Siegbert Uhlig

deutscher Afrikanist

Siegbert Uhlig (* 16. Februar 1939 in Königsberg) ist ein deutscher Äthiopist. Er war von 1990 bis 2004 Professor für Afrikanische Sprachen und Kulturen mit Schwerpunkt Äthiopistik an der Universität Hamburg. Er trug wesentlich zur Etablierung der Äthiopistik als akademische Disziplin bei.

Uhlig ist insbesondere durch seine maßgebliche Arbeit an der Encyclopaedia Aethiopica bekannt, deren Konzept er entwickelte und für die er die wissenschaftliche Leitung sowie die Herausgabe übernahm. Auch über diese Arbeit hinaus waren und sind seine Beiträge zur Äthiopistik von grundlegender Bedeutung für das Fach und berühren verschiedene Forschungsfelder. Als Gründer der Fachzeitschrift Aethiopica etablierte Uhlig ein bedeutendes Forum für den wissenschaftlichen Diskurs auf diesem Gebiet. Darüber hinaus initiierte er die DeutschÄthiopischeStiftung, deren Ziel es ist, die Forschung im Bereich der Äthiopistik zu fördern und den wissenschaftlichen Nachwuchs in diesem Fachbereich zu unterstützen.

Leben und wissenschaftliche Karriere

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Nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule und einer anschließenden Handwerkslehre an mehreren Orten in Sachsen absolvierte Uhlig von 1957 bis 1961 ein Studium am Theologischen Seminar in Friedensau bei Magdeburg. Anschließend war er bis 1977 als freikirchlicher Pastor in Rostock tätig. Parallel dazu setzte er sein Studium an der Universität Rostock fort und promovierte dort 1969 mit einer Dissertation zu August Wilhelm Dieckhoffs Stellungnahme zu kirchenpolitischen und theologischen Streitfragen seiner Zeit zum Dr. theol.[1]

1977 übersiedelte Uhlig mit seiner Familie aus der DDR in die Bundesrepublik. Im selben Jahr nahm er ein Studium der semitischen Sprachen an der Universität Hamburg auf und promovierte sich 1981 mit einer Dissertation über Hiob Ludolfs „Theologia Aethiopica“ zum Dr. phil. 1985 schloss Uhlig seine Habilitation im Bereich der äthiopischen Paläographie ab, woran sich Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hamburg und Osnabrück anschlossen. 1990 wurde er an der Universität Osnabrück zum außerplanmäßigen Professor ernannt.[2] Noch im selben Jahr wurde er als Nachfolger Ernst Hammerschmidts auf die C4-Professur für Afrikanische Sprachen und Kulturen mit Schwerpunkt Äthiopistik am Fachbereich Orientalistik (ab 2000 Asien-Afrika-Institut) der Universität Hamburg berufen. Uhlig war in der Folge mehrmals Direktor des Seminars für Afrikanische Sprachen und Kulturen bzw. der Abteilung für Afrikanistik und Äthiopistik sowie von 1997 bis 1999 Dekan des Fachbereichs Orientalistik.[3] Binnen weniger Jahre entwickelte Uhlig in Nachfolge von Hammerschmidt den äthiopistischen Teilbereich der Afrikanistik zu einer etablierten Regionalwissenschaft. Dabei verfolgte er ein umfassendes Forschungsprogramm, das sämtliche sprachliche und ethnische Gruppen des Orbis Aethiopicus einbezog. Seine wissenschaftlichen Beiträge zeichnen sich insbesondere durch umfangreiche editorische Arbeiten aus. So war er für die Herausgabe der Reihe Aethiopistische Forschungen (Bände 36–75) sowie für die Gründung und Leitung neuer Publikationsorgane verantwortlich, darunter die Zeitschrift Aethiopica: International Journal of Ethiopian and Eritrean Studies. Ein weiteres zentrales Projekt seiner Laufbahn war die Leitung der Encyclopaedia Aethiopica, einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten, 1997 begonnenen internationalen Großprojekt.[4] Im Rahmen einer umfassenden Katalogisierung der orientalischen Handschriften in Deutschland betreut Uhlig gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern zwei Bereiche den Bereich der koptischen, äthiopischen und christlich-arabischen Handschriften.[5]

1999 gründete Uhlig zusammen mit Jürgen Lüthje die Stiftung zur Förderung der Äthiopistik, die später in DeutschÄthiopischeStiftung umbenannt wurde. Die Stiftung fördert Studenten, Gastwissenschaftler und Publikationen.[6] Sie ist mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik (bis 2009 Forschungsstelle Äthiopistik) verbunden, welche 2002 von der Universität Hamburg auf Betreiben von Uhlig eingerichtet worden war. Unter seiner Initiative wurde zudem 2003 die aus Privatmitteln und Mitteln der DeutschÄthiopischenStiftung finanzierte Hiob-Ludolf-Gastprofessur ins Leben gerufen, die semesterweise wechselnd von internationalen Fachkollegen besetzt wird, um aktuelle Themen der Region aufzugreifen. 2004 erfolgte Uhligs Emeritierung.[7] 2015 wurde Uhlig für seine „herausragenden Beiträge zur äthiopischen Paläographie und den semitischen Sprachen“ die Edward-Ullendorff-Medaille der British Academy verliehen.[8] Siegbert Uhlig ist seit 1962 mit Waltraud Uhlig, geborene Lippert, verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.[9]

