaben zufolge wehrte er sich dagegen, Geld illegal abzuzweigen. Deshalb habe man ihn aus dem Amt gedrängt.[3]

Im Dezember 2020 floh er allein nach Deutschland und versuchte, seine Frau und sein Kind in Afghanistan zu schützen, indem er ihren genauen Aufenthaltsort geheim hielt.[8] Er suchte in Leipzig eine neue Anstellung im IT- und Kommunikationssektor, arbeite aber aufgrund fehlender Deutschkenntnisse zunächst als Fahrradkurier für den Essenslieferdienst Lieferando[3] und als Paketsortierer für Amazon am Flughafen Leipzig/Halle. Ende 2021 fand er eine Anstellung bei einer Firma in Großlehna, wo er zunächst Anlagenführer in der Produktion von Schutzmasken war und wo er ab Januar 2022 wieder als IT-Spezialist in einem Projekt zur Messung der Netzabdeckung im ländlichen Raum arbeiten sollte.[9][10] Als Teil seiner Bezahlung sollte er 10 % der Firmenanteile erhalten.[8] Ende 2022 zog er mit seinem Sohn und seiner erneut schwangeren Frau vom Großraum Leipzig nach München um, um dort für einen Automobilkonzern zu arbeiten. Sadaat gibt an, dass sein Bruder 2013 in Afghanistan entführt wurde und seitdem verschwunden ist und dass seine gesamte übrige Familie inklusive Mutter, weiteren Geschwistern und Cousins inzwischen im Ausland lebt.[2]

Der Benutzer Frupa wünscht sich an dieser Stelle ein Bild vom Ort mit diesen Koordinaten.

Motiv: Sadaats Jacke und Rucksack im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig

Falls du dabei helfen möchtest, erklärt die Anleitung, wie das geht.
BW

Seine für einen ehemaligen Spitzenpolitiker ungewöhnliche Lebenssituation als Lieferdienstfahrer erzeugte Interesse, nachdem die Taliban zwischen Mai und August 2021 nach dem weitestgehenden Abzug der internationalen Truppen Afghanistan handstreichartig und ohne wirksamen Widerstand eroberten.[3][11] Seit der Medienberichterstattung wurde er vielfach als Teilnehmer an Diskussionsveranstaltungen, auch mit hochrangigen europäischen Politikern, und als Vortragsredner eingeladen.[8] Von Februar bis Juni 2023 stellte das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig Sadaats Jacke und Rucksack vom Lieferdienst im Eingangsbereich Neu im Museum aus.[12]

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Minister's Biography. In: Ministry of Communication and Information Technology (Islamic Republic of Afganistan). 2017, archiviert vom Original am 13. Juli 2017; abgerufen am 6. September 2021 (englisch).
  2. a b Josa Mania-Schlegel: „Ich werde euch nie vergessen“ – Ehemaliger afghanischer Minister Sadaat verlässt Leipzig. In: LVZ.de. 22. Oktober 2022, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  3. a b c d e Peter Maxwill: Wieso ein ehemaliger afghanischer Minister heute als Pizzabote arbeitet. In: Der Spiegel. Abgerufen am 3. September 2021.
  4. Once Afghan minister, Syed Ahmad Shah Saadat now delivers pizza in Germany: Report. India Today, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  5. Josa Mania-Schlegel: Minister in Kabul, Pizzabote in Leipzig. In: LVZ.de. Leipziger Volkszeitung, 2. September 2021, abgerufen am 4. Dezember 2021.
  6. Afghane und Ex-Kommunikationsminister Sayed Ahmad Shah liefert in Leipzig Pizza aus. rtl.de, abgerufen am 29. August 2021.
  7. The Afghan minister who became a bicycle courier in Germany. Aljazeera, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  8. a b c Josa Mania-Schlegel: Ex-Afghanistan-Minister in Leipzig: Was wurde aus Sayed Sadaat? In: LVZ.de. 1. Januar 2022, abgerufen am 1. Januar 2022.
  9. Peter Maxwill: (S+) Afghanischer Ex-Minister heuert bei sächsischem Maskenhersteller an. In: Der Spiegel. 3. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 3. Dezember 2021]).
  10. Josa Mania-Schlegel: Afghanischer Ex-Minister in Leipzig hat neuen Job bei Maskenhersteller. In: LVZ.de. 4. Dezember 2021, abgerufen am 4. Dezember 2021.
  11. Afghanistan: Machtübernahme durch Taliban - Merkel kritisiert Abzug der USA. Frankfurter Rundschau, 16. August 2021, abgerufen am 29. August 2021.
  12. Josa Mania-Schlegel: Minister in Afghanistan, Pizzabote in Leipzig: Sadaats Geschichte ist jetzt im Museum. In: LVZ.de. 9. Mai 2023, abgerufen am 9. Mai 2023.