Kreiswinkel

Winkel an Kreisen
(Weitergeleitet von Umfangswinkelsatz)

Für viele Fragestellungen der Elementargeometrie, bei denen es um Winkel an Kreisen geht, lassen sich die im Folgenden erklärten Begriffe und Aussagen verwenden.

Veranschaulichung des allgemeinen Falls
Veranschaulichung des allgemeinen Falls

Begriffe

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Verbindet man die voneinander verschiedenen Endpunkte   und   eines Kreisbogens mit seinem Mittelpunkt   und einem Punkt   auf dem Kreisbogen, so liegen folgende Winkel vor:

  • Umfangswinkel oder Peripheriewinkel (ϕ) nennt man einen Winkel  , dessen Scheitel   auf demjenigen Kreisbogen liegt, der den gegebenen Kreisbogen über [AB] zum vollständigen Kreis (dem Umkreis des Dreiecks ABP) ergänzt.
  • Mittelpunktswinkel (μ): Ist   der Mittelpunkt des gegebenen Kreisbogens, so bezeichnet man den Winkel   als den zugehörigen Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel).
  • Ein Sehnentangentenwinkel (τ) zum gegebenen Kreisbogen wird begrenzt von der Sehne [AB] und der Kreistangente im Punkt   bzw.  .

Viele Autoren von Geometrie-Lehrbüchern nehmen bei Umfangswinkeln, Mittelpunktswinkeln und Sehnentangentenwinkeln nicht Bezug auf einen gegebenen Kreisbogen, sondern auf eine gegebene Kreissehne [AB]. Legt man eine solche Definition zugrunde, so muss man zwei Arten von Umfangswinkeln unterscheiden, nämlich spitze und stumpfe Umfangswinkel. Als Mittelpunktswinkel definiert man in diesem Fall den kleineren der beiden Winkel, die von den Kreisradien [MA] und [MB] eingeschlossen werden. Die Formulierung der Sätze im nächsten Abschnitt muss bei Verwendung dieser Definition ein wenig variiert werden.

 
Umfangs-, Mittelpunkts- und Sehnentangentenwinkel

Kreiswinkelsatz (Zentriwinkelsatz)

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Der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel) eines Kreisbogens ist doppelt so groß wie einer der zugehörigen Umfangswinkel (Peripheriewinkel).

Fall 1: Einer der Schenkel zum Umfangswinkel verläuft durch den Mittelpunkt

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Die beiden Winkel   und   sind beide gleich  . Der Winkel   beträgt entsprechend   und   als dessen Nebenwinkel demnach  .

Fall 1: Ein Schenkel des Umfangswinkels verläuft durch den Mittelpunkt  .
Fall 2: Der Mittelpunktswinkel beträgt 180°.

Fall 2: Der Mittelpunktswinkel beträgt 180°

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Hier kann man von   aus eine Hilfslinie durch den Mittelpunkt ziehen und sieht sich dann zweimal dem Fall 1 gegenüber. Es gilt:  .

An dieser Stelle ist praktisch der Satz des Thales bewiesen, da   ja prinzipiell beliebig gewählt war.

Fall 3: AMBP bildet ein reguläres, nicht überschlagenes Viereck

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Die Argumentation ist dieselbe wie in Fall 2.

Fall 3: Die Punkte   bilden ein
reguläres Viereck
Fall 4: Die Punkte   bilden ein überschlagenes Viereck.

Fall 4: AMBP bildet ein überschlagenes Viereck

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Da das Dreieck   gleichschenklig ist, sind die Winkel   und   beide gleich groß, hier:  . Nun ist auch das Dreieck   gleichschenklig, somit muss   gelten. Da die Scheitelwinkel bei   gleich groß sind, müssen sich die beiden anderen Winkel der Dreiecke   und   zur selben Summe addieren:  . Setzen wir die bekannten Werte ein, so erhalten wir:  , und es folgt auch in diesem Fall:  .

Umfangswinkelsatz (Peripheriewinkelsatz)

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Alle Umfangswinkel (Peripheriewinkel) über einem Kreisbogen sind gleich groß. Dieser Kreisbogen heißt dann Fasskreisbogen.

Der Umfangswinkelsatz ist eine unmittelbare Konsequenz des Kreiswinkelsatzes: Jeder Umfangswinkel ist nach dem Kreiswinkelsatz halb so groß wie der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel). Also müssen alle Umfangswinkel gleich groß sein.

Sehnentangentenwinkelsatz

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Die beiden Sehnentangentenwinkel eines Kreisbogens sind so groß wie die zugehörigen Umfangswinkel (Peripheriewinkel) und halb so groß wie der zugehörige Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel).

 

 
Sehnentangentenwinkelsatz:
Da   gleichschenklig ist gilt:
 
Zusammen mit   folgt:
 

Anwendung bei Konstruktionsaufgaben

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Umfangswinkelsatz

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Insbesondere der Umfangswinkelsatz lässt sich nicht selten für geometrische Konstruktionen verwenden. In vielen Fällen sucht man die Menge (den geometrischen Ort) aller Punkte  , von denen aus eine gegebene Strecke (hier  ) unter einem bestimmten Winkel erscheint. Die gesuchte Punktmenge besteht im Allgemeinen aus zwei Kreisbögen, den sogenannten Fasskreisbögen (Bild 1).

