Sigebotsbuch
Sigebotsbuch (Alternativbezeichnungen des Lemmas) |
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Sigebotsbůch, Sigebotisbůch, Sigebotesbůch, Sigeboltzbol, Sibotzbůch |
Die Wüstung Sigebotsbuch war ein Weiler in der Nähe des Lehrhofs bei Steinheim an der Murr.[1][2]
Name
BearbeitenDer Namensforscher Lutz Reichardt leitet den Ortsnamen Sigebotsbuch von der „Siedlung im Wald des Sigebōt“ ab.[3] Er beruft sich dabei auf die althochdeutschen Namensstämme *Sigu- und *Bōd-.[4] Das Grundwort des Ortsnamens bildet demnach das mittelhochdeutsche buoch, was einen Buchenwald oder eine Waldung überhaupt beschreibt.[5]
Vermutete Lage
BearbeitenAuf der topografischen Urflurkarte des Königreichs Württemberg von 1832 heißt der Berghang hinunter zum Kaisersbach, nordöstlich des Lehrhofs, Wüste Aecker. Die ihm auf der anderen Uferseite gegenüberliegende Mulde heißt dort Birkenegart.[6] Diese beiden Flurnamen lassen den abgegangenen Weiler hier vermuten, wobei der Name „Wüste Äcker“ dann die Bezeichnung für die Wüstung wäre, wogegen der „Birken Egarten“ den Egarten auf der Birke, d. h. die zum vormaligen Ort gehörigen und nach dessen Wüstung brachgelegenen Äcker und Wiesen bezeichnet.
Das Gebiet nordöstlich des Weilers Hinterbirkenhof wird in der Urflurkarte noch als Birke bezeichnet,[7] was ebenfalls auf eine vormalige Besiedlung hindeutet und von der die Birkenhöfe ihren Namen ableiten.[8] Oft wurden die Gegenden um zerfallene römische Bauten als Burg, Bürg oder Birk bezeichnet, z. B. das nahe Kastell in Benningen am Neckar oder viele der Gutshöfe der Gegend. Möglicherweise könnte der Weiler Sigebotsbuch aber auch hier gestanden haben. Wahrscheinlicher aber ist der Zusammenhang mit dem ebenfalls abgegangenen, lediglich 1279 einmal als Kaysersperg erwähnten Weiler auf dem noch heute Kaisersberg genannten Berg im Hardtwald nebenan.
Geschichte
BearbeitenDer vermuteten geografischen Lage zufolge könnte der Weiler bereits auf den zweiten fränkischen Landesausbau nach dem Cannstatter Blutgericht von 746 zurückgehen, ähnlich wie die benachbarten Orte Rielingshausen, Erdmannhausen, Zwingelhausen oder die ebenfalls abgegangenen Siedlungen Weikertshausen und Hegnachsiedel, die wohl in dieser Zeit von Steinheim aus gegründet wurden.[9] Dagegen spricht aber der erst im Spätmittelalter dokumentierte Ortsname mit dem Grundwort -bůch. Jedenfalls bestand der Ort bereits lange vor dem benachbarten Lehrhof, der 1269 als „curia in novo castro“ erwähnt wird,[10] also als neugegründeter Wirtschaftshof der damals erst wenige Jahre vorher errichteten Burg der Ortsherren von Steinheim.[8][11]
Der Weiler wird erstmals in einer Urkunde vom 11. November 1271 als Sigebotsbůch erwähnt. In diesem Vertrag bestätigt Graf Konrad II. von Vahingen der Priorin und dem Konvent des Klosters Mariental die Übergabe der Vogteirechte in den Orten Steinheim, Sigebotsbuch und dem Lehrhof unter der Burg für 200 Pfund Heller.[12] Diese Übergabe wird wenige Tage später vom Lehensherrn dieser Vogtei, dem Würzburger Bischof Berthold I. von Henneberg bestätigt. In dieser bischöflichen Kopialurkunde vom 16. November 1271 wird der Ort unter dem Namen Sigbotisbůch verzeichnet.[13]
Knapp über drei Jahre später, im Januar 1275, überträgt Bischof Berthold von Sternberg in Würzburg die Lehensrechte über diese Vogtei in den drei genannten Orten vom Bistum auf das Kloster Mariental. Die Sigebotsbucher unterstanden damit direkt dem Konvent des nahen Klosters. In diesem Dokument erscheint der Weiler unter dem Namen Sigebotesbůch.[14]
Im Oktober 1279 verpfändeten Berthold von Neuffen und seine Frau Richenza von Löwenstein der Priorin und dem Konvent des Klosters Steinheim ihre Güter in Sigebotsbuch und dem benachbarten, ebenfalls abgegangenen Ort Kaisersberg, bei „Leistung voller Gewährschaft“. Der Ort wird in dieser Urkunde als Sigeboltzbol genannt.[15]
Etwa 70 Jahre nach dieser Güterschenkung gilt der Ort bereits als verwüstet: Im Urbar des württembergischen Amts Asperg von 1351/55 erscheint Sigebotsbuch nur noch als Flurname. Die Bewirtschaftung der Güter auf dieser Flur (namentlich Wiesen, Äcker und Hölzer) erfolgte durch mindestens drei Rielingshäuser Einwohnerinnen und Einwohner, die dafür entsprechende Abgaben an die neuen Grundherren, die Grafen von Württemberg zu leisten hatten. Der abgegangene Ort wird in diesem Verzeichnis Sibotzbůch genannt.[16] Die Markung des aufgegebenen Orts wurde, gemeinsam mit dem ebenfalls abgegangenen Nachbarort Kaisersberg, zum größten Teil der von Rielingshausen zugeteilt, zum kleineren der von Steinheim.[15]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Landesarchivdirektion Baden-Württemberg (Hrsg.): Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band III. Kohlhammer, Stuttgart 1979, ISBN 978-3-17-004416-6, S. 431, 458.