Uhlig hat maßgeblich zur Etablierung der Äthiopistik als Forschungsfeld beigetragen und die Universität Hamburg in diesem Bereich zu internationalem Ansehen geführt.[10] Sein umfangreiches Werk umfasst nicht nur Arbeiten zu traditionellen Kernbereichen wie Literatur, Handschriftenkunde[11] oder Religionsgeschichte,[12] sondern auch zu ethnologischen[13] und modernen Themen.[14] Besonders hervorzuheben sind seine Verdienste um die Gründung der Fachzeitschrift Aethiopica im Jahr 1998 sowie die Fortführung der Monographienreihe Aethiopistische Forschungen seit 1994. Diese Reihe, die weltweit einzigartig ist, hat maßgeblich zur Vertiefung und Internationalisierung der Äthiopistik beigetragen.[15]

Uhligs Hauptwerk ist die Encyclopaedia Aethiopica, an deren Herausgabe er rund 20 Jahre gearbeitet hat. Die umfassende Enzyklopädie mit mehr als 4.300 Artikeln, verfasst von rund 600 Autorinnen und Autoren aus etwa 40 Ländern, behandelt sämtliche Bereiche der geistesgeschichtlichen Entwicklung Nordostafrikas, mit besonderem Schwerpunkt auf Äthiopien. Das in fünf Bänden erschienene Werk umfasst etwa 11.600 Spalten, ergänzt durch Karten, Tabellen, Abbildungen sowie einen 600-seitigen Index. Es hat die Äthiopistik grundlegend neu ausgerichtet.[16]

Veröffentlichungen in Auswahl

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Monographien und Sammelbände
Artikel
  • Zur Überlieferungsgeschichte des äthiopischen Henochbuches. In: Oriens Christianus, Bd. 69 (1985) S. 184–93.
  • Ludolfs Deutung der äthiopischen Geschichte des 17. Jahrhunderts in der ‚Schaubühne der Weltgeschichte‘. In: Afrika und Übersee, Bd. 71, H. 2 (1988), S. 267–86.
  • Ein pseudepigraphischer Actaschluss in der äthiopischen Version. In: Oriens Christianus, Bd. 73 (1989), S. 129–36.
  • Dǝrsan des Yaʿqob von Sǝrug für den vierten Sonntag im Monat Taḫśaś. In: Aethiopica, Bd. 2 (1999), S. 7–52.
  • Eine trilinguale ʿEzana-Inschrift. In: Aethiopica, Bb. 4 (2001), S. 7–31.
  • Bible: Biblical text criticism. In: Encyclopaedia Aethiopica, Bd. I, 2003, S. 565–69.
  • Ludolf, Hiob. In: Encyclopaedia Aethiopica, Bd. III, 2007, S. 601–3.

Literatur

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  • Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii.
  • Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Bd. 2, Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64.
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Anmerkungen

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  1. Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii.
  2. Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Bd. 2, Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 458.
  3. Profil von Siegbert Uhlig im Hamburger Professorinnen- und Professorenkatalog; sowie Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii; sowie Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Band 2: Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 458.
  4. Profil von Siegbert Uhlig im Hamburger Professorinnen- und Professorenkatalog; sowie Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii; sowie Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Band 2: Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 458–60.
  5. Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii, hier S. xi.
  6. Website der DeutschÄthiopischen Stiftung.
  7. Profil von Siegbert Uhlig im Hamburger Professorinnen- und Professorenkatalog; sowie Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii; sowie Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Band 2: Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 460f.
  8. Alessandro Bausi: Personalia. Siegbert Uhlig awarded with the British Academy ‘Edward Ullendorff Medal’. In: Aethiopica, Bd. 19 (2016), S. 227.
  9. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s Who, 36. Aufl., Lübeck 1997, S. 1469.
  10. Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii; und Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Band 2: Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 58–60.
  11. Siegbert Uhlig: Äthiopische Paläographie, Stuttgart 1988
  12. Siegbert Uhlig: Das äthiopische Henochbuch, Güterslohe 1984 (Digitalisat).
  13. Siegbert Uhlig & Gernot Bühring: (Hrsg.): Damian de Góis‘ Schrift über Glaube und Sitten der Äthiopier, Wiesbaden 1994.
  14. Etwa Siegbert Uhlig u. a. (Hrsg.): Ethiopia: History, Culture and Challenges, East Lansing 2017; im Folgejahr auch in deutscher Übersetzung erschienen.
  15. Verena Böll u. a.: Preface. In: Studia Aethiopica. In Honour of Siegbert Uhlig on the Occasion of his 65th Birthday, hrsg. v. dens., Wiesbaden 2004, S. xi–xii; und Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Band 2: Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 458–60.
  16. Alessandro Bausi: Eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Äthiopistik an der Universität Hamburg. In: 100 Jahre Universität Hamburg. Bd. 2, Geisteswissenschaften. Theologie. Psychologie, hrsg. v. Rainer Nicolaysen u. a., Göttingen 2021, S. 454–64, hier S. 460.