Schule auf der Veddel

Schule in Hamburg-Veddel

Die Schule auf der Veddel ist eine Stadtteilschule im Hamburger Stadtteil Veddel. In diesem durch Elbe, Kanäle und Hafenanlagen recht isoliert liegenden Stadtteil ist sie die einzige Schule. Die Schule auf der Veddel hat eine eigene Grundschulstufe und eine Sekundarstufe I und kann somit von der Vorschule bis zur 10. Klasse besucht werden. Die Schule wurde 1932 gegründet, der Entwurf für das heute denkmalgeschützte Schulgebäude stammt von Fritz Schumacher. Seit der Gründung hieß die Schule nach ihrer Adresse Schule Slomanstieg, entsprechend der Schulform erst Volksschule Slomanstieg, dann Grund-, Haupt- und Realschule Slomanstieg. Ab 2010 wurde die Schule im Rahmen der Hamburger Schulreform zur Stadtteilschule umgewandelt und nach ihrem Stadtteil neu benannt.

Schule auf der Veddel
Rückansicht
Schulform Stadtteilschule
Gründung 1932
Adresse Slomanstieg 1–3
Ort Hamburg-Veddel
Land Hamburg
Staat Deutschland
Koordinaten 53° 31′ 37″ N, 10° 1′ 10″ OKoordinaten: 53° 31′ 37″ N, 10° 1′ 10″ O
Schüler 508 (Schuljahr 2020/21)[1]
Leitung Bianka Petri[1]
Website schule-auf-der-veddel.hamburg.de

Geschichte

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Die Planung für die Schule Slomanstieg begann 1912, der Bau nach Plänen von Fritz Schumacher wurde jedoch erst 1929 begonnen. 1932 wurde die Schule eingeweiht,[2] 1932 gilt entsprechend als Gründungsjahr.[3] Die ersten Schüler und Schülerinnen kamen von der Schule am Sieldeich[4] bzw. der Schule Slomanstraße 58;[5] beide Gebäude existieren nicht mehr. Die neugebaute Schule hatte eine große Aula (auch als Kino nutzbar), verschiedene Sportstätten, eine öffentliche Bücherhalle und eine Zahnklinik.[6] Damit sollte die Slomanstieg-Schule auch ein Kulturzentrum für die Arbeitersiedlung auf der Veddel werden.[7]

Zu Beginn des Schuljahres 1935/36 wurde Hinrich von der Lieth (1900–1951) zum Schulleiter der Schule Slomanstieg berufen. Er war seit 1930 NSDAP-Mitglied und mithin „alter Kämpfer“ sowie Vorsitzender des Hamburger Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB).[8] Mitte November 1935 fand in der Schule eine Werbeaktion für die Hitlerjugend (HJ) statt. Dabei wurde verlautbart, dass zu dieser Zeit bereits 90 % der Schüler der Schule Slomanstieg HJ-Mitglieder seien, doppelt so viele wie an anderen Hamburger Schulen.[9] Erst ab Dezember 1936 wurde die HJ-Mitgliedschaft zur Pflicht.[10] 1939 wurde für die getrennten Schulen für Jungen und Mädchen ein gemeinsamer Oberbau eingerichtet;[11] an der Schule konnte man nun die Mittlere Reife erwerben.

Nach dem Krieg war die Schule Slomanstieg eine Grund-, Haupt- und Realschule.[11] 1956 wurden die Koedukation eingeführt und Jungen- und Mädchenschule vereinigt.[7] Das Kino in der Schule (Lichtburg Veddel) hatte 550 Plätze und nutzte als „Ausweichtheater“ die Aula. Das Kino war ab 1958 mit Cinemascope ausgestattet,[12] und bestand bis Anfang der 1960er Jahre.[13] 2003 produzierte der NDR eine Dokumentation über den Alltag an der Schule,[14] um die es Kontroversen gab. Laut Joachim Schroeder zeichnete der Film das „Bild unvereinbarer Gegensätze zwischen muslimischen Einwanderern und hilflosen Deutschen“, dabei tauge die Schule nicht als Beispiel einer „heruntergekommenen Ghetto-Schule“, sondern sei im Gegenteil das kulturelle Zentrum des Viertels.[15]

Mit der Hamburger Schulreform wurde die Grund-, Haupt- und Realschule Slomanstieg 2010 zur reinen Grundschule Slomanstieg umgewandelt.[16] 2012 wurde die Schule als Stadtteilschule mit angegliederter Grundschule unter Weiternutzung ihrer Schulgebäude neu errichtet.[17] Zwischen 2012 und 2014 wurde die Schule Slomanstieg in Schule auf der Veddel umbenannt.

Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurden im November 2020 insgesamt 550 Schüler und Beschäftigte der Schule getestet. Dabei wurden 94 Infektionen festgestellt,[18] davon 32 bei Lehrkräften.[19] Bei 74 getesteten Lehrkräften entsprach das einer Positiv-Quote von 43 %. Die Schule auf der Veddel wurde daraufhin geschlossen, Unterricht nur noch in Distanz durchgeführt.[20]

Ab 2017 wurde die Umbenennung der Straße Slomanstieg diskutiert, welche die Schulanschrift bildet. Namensgeber der Straße ist Robert M. Sloman (1812–1900), der die Sloman-Siedlung anlegen ließ. Die Umbenennung wurde von einer Schülergruppe der Schule auf der Veddel gefordert, da Sloman in der Zeit des deutschen Kolonialismus für den Tod zahlreicher Menschen verantwortlich gewesen sei.[21]

Lage und Architektur

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Das Schulgelände liegt zwischen Wilhelmsburger Straße im Westen und Slomanstraße im Osten. Nördlich schließen der Slomanstieg und ein kleiner Platz an, der den Blick auf die Fassade des Nordflügels öffnet. Nach Süden umfassen die beiden Flügel des Baukörpers den Schulhof, an den sich ein Sportfeld anschließt. Das Schulgelände ist gut 5.000 m² groß, unter Einschluss der Sportanlage sind es ungefähr 16.000 m².

Das Gebäude besteht aus drei zusammenhängenden kubischen Gebäudekörpern mit Flachdach. Die schlicht und flächig ausgeführten Fassaden sind mit dunklem Klinker und hell abgesetzten Fensterbändern versehen.[22] Das fünfgeschossige Hauptgebäude ist nach Norden orientiert, der dreigeschossige Ostflügel nimmt im Erdgeschoss eine Schüler- und Stadtteilbibliothek auf, die Mensa findet sich im Untergeschoss. Der Ostflügel mit der Bücherei endet in einer nach drei Seiten offenen Loggia, die zweigeschossig überbaut ist.[6] Turnhalle, Aula und Gymnastiksaal sind in den Westflügel des Gebäudes integriert und nur an den Fensterfronten zu erkennen, so wie es bei den meisten Schulbauten Schumachers gelöst wurde.[6]

Das Schulgebäude ist ein typisches Beispiel für das Hamburger Volksschul-Bauprogramm der späten 1920er Jahre. Mit 38 Klassenräumen war die Schule das größte Hamburger Volksschul-Bauprojekt vor dem Zweiten Weltkrieg.[22] Die Schulgebäude am Slomanstieg 1 und 3, an der Slomanstraße 10 und 12, an der Wilhelmsburger Straße 15 stehen samt ihrer Ausstattung und Einfriedung unter Denkmalschutz. Zur geschützten Ausstattung zählt ausdrücklich ein Wandgemälde von Otto Thämer in der Gymnastikhalle.[23] In der Schule gab es weitere Werke, die im Rahmen des Programms Wandbilder in Hamburger Staatsbauten entstanden, darunter Wandbilder von Paul Kayser und Eduard Hopf in den Fluren und von Eduard Kasper und Arnold Fiedler in den Lehrerzimmern. In der Loggia bei der Bibliothek befand sich eine große, achteckige Bank aus Granit, auf der mittig eine Stele mit einer Messingmöwe von Ludwig Kunstmann befestigt war.[6]

Schulprofil

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Die Schule auf der Veddel ist eine teilgebundene Ganztagsschule. An der Schule wird von Klasse 1 bis Klasse 10 (Sekundarstufe I) unterrichtet, entsprechend handelt es sich um eine Stadtteilschule der Langform ohne eigene Oberstufe. 2020 wurden die Klassenstufen 1 bis 4 drei- bis vierzügig geführt, ab der Klasse 5 nur noch zweizügig.[1] Laut Planung der Hamburger Schulbehörde soll die Schule bis 2030 im Grundschulbereich nur noch 2,5-zügig geführt werden, im Stadtteilschulbereich ab Klasse 5 weiterhin zweizügig.[24]