- ↑ Beschreibung des Oberamts Marbach. In: Wikisource.org. Königlich statistisch-topographisches Bureau, 1866, abgerufen am 27. Januar 2022.
- ↑ Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Stadtkreises Stuttgartund des Landkreises Ludwigsburg. In: Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (Hrsg.): Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen. Band 101. Kohlhammer, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007970-0, S. 140–141.
- ↑ *Sigu-; *Bōd-. In: Ernst Förstemann (Hrsg.): Altdeutsches Namenbuch. I (Personennamen). Hanstein, Bonn 1900, Sp. 1317 ff.; 319 ff.
- ↑ Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Band I. Hirzel, Leipzig 1872, Sp. 386.
- ↑ Kartenblatt NO XLIV 17. In: Findbuch EL 68 VI Nr. 3783. Landesarchiv Baden-Württemberg, 1832, abgerufen am 27. Januar 2023.
- ↑ Kartenblatt NO XLV 18. In: Findbuch EL 68 VI Nr. 3873. Landesarchiv Baden-Württemberg, 1832, abgerufen am 27. Januar 2023.
- ↑ a b Hans Dietl: Lehrhof und Vorderbirkenhof. 80 Jahre Eingliederung nach Steinheim. Aus der Geschichte des Lehrhofes. In: Stadtarchiv Steinheim an der Murr (Hrsg.): Beiträge zur Heimatkunde. Nr. 75. Remppis, Marbach a.N. 31. März 2011, S. 1–8.
- ↑ Otto Kleinknecht: Zur frühesten Geschichte des Murrgaus. In: Historischer Verein Ludwigsburg, Kreis und Stadt (Hrsg.): Ludwigsburger Geschichtsblätter. Nr. 19. Aigner, Ludwigsburg 1967, S. 63.
- ↑ Band VII., Nr. 2064, Seite 23-26 Die Grafen Gottfried von Löwenstein und Hartmann von Grüningen beurkunden ihre mit Elisabeth, der Witwe des Edlen Berthold von Blankenstein, getroffene Übereinkunft, dass dieselbe über die Hälfte ihres Güterbesitzes, abgesehen von der Vogtei zu Steinheim, frei verfügen dürfe, worauf Elisabeth diese Hälfte dem Kloster Steinheim schenkt. In: Württembergisches Urkundenbuch Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, 25. April 1269, abgerufen am 27. Januar 2023 (Latein).
- ↑ Willi Müller: Der Lehrhof und die Burgen der Herren von Steinheim. In: Gemeindeverwaltung Steinheim/Murr (Hrsg.): Steinheim an der Murr. Festschrift zur Feier der ersten urkundlichen Nennung vor 1100 Jahren / der Gründung des Klosters Mariental vor 700 Jahren / der Gewinnung der Reichsunmittelbarkeit vor 650 Jahren / am 20./22. Juni 1953. Remppis, Marbach a.N. 1953, S. 48.
- ↑ Band VII., Nr. 2236, Seite 158-159 Graf Konrad von Vaihingen übergibt der Priorin und dem Konvent von Steinheim die von ihm um 200 Pfund Heller an sie verkaufte Vogtei in Steinheim, Sigebotsbuch und Lehrhof unter der Burg. In: Württembergisches Urkundenbuch Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, 11. November 1271, abgerufen am 27. Januar 2023 (Latein).
- ↑ Band VII., Nr. 2237, Seite 159 Bischof Berthold von Würzburg überträgt mit Zustimmung seines Domkapitels der Priorin und dem Konvent von Steinheim das Eigentumsrecht der Vogtei zu Steinheim, Sigebotsbuch und Lehrhof (Stainhein, Sigebotisbůch, Lo{e}hern domorum sub castro), nachdem Graf Konrad von Vaihingen, der damit von der Würzburger Kirche belehnt war, dieser zum Ersatz dafür sein Dorf Glattbach1 bei Vaihingen (villa sua Glatbach iuxta Vaihingen) und einen Hof zu Weihingen2 (Wihingen) überlassen hat. In: Württembergisches Urkundenbuch Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, 16. November 1271, abgerufen am 27. Januar 2023 (Latein).
- ↑ Band VII., Nr. 2480, Seite 350-351 Bischof Berthold von Würzburg überträgt die Vogtei zu Steinheim, Sigebotsbuch und Lehrhof, Lehen vom Bistum Würzburg, welchem Graf Konrad von Vaihingen dafür seinen Ort Glattbach und seinen Hof Weihingen zu Lehen aufgetragen hatte, an das Kloster Steinheim. In: Württembergisches Urkundenbuch Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, 28. Januar 1275, abgerufen am 27. Januar 2023 (Latein).
- ↑ a b Paul Sauer: Rielingshausen im Mittelalter. In: Heimat- und Museumsverein Rielingshausen; Stadtarchiv Marbach a.N. (Hrsg.): Rielingshausen. Vom fränkischen Adelssitz zum Marbacher Stadtteil. Scheufele, Stuttgart 1996, S. 52 ff.
- ↑ Karl Otto Müller: Altwürttembergische Urbare aus der Zeit Graf Eberhards des Greiners (1344-1392). In: Württembergische Kommission für Landesgeschichte (Hrsg.): Württembergische Geschichtsquellen. Band 23. Kohlhammer, Stuttgart 1934, S. 157, 159.