Bekanntlich ist bei einem Dreieck der anliegende Außenwinkel stets so groß, wie sie Summe seiner nicht anliegenden Innenwinkel.[1] Auf Grund dessen gilt:

Liegt der Punkt   des Dreiecks   innerhalb des Fasskreisbogens, so ist der Winkel   gleich   (Bild 2 mit Beispiel  ). Liegt dagegen der Punkt   des Dreiecks   außerhalb des Fasskreisbogens, so ist der Winkel   gleich   (Bild 3 mit Beispiel  ).[1]
 
Bild 1: Skizze zum Fasskreisbogenpaar
 
Bild 2: Ist Punkt   innerhalb des Fasskreisbogens, dann  
 
Bild 3: Ist Punkt   außererhalb des Fasskreisbogens, dann  

Der Beweis des nachfolgenden Anwendungsbeispiels beruht auf einer mehrfachen Anwendung des Umfangswinkelsatzes (Bild 4):

 
Bild 5: Skizze zum Anwendungsbeispiel (Spezialfall)
 
Bild 4: Skizze zum Anwendungsbeispiel
Gegeben seien drei Geraden  ,   und  , die sich im Punkt   schneiden. Von einem Punkt   werden jeweils die Lote auf  ,   und   gefällt.
Dann stimmen die Innenwinkelweiten des entstandenen Dreiecks   mit den Schnittwinkelweiten der drei Geraden überein.

Beweis:

Betrachtet wird der Thaleskreis   über der Strecke   mit verschiedenen Peripheriewinkeln.
  • Die Winkel   und   sind Umfangswinkel über dem zur Sehne   gehörigen (kleineren) Kreisbogen und haben deshalb dieselbe Weite  .
  • Die Winkel   und   sind Umfangswinkel über dem zur Sehne   gehörigen (kleineren) Kreisbogen und haben deshalb dieselbe Weite  .
  • Die Winkel   und   haben wegen   dieselbe Weite  .
Damit ist die Aussage bewiesen.

Für den Spezialfall, dass die drei Geraden sich im Punkt   unter einem Winkel von jeweils   schneiden, ergibt sich mit   als unmittelbare Folgerung (Bild 5):

Gegeben seien drei Geraden  ,   und  , die sich im Punkt   unter einem Winkel von jeweils   schneiden. Von einem Punkt   werden jeweils die Lote auf  ,   und   gefällt.
Dann ist das Dreieck   gleichseitig.[2]

Kreiswinkelsatz

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Der Kreiswinkelsatz eignet sich auch als Konstruktionsbaustein zur Lösung z. B. folgender Aufgaben:

  • Zeichne ein Vierzigeck, bei dem die Seitenlänge   gegeben ist.
Hierfür wird zuerst der Umkreis eines Zehnecks mit nur einer Seitenlänge   konstruiert und anschließend zweimal hintereinander der Kreiswinkelsatz angewendet.
  • Die Dreiteilung des Winkels mithilfe der Hyperbel; bereits im 4. Jhdt. nutzte Pappos für deren Lösung die Eigenschaften dieses Satzes (Bild 1).
  • Es ist aus einer vorgegebenen Seitenlänge   ein Polygon zu konstruieren, das die doppelte Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat (Bild 2).
  • Es ist aus einer vorgegebenen Seitenlänge   ein Polygon zu konstruieren, das die halbe Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat (Bild 3).
 
Bild 1: Kreiswinkelsatz
Ansatz für die Dreiteilung eines beliebigen Winkels. Durch den Punkt   verläuft später der rechte Ast der Hyperbel
.
 
Bild 2: Kreiswinkelsatz
Konstruktion eines Polygons bei gegebener Seitenlänge  , das die doppelte Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat.
Beispiel:
Die Seitenlänge   des gesuchten Zwanzigecks (blau) ist gleich der des vorgegebenen Zehnecks.
 
Bild 3: Kreiswinkelsatz
Konstruktion eines Polygons bei gegebener Seitenlänge  , das die halbe Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat. Darin ist   die Mittelsenkrechte von  
Beispiel:
Die Seitenlänge   des gesuchten Zehnecks (blau) ist gleich der des vorgegebenen Zwanzigecks.

Literatur

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Wikibooks: Kreiswinkelsatz – Lern- und Lehrmaterialien
Wikibooks: Sehnentangentenwinkelsatz – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

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  1. a b Günter Aumann: Kreisgeometrie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-45306-3, S. 16–17, 2.1 Die klassischen Sätze der Kreisgeometrie (springer.com [abgerufen am 9. August 2023]).
  2. Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten - Perlen der klassischen Geometrie, 2. Auflage, Springer Spektrum 2016, ISBN 978-3-662-63329-8, S. 23/219