Der Einzugsbereich der Schule ist im Vergleich zu anderen Stadtteilschulen Hamburgs relativ klein. Die Hälfte der Schüler der Schule kommen aus dem Stadtteil Veddel.[25] Da die Elbinsel Veddel nur auf der Spitze westlich der Bundesautobahn 255 bewohnt ist, wohnen diese Schüler im direkten Umfeld der Schule. Der Großteil der restlichen Schüler kommen aus dem Nordteil von Wilhelmsburg, einige wenige auch aus Rothenburgsort.[25] In den acht Schuljahren von 2000/2001 bis 2007/2008 verließen 130 Schüler die Schule mit Hauptschulabschluss, 93 Schüler (41 %) wurden ohne Schulabschluss entlassen.[26] Bei der Erhebung des Sozialindex für Hamburger Schulen 2011 wurde für die Schule auf der Veddel ein Sozialindex von 1 errechnet. Die Skala reicht von 1 (nachteilige Voraussetzungen der Schülerschaft, höchster Förderbedarf) bis 6 (beste Voraussetzungen, kein Förderbedarf).[27] Im Schuljahr 2016/17 hatten gut 90 % der Schüler an der Schule auf der Veddel einen Migrationshintergrund, fast doppelt so viel wie der Durchschnitt aller Hamburger Stadtteilschulen.[28]

Die Schule hat ein Berufsorientierungskonzept[29] und arbeitet seit 2006 mit der benachbarten Norddeutschen Affinerie (heute Aurubis) zusammen, um Schülerpraktika und Vorbereitung auf die Berufsausbildung in den Schulbetrieb zu integrieren.[30] Die Aurubis AG bezeichnet die Schule auf der Veddel als „Partnerschule“.[31] Aurubis bietet das Modell „AV10-Plus“ an, bei dem Schüler an drei Tagen pro Woche in verschiedenen Berufsbereichen an die Ausbildungsreife herangeführt werden. An den übrigen zwei Wochentagen besuchen sie weiter die Schule. Von 2007 bis 2015 absolvierten 100 Schülerinnen und Schüler der Schule auf der Veddel das Projekt. Die Absolventen, die das Praktikum mit der Prüfung abschlossen, erhielten danach zu 88 % einen Ausbildungsvertrag bei Aurubis Hamburg.[32]

