Vaskulitis
Unter dem Sammelbegriff Vaskulitis (Mehrzahl Vaskulitiden) oder Gefäßentzündung werden entzündlich-rheumatische Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es durch autoimmunologische Prozesse – am häufigsten eine Allergie vom Typ 3 – zu Entzündungen von Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen kommt, wodurch in der Konsequenz auch die versorgten Organe geschädigt werden. Die genauen Ursachen sind nicht geklärt. Es werden genetische Faktoren in Kombination mit Umwelteinflüssen wie Infektionen mit dem Bakterium Staphylococcus aureus oder dem Hepatitis-Virus vermutet.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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I77.6[1] | Arteriitis, nicht näher bezeichnet |
L95.- | Anderenorts nicht klassifizierte Vaskulitis, die auf die Haut begrenzt ist |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Früher führten Vaskulitiden innerhalb weniger Monate zum Tod, heute können sie durch eine Therapie mit Immunsuppressiva in eine Remission gebracht werden, wodurch die Krankheit jedoch nicht geheilt ist. Da das Immunsystem bleibend entgleist ist und die Ursachen dafür noch nicht entschlüsselt sind und deshalb auch nicht behoben werden können, kann es jederzeit zu einem Rezidiv kommen.
Im Gegensatz dazu sind Vaskulopathien eine Gruppe primär nichtentzündlicher Gefäßerkrankungen unterschiedlicher Ursache, die zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss eines Gefäßes führen. In der Praxis werden beide Erkrankungstypen sprachlich häufig nicht sauber voneinander getrennt.
Klassifikation
BearbeitenPrimäre Vaskulitiden
BearbeitenPrimäre Vaskulitiden sind Vaskulitiden ohne bekannte Grunderkrankung. Sie werden nach der Revidierten Chapel-Hill-Consensus-Conference-Nomenklatur (2012) nach Größe der betroffenen Gefäße und je nachdem, ob sie ANCA-Antikörper aufweisen oder nicht, wie folgt klassifiziert:
Primäre Vaskulitiden kleiner Gefäße
BearbeitenANCA-assoziierte Vaskulitiden
- Granulomatose mit Polyangiitis (alte Bezeichnung: Wegener-Granulomatose) mit Vaskulitis vor allem der kleinen Arterien von Nieren und Lungen
- Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (alte Bezeichnung: Churg-Strauss-Syndrom)
- Mikroskopische Polyarteriitis (Abkürzung: MPA oder mPAN)
Nicht-ANCA-assoziierte Vaskulitiden
Bei den nicht-ANCA-assoziierten Vaskulitiden der kleinen Gefäße finden sich Immunkomplex- und Komplementablagerungen, es handelt sich dabei also um primäre Immunkomplexvaskulitiden.
- IgA-Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch, genannt auch Purpura anaphylactoides)
- Vaskulitis bei essentieller (d. h. idiopathischer) Kryoglobulinämie
- Anti-GBM-Krankheit (glomeruläre Basalmembran)
- Hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis (Anti-C1q-Vaskulitis)
Primäre Vaskulitiden mittlerer Gefäße
Bearbeiten- Panarteriitis nodosa (PAN)
- Kawasaki-Syndrom
- Wegener-Klinger-Granulomatose
- Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
Primäre Vaskulitiden großer Gefäße
Bearbeiten- Riesenzellarteriitis (früher auch Arteriitis temporalis, Arteriitis cranialis oder Morbus Horton genannt)
- Takayasu-Arteriitis als ANCA-negative Vaskulitis vor allem der Aorta und ihrer Hauptäste
Primäre Vaskulitiden variabler Gefäßgröße
BearbeitenPrimäre Vaskulitiden eines Organs
Bearbeiten- kutane leukozytoklastische Angiitis
- primäre ZNS-Vaskulitis u. a.
Sekundäre Vaskulitiden
BearbeitenDie sekundären Vaskulitiden treten bei Autoimmunerkrankungen (z. B. Systemischem Lupus erythematodes) und Infektionserkrankungen (z. B. AIDS, Syphilis) auf oder sind medikamentös induziert.
Auch die akute vaskuläre Organabstoßung nach einer Nierentransplantation zählt dazu, Ursache sind hierbei vom Empfänger synthetisierte IgG-Antikörper gegen Alloantigene der Epithelzellen des Transplantates.
Ebenso können sekundäre Vaskulitiden nach Aufnahme von Kokain und Mutterkornalkaloiden sowie einigen Heilpflanzen auftreten.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Peer Aries, Bernhard Hellmich, Christoph Iking-Konert: Vaskulitis erkennen verstehen behandeln. (Ratgeber für Betroffene) 2023, ISBN 978-3-432-11555-9.
- S1-Leitlinie Vaskulitis der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ). In: AWMF online (Stand 2013)
- S1-Leitlinie Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen (PDF)
- Gerd Herold: Innere Medizin. 2016, ISBN 978-3-9814660-5-8.
- 2012 Revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. In: Arthritis & Rheumatism. Vol. 65, No. 1, Januar 2013, S. 1–11.
- Franz Hrska, Wolfgang Graninger, Michael Frass: Systemerkrankungen. In: Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie. Band 38, Nr. 11, November 2003, S. 719–740, hier S. 723–730 (Vaskulitiden).
- S1-Leitlinie Vaskulitis der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ). In: AWMF online (Stand 2013)
- S1-Leitlinie Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen (PDF)
- Gerd Herold: Innere Medizin. 2016, ISBN 978-3-9814660-5-8.
- 2012 Revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. In: Arthritis & Rheumatism. Vol. 65, No. 1, Januar 2013, S. 1–11.
- Franz Hrska, Wolfgang Graninger, Michael Frass: Systemerkrankungen. In: Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie. Band 38, Nr. 11, (November) 2003, S. 719–740, hier S. 723–730 (Vaskulitiden).
Weblinks
Bearbeiten- Krankheitsbeschreibung Vaskulitis der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie
- European Vasculitis Study Group (englisch)
- Interdisziplinäres Vaskulitis-Zentrum, Informationen für Patienten und Angehörige (deutsch)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Alphabetisches Verzeichnis zur ICD-10-WHO Version 2019, Band 3. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, 2019, S. 926