Literatur

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Commons: Schule auf der Veddel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Behörde für Schule und Berufsbildung zusammen mit dem Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung: SISy – Schulinfosystem Hamburg, Eintrag zur Schule auf der Veddel. (Abgerufen im Dezember 2020)
  2. Boris Meyn: Die Entwicklungsgeschichte des Hamburger Schulbaus. Hamburg 1998, S. 534. (Inventarnummer 181)
  3. 75 Jahre Schule Slomanstieg : 1932–2007. Hamburg 2007.
  4. Die Schule am Sieldeich hatte die Anschrift Sieldeich 28, und bestand von 1869 bis 1932. (Errichtung der Schule am Sieldeich, 1869–1932, Bestand im Hamburger Staatsarchiv (Signatur 311-2 IV_DV V D 9 a II Bu 2 a)
  5. Laut Uwe Schmidt (Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Band 2, Hamburg 2010, doi:10.15460//HUP/BGH.64.101, S. 829) wurde die Schule Slomanstraße 58 1898 gegründet, noch 1939 wurden dort Jungen und Mädchen in Koedukation unterrichtet. Nach 1945 wurde die Schule aufgegeben.
  6. a b c d 277 Volksschule Veddel bei der Fritz-Schumacher-Gesellschaft (Archiv-Version 2019)
  7. a b Eine Schule als Lebensader für ein ganzes Viertel. In: Welt, 4. April 2007.
  8. Hans-Peter de Lorent: Hinrich von der Lieth. In: Landeszentrale für politische Bildung Hamburg (Hrsg.): Topografie der NS-Dabeigewesenen in Hamburg (Datenbank)
  9. Anna Lambert: Die Berufsbildung im Nationalsozialismus in Hamburg (=Band 43 von Berufsbildung, Arbeit und Innovation – Dissertationen und Habilitationen). Bertelsmann, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-7639-5809-2, S. 206–208.
  10. Gesetz über die Hitler-Jugend, Reichsgesetzblatt 1936, S. 993
  11. a b Uwe Schmidt: Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Band 2 (Anhang: Verzeichnis der Schulen von 1933 bis 1945). Hamburg 2010, S. 829. (doi:10.15460//HUP/BGH.64.101)
  12. Lichtburg Veddel beim Verein Film- und Fernsehmuseum Hamburg e. V.
  13. Dieter Thal: Hamburg-Veddel. Sutton, Erfurt 2012, ISBN 978-3-95400-111-8, S. 70.
  14. Nix deutsch – Eine Schule kämpft für Integration. Erstausstrahlung am 13. Januar 2004 im NDR.
  15. Joachim Schroeder: Wenn Schulen Vielfalt nutzen (möchten). In: Wolf-Dietrich Bukow, Gerda Heck, Erika Schulze, Erol Yildiz (Hrsg.): Neue Vielfalt in der urbanen Stadtgesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-93082-4, S. 93 f.
  16. Verordnung über Maßnahmen im Rahmen der Schulorganisation zum Schuljahresbeginn 2010/2011 vom 7. Oktober 2010. In: Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt (HmbGVBl), 2010, S. 561 ff.
  17. Verordnung über Maßnahmen im Rahmen der Schulorganisation zum Schuljahresbeginn 2012/2013 vom 17. Juli 2012. In: Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt (HmbGVBl), 2012, S. 348 ff.
  18. dpa/lno: Fast 100 Corona-Infektionen an Schule in Hamburg-Veddel. In: Süddeutsche Zeitung, 20. November 2020.
  19. Jens Meyer-Wellmann: 94 Infektionen an Hamburger Schule – jetzt Distanzunterricht. In: Hamburger Abendblatt, 21. November 2020.
  20. Zwei Hamburger Schulen machen zu, die Ida Ehre Schule auf. In: NDR, 20. November 2020.
  21. Rita Bake: Ein Gedächtnis der Stadt Nach Frauen und Männern benannte Straßen, Plätze, Brücken in Hamburg. Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, 2016, abgerufen am 21. Juli 2023.
  22. a b Ralf Lange: Architekturführer Hamburg. Edition Menges, Stuttgart 1995, S. 282. (Eintrag L 2.2)
  23. Behörde für Kultur und Medien, Denkmalschutzamt (Hrsg.): Denkmalliste der Freien und Hansestadt Hamburg, Stand 11. November 2019, S. 4377. (Denkmal-ID 13033)
  24. Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Schule und Berufsbildung (Hrsg.): Schulentwicklungsplan für die staatlichen Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien in Hamburg 2019. Hamburg, 24. September 2019, S. 31. (Endgültige Fassung, Online)
  25. a b Behörde für Schule und Berufsbildung zusammen mit dem Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung: Bildungsatlas Hamburg, Angaben zur Schule auf der Veddel, Schuljahr 2017/18.
  26. Bezirksamt Hamburg-Mitte, Fachamt Sozialraummanagement: Sozialraumbeschreibung Veddel, Kleiner Grasbrook, Steinwerder, Hamburg 2010, S. 21. (Abschnitt 3.10, „Schulabschlüsse“)
  27. Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Robert Heinemann (CDU) vom 28.02.13 und Antwort des Senats. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode, Drucksache 20/7094, Anlage 4b: Alte und neue Sozialindizes der staatlichen weiterführenden Schulen, S. 27.
  28. Peter Ulrich Meyer: So hoch ist der Migrantenanteil an Hamburger Schulen. In: Hamburger Abendblatt vom 19. April 2018. (An den Hamburger Stadtteilschulen lag der Anteil durchschnittlich bei 48 %)
  29. Bezirksamt Hamburg-Mitte, Fachamt Sozialraummanagement: Sozialraumbeschreibung Veddel, Kleiner Grasbrook, Steinwerder, Hamburg 2010, S. 27 f. (Abschnitt 4.4, „Schule“)
  30. Friederike Grupe: Hamburg-Veddel – eine deutsche Hauptschule. In: Hamburger Abendblatt, 8. April 2006.
  31. Schule auf der Veddel auf der Website der Aurubis AG (Abgerufen im Dezember 2020)
  32. Ausbildungsbeginn bei Aurubis, Pressemitteilung der Aurubis AG vom 4. September 2015.